13. April 2018 | Güstrow

Der Weg, die Wahrheit und das Leben

13. April 2018 von Andreas von Maltzahn

Predigt zu 1. Kor 12, 1.Tagung der II. Kirchenkreissynode Mecklenburg

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. AMEN.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

kennt Ihr aus DDR-Zeiten noch die Anfragen an den Sender Jerewan? Das waren Witze, die immer aus einer Frage bestanden, und der in der Sowjetunion gelegene Sender Jerewan antwortete regelmäßig mit: „Im Prinzip ja, aber ...“ Auch zu Pfingsten wurde eine Anfrage an den Sender Jerewan gestellt: „Stimmt es, dass es mit der Kirche zu Ende geht?“ Antwort: „Im Prinzip ja, aber beim Heiligen Geist weiß man nie. Der ist immer für eine Überraschung gut.“

Recht hat er – nicht nur, weil die orthodoxe Kirche in Russland trotz 70 Jahren militanten Atheismus’ wieder großen Zulauf hat. Überrascht hatte Gottes Geistkraft von Anfang an – auch beim Sprachenwunder des ersten Pfingstfestes. Auf einmal verstehen Menschen das Wort Gottes, als wäre es in ihrer je eigenen Sprache gesagt. Gottes Geist taucht auf, wenn niemand mit ihm rechnet. Andererseits kann man ihn manchmal auch ganz schön vermissen.

Ja, unsere Kirche in Mecklenburg steht vor großen Herausforderungen. Wir leben in einer religionsgeschichtlich und auch religionspsychologisch einmaligen Situation: Das Aufsteigen und Niedergehen von Religionen ist der Religionswissenschaft von alters her vertraut. Auch das Verdrängt-Werden des Christentums durch andere Religionen hat die Welt erlebt. Neu an unserer Situation ist dies:

Für viele Menschen ist das Christentum eher Vergangenheit als Zukunft; aber zumeist nicht, weil sie sich einer anderen Religion zuwenden, sondern weil sie ihr Leben sehr selbstverständlich ohne Religion führen.

Man kann das beklagen. Aber es ändert nichts an unserem Auftrag:

„Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.“ (1.Tim 2,4)

Dieser Wille Gottes hat Bestand. Darum: Auch wenn unsere Kirche kleiner wird – der dreieinige Gott bleibt Herr des Geschehens! Auch wenn die Sozialgestalt unserer Kirche sich weiter wandeln wird – der Lauf des Evangeliums ist nicht zu Ende! Auch wenn Gott uns einen Weg der Veränderungen zumutet und wir nicht einfach so weiterarbeiten können wie bisher – in dieser Zumutung liegt Sinn, und wir können ihn zu verstehen suchen. Denn ich bin überzeugt: Es ist kein Verhängnis, das wir erleben, sondern es ist Gott, der an uns handelt und der durch uns wirken will. Es mag uns manchmal wie in einem Rückzugsgefecht zumute sein. Doch möglicherweise sind wir im Osten Deutschlands nicht die Nachhut, sondern erkundende Vorhut einer Gestaltung von Kirche und Gemeinde, die bisher nur zu ahnen ist und doch so dringend gebraucht wird.

Gott hat eine Mission für diese Welt, und er wirkt auch in unserem Land. Denken wir an das fantastische Engagement vieler Deutscher in den vergangenen Jahren für die ankommenden Flüchtlinge! Bei vielen auch mit der Bereitschaft verbunden, die eigene Gesellschaft durch die Neuankommenden verändern und bereichern zu lassen! Was ist das für ein guter Geist unter den Leuten gewesen – ganz anders als zu Beginn der 90er Jahre! Gewiss, Christenmenschen haben diese Bewegung mitgetragen. Aber wir als Kirche mussten die Bewegung nicht anführen. Viele Menschen in unserem Volk haben mit Hingabe im Geist der Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit über Monate hinweg gelebt. Vielleicht würden sie selbst es nicht mit dem Geist Jesu identifizieren, aber seine Geistkraft ist unter ihnen offenbar sehr lebendig. Gewiss, auch die Riesen-Ängste anderer stehen uns vor Augen, ihr Hass, ihre rückwärtsgewandte Sehnsucht nach einer Zeit, in der zwar längst nicht alles gut war, aber immerhin doch überschaubar schien… Tiefgreifende Veränderungsprozesse bringen eben immer beides hervor – großartige Hoffnungen und Heiden-Ängste.

Manche Menschen unserer Tage begreifen sich sehr reflektiert als religiös ‚unmusikalisch‘. Je länger ich über dieses Phänomen nachdenke, stellt sich mir die Frage: Müssen diese Menschen erst religiös (empfänglich) werden, um Christus folgen zu können? Oder kann es gelingen, einen anderen Weg zu Christus mit ihnen und für sie zu entwickeln, so dass sie ins Vertrauen, Lieben und Hoffen, also in die Beziehung zu Gott finden, ohne zuvor religiös ‚musikalisch‘ werden zu müssen? Wenn diese Menschen erst werden müssen wie wir, um dazugehören zu können, ist nicht unbedingt beflügelnd und jedenfalls wenig einladend.

Dietrich Bonhoeffer hat neben den klassischen Wegen kirchlichen Lebens eine nichtreligiöse ‚Spielart‘ des Christentums für notwendig gehalten. Ich finde: Nach Sprache, Ritualen und Gestalten für ein religionstranszendentes Christentum zu suchen, ist eine höchst spannende Aufgabe für Theologie und Kirche! Das klingt abstrakter, als es ist: In unseren Fördervereinen erleben wir doch, dass Menschen ohne konfessionelle Bindung ein erhebliches Interesse an der ‚unbekannten inneren Mitte‘ zeigen. An uns ist es, diesem Interesse in einer Form Raum zu geben, die diese Menschen näher zu Gott führt – auf eine Weise, die ihnen entspricht.

In den neuen sozialen Netzwerken bilden sich ‚Communities‘ und ‚Twitter-Gemeinden – säkulare Gemeindeformen?! Da geschieht Lebensberatung und Seelsorge – und wir als Kirche sind allenfalls punktuell dabei. Was bedeuten diese Entwicklungen für zukünftige Gemeindeformen? Wie können wir uns beteiligen – wach und entdeckungsfreudig, dialog- und auskunftsfähig über das, was uns von Gott her leben und hoffen lässt? Der Gemeindedienst der Nordkirche sucht und begleitet Christenmenschen, die sich in den neuen Netzwerken gewissermaßen als Botschafter des Evangeliums engagieren wollen.

Ja, als Kirche in Mecklenburg sind wir mitten in einer breiten Suchbewegung. Das ist unserer Situation angemessen. Wir erkunden das Gelände und tun das auch stellvertretend für die Gesamtkirche.

Dass wir in Mecklenburg diese Herausforderungen annehmen – dafür tragt auch Ihr als Mitglieder der zweiten Kirchenkreissynode mit Verantwortung. Paulus’ erster Brief an die Korinther macht deutlich, warum Ihr dazu in der Lage seid, unter welcher Verheißung Euer Wirken steht:

Ihr werdet gebraucht!
Ihr seid begabt!
Ihr seid verbunden!

Gebraucht wird man ja alle Naslang. Aber sich klarzumachen, dass Gott uns würdigt, an seiner Mission mitzuwirken! Seine Leidenschaft für diese geschundene Welt, seine Zuneigung zu uns Menschen zu bezeugen! Aber auch gewürdigt, Gottes Liebe zu erhören, sie zu erwidern! Aus dieser Interaktion der Liebenden neue Lebendigkeit zu schöpfen und fruchtbar werden zu lassen unter den Menschen, mit denen wir leben! Hinreißend, so in Anspruch genommen zu werden!

Ihr werdet gebraucht und seid begabt – von Gott begabt. Weisheit und Erkenntnis, Glaube und heilende Kraft, auch die Kraft, Erstaunliches zu bewirken, prophetischer Weitblick, Unterscheidungsvermögen, geistliche Sprachfähigkeit – all das sagt Paulus seiner manchmal allzu menschlichen Gemeinde in Korinth zu. Diese Zusage gilt auch uns und ermuntert zugleich, unsere Gaben wahrzunehmen und zu gebrauchen. Manchmal ist uns noch gar nicht ganz klar, welche Kraft und welcher Mut in uns schlummern – nicht, weil wir so tolle Hechte wären, sondern weil Gottes Geist in uns wirkt! Entdecken wir diese Stärke, die in uns begrenzten, schwachen Wesen mächtig werden will! Öffnen wir uns für Gottes Geist – gespannt darauf, was er mit uns vorhat!

Gebraucht, begabt und schließlich: Ihr seid verbunden – untereinander und verbunden mit Christus. Ja, Paulus geht so weit zu sagen: Ihr seid der Körper des Messias, jede und jeder ein Teil davon. (V.27) Mehr als eine Clique Gleichgesinnter! Mehr als ein Kreis von Freunden, in dem man sich gegenseitig mag! Zusammen-gefügt durch Gott sind wir, sagt die Schrift! Verbunden in Christus! Verbündete für die Sache Gottes! Verbündete für das Leben, wie Gott es im Sinn hat! Das gibt dem Ganzen Leichtigkeit: Gewiss, die Aufgaben sind groß, aber Gott ist mit dabei. Wir sind verbunden – mehr noch: Wir sind eins in Christus. Wenn darin nicht verwandelnde Kraft liegt!

Ja, warum denn nicht? Ist es so abwegig, dass das Interesse an Gott in Mecklenburg neu erwacht und breiter um sich greift? Warum sollten nicht auch bei uns Menschen neu zu Gott finden? Und sie verstehen Gottes Wort, als wäre es in ihrer je eigenen Sprache gesagt – nicht-religiös, in Twitter-Deutsch, wie auch immer. Vielleicht wird ihr Glaube andere Ausdrucksformen finden als die uns vertrauten. Sei’s drum! Hauptsache, sie erkennen, wer der Weg, die Wahrheit und das Leben ist! Und wir können dabei sein, können helfen, den Weg zu bereiten, können die Frage nach Gott wachhalten, die Flamme der Sehnsucht anfachen. Ich vertraue darauf: Gottes Geist ist für Überraschungen gut.
Amen.

 

 

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