26. NOVEMBER 2011 - DOM ZU LÜBECK

Bischof Gerhard Ulrich als Leitender Bischof der VELKD: Einführung Bischöfin Kirsten Fehrs (Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche)

28. November 2011 von Gerhard Ulrich

Liebe Kirsten, lieber Karsten, liebe Familie.
Liebe Festgemeinde! Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! 
Dies ist der Lehrtext für den heutigen Samstag vor dem Ersten Advent. Er steht im Philipperbrief im 4. Kapitel. 
Jawohl, es gibt Grund zur Freude an diesem Tag, es gibt Grund, Gott zu danken – dafür, dass er sein Kommen ankündigt in diese Welt hinein, die verfinstert ist durch Krieg und Hass, von Missbrauch und unerträglichen Nazi-Mördern in diesem Land.
„O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für…Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt…“?! – Das ist die Spannung, die Sehnsucht, mit der die Menschen im Advent sich dem Himmel entgegenstrecken, verlangend nach Aufbruch, nach Neuanfang – mit Gott!

In diese Spannung hinein führen wir heute Kirsten Fehrs in ihr Amt als Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck ein. Auch das ist ein Grund zur Freude. Gott sei Dank, dass er Dich sendet als Pastorin in diesen besonderen Dienst der Verkündigung und Leitung. Wir verwechseln nicht das Kommen der neuen Bischöfin mit der Ankündigung der Ankunft Gottes selbst bei den Menschen; aber der Dienst einer Pastorin als Bischöfin fasst sich darin zusammen, dass sie eben dies anzukündigen, mitzuteilen, weiterzugeben hat: die Freude an dem Herrn, der kommt; seine Nähe denen, denen die Hoffnung abhanden zu kommen droht; sein Licht denen, die im Finstern sitzen. „Der Herr ist nahe!“ – das ist die Botschaft, liebe Kirsten, die du immer schon verkündigt und gelebt hast, und die Du weiter verkündigen, ausbreiten wirst – und die dir selber gilt.

Gott sei Dank also, dass das Amt der Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck wieder besetzt ist. Du erlebst in den ersten Tagen im Amt, wie die Bischöfin gewollt, wie Kirche gefragt ist. Du kannst anknüpfen an den guten und geistlich festen Dienst, den Maria Jepsen in diesem Sprengel über so viele Jahre geleistet hat und den Jürgen Bollmann bis hierher fortgeführt hat: Die Evangelische Kirche wird gesucht und gebraucht – trotz aller Kritik, trotz all der Fehler und auch der Schuld, die natürlich auch unsere Kirche trägt und an der sie trägt. Wir wissen sehr wohl, dass der Schatten erschreckender und schrecklicher Taten sexualisierter Gewalt weiter und sicher noch lange auf uns liegt. Und die Wut und die Scham über Taten derer, die den Schutzraum Kirche für sich ausgenutzt haben, sitzen tief. Wir haben um Vergebung zu bitten für das, was wir als Kirche womöglich versäumt haben. Und wir lassen nicht nach, das Geschehene zu verstehen und aufzuarbeiten. Du wirst hier wie in vielen anderen Feldern als Bischöfin und Seelsorgerin hören und in unsere Suche nach guten, heilenden Wegen dich einbringen.

In Vielem ist Kirche gefragt nach Antworten auf die Sehnsüchte der Menschen; herausgefordert zum Gebet und zum Tun des Gerechten in dieser Welt. Eine Bischöfin steht für eine Realität, die über die Realität der Welt hinaus weist, die verweist auf den, der einzig Herr des Lebens ist.
Gefragt auch ist die Stimme der Kirche im Dialog der Religionen und Kulturen – gerade in Städten wie Hamburg und Lübeck – deine Vorgängerinnen Maria Jepsen und Bärbel Wartenberg-Potter haben hier Spuren des Dialogs gelegt, Vertrauen gepflanzt.

Du erlebst allerdings in den ersten Tagen auch, wie anstrengend dieser pastorale Dienst als Bischöfin sein kann, wenn jedes Wort Reaktionen auslöst in den Medien. Und wie man an sich halten muss, wenn der wohl überlegte und angemessene Verzicht auf eine öffentlich getane Äußerung interpretiert wird als „Mauer des Schweigens“. Das sind besondere Herausforderungen in diesem Amt, dabei wahrhaftig zu bleiben, beim Wort Gottes und bei der Lehre.

Das ist deine Stärke: in den Jahren als Hauptpastorin und Pröpstin in Hamburg hast Du überzeugt durch deine unkomplizierte Weise auf Menschen zuzugehen, durch Offenheit und Freundlichkeit. Du stehst für eine gute Gesprächskultur, die du z. B. am Runden Tisch in der Innenstadt in Hamburg gezeigt hast, in der Begegnung mit der Hamburger Gesellschaft in ihrer ganzen Bandbreite. Du überzeugst vor allem mit deiner Verkündigung. „Eure Güte lasst kund sein allen Menschen“ – dem folgst du, nicht wegen der eigenen Güte, sondern weil du getragen und befeuert bist von der Güte Gottes.

Diese deine Stärke wird nun nicht mehr nur in Hamburg zu sehen und zu spüren sein. Sie wird auch die Menschen erreichen in den Kirchenkreisen und Gemeinden deines Sprengels, die zu Schleswig-Holstein gehören, in den ländlichen Räumen und vor allem in dieser Hansestadt Lübeck, die in besonderer Weise auf die Bischöfin wartet. Denn es ist natürlich für diese Stadt eine nachhaltige Enttäuschung, dass in ihr nun kein Sitz einer Bischöfin oder eines Bischofs mehr sein soll, und dass damit eine lange Tradition abgebrochen ist.
Du weißt: Präsenz unserer Kirche in dieser Stadt wird besonders erwartet. Und unser Versprechen, hier besonders sichtbar zu sein, wirst Du, werden wir einlösen.
Du bist ja eine, die nicht einfach Wunden pflegt, sondern die energisch mit den Menschen neue Wege sucht und gestaltet.

Dein Weg beginnt in Dithmarschen, in Wesselburen, wo du aufgewachsen bist als Bürgermeister-Tochter.

In Hamburg hast du studiert. Spezielle Seelsorge-Gebiete wie Krankenhaus, Psychiatrie, Strafvollzug, Urlauber-Seelsorge haben dir einen wirklichen Zugang zur Theologie eröffnet.

Vikarin bist du gewesen in Klein-Waabs. Hier hast du dich als Predigerin entwickelt, deren Stärke es ist, die Predigt als Fortsetzung der Begegnungen und Gespräche mit den Menschen an ihren Orten zu entwickeln.

Dann ging es nach Hohenweststedt, wo Karsten und du euch eine Stelle geteilt habt – du mit einem zusätzlichen Auftrag für den Aufbau einer Erwachsenenbildung in der Region. Diese Arbeit hat schnell Bedeutung über die Region hinaus gewonnen.

In dieser Zeit hast du gezeigt, wie Du Menschen begeistern und mitnehmen kannst. Du hast Menschen erreicht, die sich mit ihren Fragen neu an Kirche herantasteten, die in deiner Arbeit ihre Gemeinde gefunden haben.

Danach war dir anvertraut der Aufbau des Konzepts für Personalentwicklung – zuerst im Kirchenkreis Rendsburg, dann für ganz Nordelbien.
Seit jener Zeit bist du mit dem Thema „Geistliche Leitung“ vertraut, hast wichtige Funktionen übernommen im Nordelbischen Reformprozess.

Auch in dem Doppelamt als Hauptpastorin und Pröpstin ist deine integrative Kraft, deine natürliche Leitungspraxis erfahrbar gewesen. Viele kennen sehr wohl deine humorvolle, ernsthaft-leichte Weise, die Dinge anzugehen, hineinzugehen in Konflikte, mit großer Gewissheit Probleme anzunehmen. Dein Humor, dein Witz helfen dir zu einer oft hilfreichen Selbstdistanz.
Du bist in allem eine Seelsorgerin. Und als solche hast du zu helfen, die Menschen bei der Suche nach ihrer Identität zu begleiten – und sei es, dass ein männlicher Kollege liebevoll davon abzubringen ist, bei einer unserer vielen Shopping-Touren in Dänemark seinen neu zu erwerbenden Mantel ausgerechnet in der Damen-Abteilung zu suchen…

Deine große Gabe, gesprächsfähig zu sein und im Gespräch schon den Weg nach vorn zu beschreiben, wird in deinem neuen Amt sichtbar sein. Nicht zuletzt wird diese Stärke helfen auf dem Weg in die neue Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland, auf dessen Zielgraden wir uns befinden.
Mit deinen Gaben wirst du das Amt der Leitenden Geistlichen, der Bischöfin ausfüllen, die leitet nicht mit menschlicher Gewalt, sondern mit dem Wort, wie es die Confessio Augustana sagt.

Dein Dienst bis hierher wäre nicht denkbar ohne eine gute Struktur des Lebens. Und dazu gehörst du, lieber Karsten. Du stehst hinter Kirsten. Du zeigst und lebst eine besondere Form der liebevollen Fürsorge, die nicht verschlingt, sondern frei lässt.
Und das kannst du tun, weil du selbst in ganz eigener Weise ein profilierter Pastor bist, der seinen Platz kennt, und weil du zielbewusst deinen Weg gehst. Auch dir sage ich von Herzen Dank für diesen Weg und diese Begleitung, die Stärkung und Liebe ist.

Bei der Vorbereitung auf heute haben wir uns erinnert an einen Workshop in Ratzeburg. Da spielte ein Gedicht von Reiner Kunze eine Rolle: „Rudern zwei ein Boot,/ der eine kundig der Sterne,/ der andre kundig der Stürme,/ wird der eine/ führn durch die Sterne,/ wird der andre/ führn durch die Stürme,/ und am Ende ganz am Ende/ wird das Meer in der Erinnerung/ blau sein.“

Gemeinsam sind wir unterwegs, rudern das Boot – nicht nur zu zweit. Aber jeder und jede bringt seine und ihre Gaben hinein in das Gemeinsame, die eigenen Stärken. Und achtet die Gaben der anderen. Dabei kommt es eben nicht zuerst auf die Höhe der „Schlagzahl“ an (ein Wort, das ich bei dir neu gelernt habe im Blick auf den pastoralen Dienst), sondern manchmal auch geht es um Entschleunigen, um Achtsamkeit auf die anderen, die am Rudern sind, auf Stromschnellen und auf die Kräfte, die einwirken. Wir wissen, wir sind unterwegs. Wir rudern, halten die Richtung oder verirren uns auch mal. Steuern aber tut ein anderer – der, der nahe ist!

Wir freuen uns in Nordelbien, in der Nordkirche, in der VELKD und EKD auf dich, deine ganz eigenen Gaben und Stärken. Und was auch passiert: in der Verheißung dessen, der kommt, der Licht ist und Wahrheit, werden wir fahren unseren Weg und das Meer wird, wenn wir erinnern, blau sein, friedlich, voller Hoffnung und voller Liebe, die Gott schenkt.

Er segne dich mit seiner Güte. Amen.

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