„Wir sind Protestleute gegen den Tod“

Diakoniechefin Annette Noller bei Veranstaltungsreihe zum assistierten Suizid

Prof. Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg
Prof. Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg© Julian Rettig

01. März 2021 von Annette Klinkhardt

Schwerin/Stuttgart Als „Protestleute gegen den Tod“ müssen diakonische Einrichtungen alles tun, damit der Wunsch nach einem assistierten Suizid erst gar nicht entsteht. Das sagte Professorin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, bei ihrem digitalen Vortrag innerhalb der nordkirchlichen Veranstaltungsreihe zum Thema „Assistierter Suizid“.

Sie zitierte dabei den schwäbischen Pfarrer und religiösen Sozialisten Christoph Blumhardt (1842 bis 1919).

Landesbischöfin: den Umweg über Gottes Urteil gehen

Kristina Kühnbaum-Schmidt, Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, hatte zum dritten Mal eingeladen. Über ihre Motivation zu der Veranstaltungsreihe sagte sie: „Ich möchte dazu beitragen, in dem Raum, den das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eröffnet hat, einen eigenen - persönlichen wie institutionellen - ethischen Standort zu finden. Wobei das Finden eines ethischen Standortes in christlicher Perspektive meint, nicht allein von persönlichen Überlegungen auszugehen, was ‚gut‘ oder ‚richtig‘ sein könnte, sondern den ‚Umweg über Gottes Urteil‘ zu gehen, wie der Religionsphilosoph Ingolf Dalferth es formuliert.“

Annette Noller: Menschen sind radikal aufeinander angewiesen

Vor einem Jahr hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein generelles Verbot von geschäftsmäßiger Sterbehilfe nicht rechtens sei. Zentraler Begriff dabei: Die Autonomie des Menschen. Annette Noller stellte dem „nach eigenen Maßstäben agierenden Subjekt“ den Begriff der Angewiesenheit entgegen: „Menschen sind radikal aufeinander angewiesen. Das Individuum existiert stets in Beziehung und Bedeutung für andere. In einer Kultur der Achtsamkeit dürfen Menschen Fehler machen und Würde wird interpretiert als Zeichen einer Verletzlichkeit und Verletzbarkeit des Menschen. Dies erfordert ein unterstützendes Handeln, das nicht allein die Förderung der Autonomie im Blick hat, sondern auch die Bewahrung und Achtsamkeit gegenüber den Menschen, die verletzbar und verletzt sind.“

Pflege muss besser finanziert werden

Annette Noller führte aus, dass hinter dem Wunsch, zu sterben, zumeist der Wunsch nach einem „menschenwürdigen Leben“ stehe. Dafür gelte es, alle Mittel auszuschöpfen und Hilfsangebote leicht zugänglich zu machen. Die württembergische Diakoniechefin fordert konkret: „Wenn wir dieses Gesetz aufmachen, dann brauchen wir ganz viel Unterstützung vom Bund, damit die Menschen, die in diesen schwierigen Situationen sind, gut beraten werden. Wir brauchen den ‚Sockel-Spitze-Tausch‘ in der Finanzierung der Pflege, also eine gute finanzielle Ausstattung für Pflegesituationen über die Pflegeversicherung, damit die Betroffenen nicht das Gefühl haben, zur Last zu fallen. Ich bin überzeugt als Diakonikerin, dass es Angebote gibt, das Leiden zu lindern und sehr viele Möglichkeiten, schwere Leidenssituationen zu überwinden.“

Menschen begleiten, komme was da wolle

In der angeregten Diskussion erzählte Michael Brems, Koordinator der Krankenhausseelsorge in der Nordkirche, von einer Patientin, die er als Klinikseelsorger drei Jahre bis zu ihrem Tod begleitet hatte: Die vom Hals ab gelähmte Frau wählte den assistierten Suizid. Brems meinte: „Es gibt – wenn auch wenige – Situationen, wo wir an Abgründe und Grenzen kommen. Dann ist dies für die Betroffenen der einzige Ausweg aus ihrem unerträglichen Leiden“.

Annette Noller, die vor ihrer Tätigkeit als Vorstandsvorsitzende der Diakonie den Lehrstuhl für Theologie und Ethik in sozialen Handlungsfeldern/Diakoniewissenschaft an der evangelischen Hochschule Ludwigsburg innehatte,  sagte dazu: „Ich kann mir eine assistierte Sterbehilfe nur bei unumkehrbarem Verlauf einer Krankheit in schweren Leidenssituationen, die nicht anders zu lindern sind, vorstellen. Auf diese Wünsche der Menschen einzugehen, die sich uns anvertrauen, das wird schwer sein. Mein Vorschlag wäre, die Menschen zu begleiten, komme da, was wolle, ohne sich zum Teil des eines geschäftsmäßigen Betriebs zum assistierten Suizid zu machen.“

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