18. September 2015 | Hamburg

Das Tabu angehen und aufbrechen

18. September 2015 von Kirsten Fehrs

Grußwort zum 25-jährigen Jubiläum „Verwaiste Eltern und Geschwister – Hamburg e.V."

Liebe Frau Friedrich – und dank etlicher gemeinsamer Wegstrecken: liebe Bärbel,

sehr geehrte, liebe Frau Dr. Voss-Eiser,

lieber Staatsrat Pörksen,

liebe Freundinnen und Freunde, die wir verbunden sind durch den Verein!

Ich danke sehr für die Einladung zu diesem Fest und dafür, persönlich gratulieren zu dürfen. Und natürlich Gottes Segen zu wünschen. Gerade das ist mir wichtig. Denn Segen heißt übersetzt ja: Kraft bekommen, gerade für die schweren Wege. Kraft und Licht und Aussicht, damit irgendwann wieder echte Hoffnung Raum gewinnt, tief im Inneren der Seele. Die Hoffnung nämlich, dass bei allem Schmerz auch wieder das Leben gewinnt und der Tanz und das befreite Lachen. Wissend: Die Liebe ist stärker als der Tod.

So also im wahrsten Sinne „Glück-Wunsch“. Zum 25ten. Und – um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen – zudem wünsche ich Ihnen und Euch viele Sponsoren! Denn was Sie alles nur aus Spendenmitteln heraus geleistet haben, ist wirklich enorm – Dr. Voss-Eiser und Staatsrat Pörksen haben dies in ihren jeweils sehr berührenden Reden eindrucksvoll aufgezeigt. So stehe ich auch für unsere Nordkirche mit großer Überzeugung hier und wünsche Ihnen – gerade heute – viel, viel Unterstützung, materieller wie immaterieller Art. Wir jedenfalls werden nicht aufhören, unseren Teil beizusteuern.

Denn immer wieder denke ich: Würde es ihn nicht schon geben, müsste der Verein Verwaiste Eltern und Geschwister e.V. erfunden werden. Weil die Trauer um das eigene Kind, die Trauer um den Bruder oder die Schwester, so eine tiefgradige Verstörung ist, so ein Riss im bisherigen Leben, ein brutales Heraus-gerissen-Sein aus der sogenannten Normalität – dass man andere braucht, um es fassen zu können. In der totalen Sprachlosigkeit gemeinsam Worte, in der Untröstlichkeit Trost suchen – das tun Sie. In der Ratlosigkeit Rat tatsächlich auch finden, im tiefen Fall und der Bodenlosigkeit Halt geben, das tun Sie -  einfach indem Sie, wissend wie einem ums Herz ist, da sind, zuhören, mit-fühlen. Auch schweigen. Aushalten.

Als Trauernde verstanden werden von Trauernden – das ist das ebenso einleuchtende wie großartige Konzept. Und so gelingt es, nach und nach, dass man herauskommt aus der Erstarrung. Dem Schweigen. Dem Rückzug. Den Verletzungen im Alltag auch, wenn etwa alte Freunde auf einmal die Straßenseite wechseln, weil sie nicht wissen, wie sie einem begegnen sollen in dem schweren Verlust.

Denn auch dafür hätte man den Verein erfinden müssen: Um das Tabu, das das Sterben und das Trauern in unserer Gesellschaft immer noch bedeutet, anzugehen und aufzubrechen. Und ich sehe auf 25 Jahre erfolgreiche Arbeit und erkenne an dem Bekanntheitsgrad Ihres Vereins: Richtig so. Man kann gar nicht genug darüber nicht schweigen.

Also wird hier und jetzt geredet. Nicht etwa allein durch Grußworte wie diese, sondern schon dadurch, dass Sie alle, liebe Freundinnen und Freunde, hierher gekommen sind. Gut so. Denn Sie reden – auch nonverbal – mit. Zeigen sich. Helfen damit anderen, tiefen Schmerz zuzulassen. Schwere Seelensteine abzulegen. Aufzustehen, weiterzugehen. Leben zu wollen. Ich habe großen Respekt vor Ihnen.

Und ich habe Respekt gegenüber Ihnen, die Abend für Abend die Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter sind, mit betroffen auf besondere, immer währende, liebende und alles herausfordernde Weise. Und so sind alle miteinander gemeinsam auf der Reise. Gemeinsam auf der Suche, so kommt es mir vor, nach Bildern von gutem Leben. Dafür steht in eindrücklicher Weise der Schmetterling. In der christlichen Kunst ist er seit alters her das Symbol für die Auferstehung. Ein enorm tröstliches Bild von gutem Leben. Weil es in seiner neu gewonnenen Leichtigkeit sehr genau weiß um die Zeiten, als das Ende der Welt so nahe war. Nach bitterem Tod fliegt er nun, der Schmetterling, in die Weite des Horizontes. Hinter ihm geht es doch immer weiter...

Ich stehe bewundernd davor, was Sie in den 25 Jahren mit Ihrem Verein alles an „gutem Leben“ ermöglicht haben. Danke dafür. Danke für Euer Dasein, Eure Freundschaft, das Feingefühl und all die Geduld, lange Wegstrecken mitzugehen. Segen sei mit euch all die folgenden Jahre. Damit Ihr weiterhin diesen großen Mut habt und euch an die Schmetterlinge haltet – als Zeichen, dass das Leben siegt.

Zum Anfang der Seite