17. April 2022 um 10.00 Uhr | Schleswiger St. Petri-Dom

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.

17. April 2022

Predigt Bischof Magaard am Ostersonntag, den 17.4.2022 im Dom zu Schleswig

Liebe Festgemeinde!

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.

Diesen Gruß rufen sich Christinnen und Christen heute in allen möglichen Sprachen zu. Auch die Osterlieder stimmen uns in diese Freude ein und besingen den Sieg Gottes über den Tod….

Hier im Dom können wir wieder in großer Gemeinschaft das Osterfest feiern. Vor zwei Jahren waren gar keine Gottesdienste möglich. Vor dem Südportal des Doms gab es das Osterevangelium auf Blättern ausgedruckt und Osterglocken zum Mitnehmen.

Zugleich gab es die Osterbotschaft an überraschenden Orten: kleine Steine mit einem Ostergruß zum Mitnehmen, Grüße auf Bürgersteigen geschrieben oder in Briefform im Briefkasten oder als digitale Botschaften der Gemeinde im Internet.

Vor einem Jahr war hier im Dom noch eine Großbaustelle und wir haben u.a. in der Dreifaltigkeitskirche den Ostergottesdienst gefeiert mit Auflagen. Am Ende sind wir rausgezogen und haben dort gesungen: Christ ist erstanden.

In diesem Jahr ist Vieles wieder möglich: Gottesdienste in großer Gemeinschaft. Wir können wieder gemeinsam singen und auch wieder das Abendmahl feiern. Wir können als Familien zusammenkommen und uns mit Freunden treffen. Und Gäste empfangen. Das ist Grund für große Dankbarkeit.

Das Osterfest feiern wir zugleich in einer belasteten und verstörenden Zeit. Der Krieg in der Ukraine legt sich mit täglich neuen Schreckensmeldungen seit mehr als 50 Tagen wie ein dunkler Schatten auch auf uns. Wie gebannt und manchmal fassungslos verfolgen wir die Bilder und Berichte aus der Ukraine. Nehmen Anteil an den Folgen von Gewalt und Zerstörung.

Und sind dankbar für die grenzenlose Hilfsbereitschaft in Polen und den anderen angrenzenden Ländern. Und auch bei uns. So viele Menschen versuchen zu helfen. Durch Wohnraum, den sie bereitstellen, durch Spenden, Pakete mit Hilfsgütern und durch tatkräftige Unterstützung der Menschen aus der Ukraine, die bei uns Zuflucht suchen. Unseren Gästen aus den Kriegsgebieten.

Die ganze Passionszeit war davon geprägt, die Friedensgebete und Passionsandachten, Solidaritätskonzerte und Kanzelreden. Und auch die Karwoche bis Karfreitag. Als wir an Gründonnerstag das festlich-feierliche Abendmahl feierten zählte auch eine ukrainische Familien mit drei Generationen zu den Gästen.

So feiern wir ein besonderes Osterfest: erschöpft durch die Pandemie mit ihren vielfältigen Folgen und dankbar für alles, was inzwischen wieder möglich ist, und in großer Sorge um die unabsehbaren Folgen des Krieges für die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, für Politik, Wirtschaft und Kultur.

Als Predigttext haben wir das Osterevangelium nach dem Evangelisten Markus gehört:

Drei Frauen (Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus und Salome) machen sich morgens in aller Frühe auf den Weg zum Grab. Die Morgensonne ist gerade aufgegangen.

Sie wollen von Jesus Abschied nehmen und ihm mit kostbarem Salböl etwas Gutes tun. Es ist das Wenige, was nach seiner Kreuzigung möglich ist, und doch so wichtig: in Ruhe und mit Würde von dem Toten Abschied zu nehmen.

Den Leidensweg Jesu vor Augen und fassungslos über seinen Tod am Kreuz waren sie unterwegs. Die letzten an Karfreitag sind die ersten am Ostersonntag. Und sie spürten, dass dies ein schwerer Gang werden würde. Wie gut, dass sie gemeinsam unterwegs waren in ihrer Trauer. So konnten sie sich beraten: Wer wird uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen?

Vor dem Grab angekommen, trauten sie ihren Augen nicht: Der große, schwere Stein bereits weggewälzt, das Grab stand offen. Es ist, als würde ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen. Wo ihre Liebe und ihr Hoffnung, ja die Mitte ihres Lebens zur Ruhe gebettet war, da gähnt nun das Nichts. Dafür sahen sie einen jungen Mann dort sitzen in einem weißen Gewand und erschraken sehr!

Der aber sprach zu ihnen: „Erschreckt nicht! Jesus sucht ihr, den Nazarehner, den Gekreuzigten. Er ist auferweckt worden. Er ist nicht hier. Das ist die Stelle, wo sie ihn hingelegt haben. Doch geht und sagt seinen Jüngern und dem Petrus, dass er euch vorausgeht nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.“

Das war zu viel für die Frauen, sie flohen weg von dem Grab, denn sie waren starr vor Angst und Entsetzen. Und sie sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich.

Liebe Gemeinde, eine Darstellung dieser Begegnung sehen wir auf unserem Gottesdienstblatt. Gemalt von der Künstlerin Christel Holl. Im Vordergrund der große, dunkle Stein, zur Seite gerollt. Rechts davon erkennen wir drei Frauen und links die sitzende Person, deren Arme in Bewegung sind.

Link auf die Darstellung (Copyright: Bueroner Kunstverlag)

Das Bild ist bestimmt von starken Gegensätzen. Das Felsengrab ist in ein helles, weißes Licht getaucht. Oberhalb sehen wir in der Ferne einen dunklen Berg mit drei Kreuzen: Erinnerung an die Kreuzigung, an Leid, Tod und Trauer. Dahinter sehen wir ein kräftiges rot-gelbes Morgenrot.

Im Vordergrund: die Begegnung der Frauen mit dem Boten, der sagt: „Der, den ihr sucht, ist auferweckt worden. Er ist nicht hier. Doch geht und sagt seinen Jüngern und dem Petrus, dass er euch vorausgeht nach Galiläa.“

Dieses Bild spricht mich an, weil ich mich mit meinen unterschiedlichen Perspektiven darin wiederfinde: Das Dunkle in dieser Welt wird nicht ausgeblendet: Der Krieg in der Ukraine und die Opfer von Gewalt und Verfolgung, von Hunger und Armut weltweit. Und auch das, was uns persönlich belastet oder beunruhigt.

Und zugleich sehe ich die hellen Farben: eine Hoffnungsperspektive im Licht der aufgehenden Sonne. Die geschwungene Linie ist es, die den Horizont bildet, die Grenze zwischen Himmel und Erde, die Linie, auf der wir uns bewegen.

Unterwegs zwischen dunkel und hell. Freud und Leid. Zuversicht und Sorge. Tod und Leben. Karfreitagskreuz und Ostersonne.

Und mit den Frauen hören wir die Botschaft: Der, den ihr sucht, ist auferweckt worden. Er geht euch voraus nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen. Und mit dem Wort Galiläa werden Erinnerungen wach: An die Worte Jesu in der Bergpredigt: „Selig sind, die Leid tragen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit. Selig sind, die Frieden stiften. Und an die Dörfer, wo Jesus Kranke heilte, Gleichnisse erzählte, Tote zum Leben erweckte und dafür sorgte, dass alle satt wurden.

Ostern räumt auf mit unserem Jesus-Bild: Nicht bei den großen Toten der Vergangenheit ist Jesus zu finden, sondern mitten im Leben, mitten in unserem Leben! Der auferstandene Christus will auch uns in die Quere kommen und uns stärken auf unseren Wegen. Mit ihm sind wir verbunden durch die Taufe und diese Gemeinschaft erfahren wir auch im Abendmahl.

Ostern wird es in solchen Momenten, in denen wir uns ansprechen lassen von der Stimme des Auferstandenen. Wo große Steine in Bewegung geraten. Wo Brücken gebaut werden und Konflikte bearbeitet werden. Wo Hindernisse, die wir aus eigener Kraft unmöglich bei Seite schaffen können, vor uns weichen und das Leben, das gefährdet oder eingeschränkt ist, neue Impulse bekommt.

Martin Luther hat die Osterbotschaft einmal so zusammengefasst: „Nicht wie du Gott im Tode findest, sondern wie er dich ins Leben zurückjagt, das mahnt das rechte Osterfest.“

 

Ostermomente können entstehen, wenn wir unsere Gemeinschaft stärken wie die Frauen unterwegs. Wenn wir aufmerksam bleiben für die Opfer von Krieg und Gewalt in der Ukraine und anderswo. Und auf diejenigen achten, die darunter besonders leiden oder allein sind.

Ostermomente können entstehen, wenn wir miteinander im Gespräch bleiben und darüber sprechen und diskutieren, welche Wege und Mittel und Menschen es braucht für Frieden und Versöhnung.

Ostermomente können entstehen, wenn wir erkennen, welchen Beitrag wir leisten können bei der Unterstützung und Begleitung von geflüchteten Menschen und wenn wir ihnen mit Respekt begegnen.

Ostermomente können entstehen, wenn uns Steine vom Herzen fallen. Wenn eine Krankheit tragbar wird. Wenn Versöhnung möglich wird. Wenn wir uns nach langer Trauerzeit wieder ins Leben wagen.

Ostermomente können entstehen, wenn sich im Vertrauen auf Christus unser Blick weitet, wenn sich Türen öffnen und wir neue Wege getrost gehen können.

So feiern wir heute allen Ängsten und Sorgen zum Trotz das Leben! Wir lassen dem Tod nicht das letzte Wort über unser Leben. Wir setzen auf das schier Unmögliche und glauben Gottes Kraft größer als alle Gesetzmäßigkeiten dieser Welt.

Und so rufen wir uns zu: Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!.

Amen.

 

 

Datum
17.04.2022
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