Kirchliche Flächen, landwirtschaftliche Interessen – Gemeinsame Wege in die Zukunft

Bischof Tilman Jeremias und Bauernverband MV beraten über Energieproduktion auf Agrarflächen

Auf dem Foto sind von links nach rechts zu sehen: Wissenschaftlicher Referent der Nordkirche Dr. Jan Menkhaus, Landeskirchlicher Beauftragter für MV Markus Wiechert, Bischof Tilman Jeremias, Bauernverbandspräsident Karsten Trunk, Vizepräsidentin Sabine Firnhaber und Geschäftsführer des Bauernverbands Dr. Martin Piehl in der Inselkirche Poel.
Auf dem Foto sind von links nach rechts zu sehen: Wissenschaftlicher Referent der Nordkirche Dr. Jan Menkhaus, Landeskirchlicher Beauftragter für MV Markus Wiechert, Bischof Tilman Jeremias, Bauernverbandspräsident Karsten Trunk, Vizepräsidentin Sabine Firnhaber und Geschäftsführer des Bauernverbands Dr. Martin Piehl in der Inselkirche Poel.© Marlene Nürnberger

18. November 2025 von Marlene Nürnberger

Am 17. November 2025 empfingen der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Tilman Jeremias und der Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern Karsten Trunk Gäste aus Landwirtschaft und Kirche zur jährlichen „Begegnung Kirche und Landwirtschaft“ auf der Insel Poel. Thema war die Frage, wie Strom aktuell und künftig nachhaltig auf landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, wer davon profitiert und welche Chancen und Herausforderungen sich für Betriebe, Kirchengemeinden und Umwelt ergeben. Ziel des Treffens war es, gemeinsam Lösungen für die Nutzung kirchlicher und landwirtschaftlicher Flächen zu finden und Impulse für eine regionale und verantwortungsvoll gestaltete Energiewende zu entwickeln. 

Frieden als Grundlage jeder Gemeinschaft

Bischof Tilman Jeremias eröffnete das Treffen mit einer Andacht in der Inselkirche Poel. Im Rahmen der zehn Tage im November, an denen traditionell um Frieden gebetet wird (Friedensdekade), erinnerte er an die Friedensvision des Propheten Jesaja und das geschichtsträchtige Symbol „Schwerter zu Pflugscharen“. Frieden zu leben bedeute heute auch, Konflikte fair auszutragen, einander zuzuhören und unterschiedliche Perspektiven zu respektieren. „Unsere Gesellschaft braucht wieder mehr Bereitschaft, die anderen zu verstehen. Es ist wesentlich, friedlich miteinander unterwegs zu sein, fair zu streiten, von seinem Gegenüber zu lernen und anderen Perspektiven und Realitäten Raum zu geben. Nur so entsteht Frieden“, betonte der Bischof.

Zehn Jahre konstruktiver Austausch zwischen Kirche und Landwirtschaft

Seit über zehn Jahren treffen sich jährlich immer dort, wo zuvor das Landeserntedankfest stattfand, Vertreterinnen und Vertreter der Nordkirche im Sprengel Mecklenburg und Pommern mit Vertreterinnen und Vertretern der Landwirtschaft in MV. Der Bauernverbandspräsident Karsten Trunk, Geschäftsführer des Bauernverbandes Dr. Martin Piehl,  Bischof Tilman Jeremias und Dr. Jan Menkhaus, Wissenschaftlicher Referent der Nordkirche, begrüßten die Gäste und würdigten die Bedeutung des Dialogs: Landwirtschaft und Kirche prägen Mecklenburg und Pommern gleichermaßen, beide verwalten große Flächen und suchen verantwortliche Lösungen für deren Nutzung. Im Mittelpunkt dieses Treffens stand das Thema: „Chancen und Herausforderungen der Stromproduktion auf landwirtschaftlich genutzten Flächen“. 

Erfahrungen aus der Praxis: Wind, PV und Biogas 

Der Landwirt und Energieprojektentwickler Dietmar Hocke schilderte unterschiedliche Modelle der Energieerzeugung und stellte die Position des Bauernverbandes dar. Während Photovoltaik-Freiflächen für etwa 20 Jahre landwirtschaftlich nicht nutzbar seien, könnten Windparks finanzielle Mehrwerte auch für Gemeinden schaffen, etwa durch Pacht-, Steuer- und Wegerechte sowie ökologische Ausgleichsmaßnahmen. Biogas spiele eine wichtige Rolle für die Grundversorgung: „Mit einem Motor einer Biogasanlage versorgen wir zwei Dörfer“, so Hocke. Er plädierte dafür, Biogas als flexiblen Energiebaustein weiterhin zu stärken. Grundsätzlich sei es von allen Seiten eine stets nicht leicht zu beantwortende Frage, ob an Landwirte oder Energieversorger verpachtet werden solle im Sinne der langanhaltenden Diskussion „Teller oder Tank“. 

Bauernverband MV: Energiewende strukturverträglich gestalten

Bauernverbandspräsident Karsten Trunk betonte, die Energiewende brauche konkrete Wege und regionale Lösungen. Der Verband setzt auf einen ausgewogenen Mix aus Biomasse, Windenergie und Photovoltaik, fordert jedoch klare Regeln:

  • PV zuerst auf Dächern, Gebäuden und Konversionsflächen
  • PV-Freiflächen nur nach agrarstruktureller Abwägung der Standorte
  • Netzausbau und Speichertechnologien vorrangig vorantreiben
  • Hindernisse beim Eigenverbrauch und bei Nahstromvermarktung abbauen
  • Agri-PV stärker fördern, um Landwirtschaft und Energieerzeugung zu verbinden

Irritation löst aus, dass neben dem Flächenverlust durch Energieprojekte zusätzlich naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen gefordert werden. „Das führt zu einer doppelten Belastung“, so der Konsens der Landwirtinnen und Landwirte. Wichtig sei außerdem, dass Flächen nach Ende der Nutzung (meist 20 Jahre) wieder landwirtschaftlich bewirtschaftet werden können, um die Lebensmittelversorgung zu gewährleisten. 

Position der Nordkirche: Klimaschutz und Schöpfungserhalt als oberste Priorität

Stephan Georg Lüders, Fachbereichsleiter Liegenschaften und Friedhof des Kirchenkreises Mecklenburg, gab Einblicke in die kirchliche Flächenpolitik: Von insgesamt 61.000 Hektar im Eigentum der Nordkirche liegen 51.000 Hektar in Mecklenburg und Pommern, überwiegend Ackerland, Grünland und Wald. Die Empfehlung der Kirchenkreisräte im Sprengel Mecklenburg und Pommern lautet:

  • Wertvolle Ackerstandorte bleiben der Landwirtschaft vorbehalten
  • PV-Freiflächen nur unter 25 Bodenpunkten
  • Max. 20 % der Flächen eines Eigentümers für Energieprojekte
  • Förderung von Agri-PV
  • EEG-geförderte Anlagen bevorzugt entlang von Verkehrsinfrastruktur

Regionale Verantwortung und gesellschaftlicher Auftrag

In der Diskussion wurde deutlich: Energiewende und Klimaanpassung müssen regional gedacht werden. Trunk unterstrich die Wichtigkeit dezentraler Versorgungssysteme und einer verlässlichen Grundlast: „Biogas hält das Netz stabil, wenn Sonne und Wind ausfallen.“ Gleichzeitig brauche es langfristige Perspektiven über 2040 hinaus, damit Innovationen und Ingenieursleistungen gefördert werden. Auch andere Stimmen betonten die Bedeutung regionaler Wertschöpfung. Bugenhagenmedaillenträger von 2023, Stefan Schmidt, schilderte, wie man Bürger erfolgreich in Projekte einbinden und mitnehmen könne, da auch für Kommunen bei passendem Konzept großer Mehrwert entstehen kann. 

Gemeinsame Sorge: Zukunft des Bodens und verlässliche Rahmenbedingungen

Breite Einigkeit herrschte bei der Frage, was nach 20 oder 25 Jahren mit bisher landwirtschaftlichen Flächen passiert, wenn etwa PV-Anlagen abgebaut werden. Auch politische Unsicherheiten und schwankende Strompreise belasten Landwirte wie Betreiber gleichermaßen. Trotz mancher Widerstände und kritischer Stimmen bleibt der Wille zum Dialog groß. „Wenn Zuhören ehrlich sein soll, brauchen wir die Bereitschaft, unser eigenes Weltbild in Frage zu stellen“, fasste Prof. Dr. Peter Adolphi (Vorstand Stiftung Akademie Nachhaltige Entwicklung Mecklenburg-Vorpommern) zusammen. Bischof Tilman Jeremias betonte: „Wir im Sprengel sind eine Kirche vor Ort – für und bei den Menschen.“ Genau deshalb seien diese Gespräche so wichtig und immer wieder zielführend für gemeinsame Wege in die Zukunft. 

 

 

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