Sonntag, 20. August 2006 (Israelsonntag), Dom St. Nikolai, Greifswald

Dialogpredigt zu Jesaja 62, 6 – 12 von Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit und Landesrabbiner William Wolff

20. August 2006 von Hans-Jürgen Abromeit

I
(Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit)

 

Liebe Gemeinde,

es ist etwas Besonderes, wenn heute am Israelsonntag der Bischof und der Landesrabbiner gemeinsam im Greifswalder Dom Gottesdienst feiern. Vor einigen Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Erlauben Sie mir deswegen, bevor wir zum Predigttext kommen, einige grundlegende Bemerkungen.

Wir feiern heute den Israelsonntag. Wenn wir als Christen über unser Verhältnis zum Judentum nachdenken, dann wissen wir von vornherein: Dies ist ein kompliziertes Verhältnis. Nach einer 2000jährigen Geschichte von Christen und Juden stehen wir weithin vor einem Trümmerhaufen. Die christliche Religion ist aus der jüdischen hervorgegangen. Jesus war Jude und hat sich in seiner Botschaft vor allen Dingen an sein Volk, also an das jüdische Volk gerichtet (vgl. Mat. 15, 24). Die, die sich in seiner Nachfolge gesammelt haben, waren zuerst ein Teil der jüdischen Gemeinde, bis diese die Christen als einen Fremdkörper empfunden und ausgestoßen hat. Aber bis dahin versammelten sich die ersten Christen in Jerusalem und so lange der Tempel stand, trafen sie sich dort zum Beten.

Und doch hat die Mehrheit des jüdischen Volkes den Anspruch der Christen abgelehnt, in diesem Lehrer aus Nazareth, diesen Jesus, Sohn der Maria und des Joseph, den von den Propheten verkündeten Messias zu erkennen. Und wenn dieser Gesalbte (= Christus) im Anschluss an Psalm 2, 7 als Sohn Gottes verstanden worden ist, dann war das für die traditionellen jüdischen Gläubigen unerträglich. So wurde die christliche Gemeinde, die Kirche, etwas Eigenes neben dem Volk der Juden. Damit traten Juden und Christen in eine Konkurrenz um die Wahrheit ein.

Ein gefährlicher Zug kam in diese nicht einfache Beziehung, seitdem die Christen sich seit dem 4. Jahrhundert mit der herrschenden Staatsmacht verbunden haben. Schaut man auf die Geschichte Konstantins des Großen, des ersten christlichen römischen Kaisers, muss man vielleicht sogar eher sagen, dass sich die Staatsmacht mit dem christlichen Glauben verbunden, und damit auch durchaus weltliche Ziele verfolgt hat. Aber wie dem auch sei, seit dem 4. Jahrhundert waren die Christen die mächtigere und politisch überlegene Religion und es setzte eine lange Geschichte von Diskriminierung, Misshandlung und Verfolgung des jüdischen Volkes ein. Viele Forschungen haben gezeigt, dass rückblickend diese Diskriminierung und Verfolgung zum Teil von den staatlichen Autoritäten ausging und Christen und die Kirche einfach zugesehen haben, was geschah. Zum Teil nahmen sie auch billigend in Kauf, dass der Staat den jüdischen Bürgern nicht die gleichen Rechte, wie den christlichen Bewohnern einräumte oder den Juden sogar die Lebensgrundlage entzog. Zum Teil gingen aber auch Verfolgungen direkt von der Kirche aus – und das ist sehr schwierig für uns zu sagen. Wir können nur mit Scham auf diese Schuld der christlichen Kirche zurückblicken. Das Wissen war schlichtweg verloren gegangen, dass Juden und Christen Geschwister im Glauben sind. Diese lange Geschichte der Marginalisierung und Verfolgung von Juden durch Christen gipfelte schließlich in einer Katastrophe, die folgerichtig von den Juden „Shoa“ genannt wird. Dafür stehen auch die Namen Holocaust, Auschwitz oder als eine Art von Euphemismus die Rede von der „Endlösung der Judenfrage“. Und hier haben wir nicht nur als Christen, sondern besonders als Deutsche zu unserer Schuld zu stehen. Man kann es wenden, wie man will, es handelt sich um einem Genozid bis dahin unbekannten Ausmaßes des deutschen Volkes an dem jüdischen Volk.

Als Heutige, als Christen, sind wir erschrocken, wie so etwas passieren konnte. Wir begegnen uns heute als Juden und Christen im Bewusstsein unserer christlichen Schuld und suchen nach einem neuen Verhältnis zu unseren jüdischen Mitbürgern. Wir erkennen dabei unser gemeinsames Erbe, zu dem vor allen Dingen unser Altes Testament gehört, das eigentlich die Bibel der Juden ist. Diesen Teil unserer Heiligen Schriften haben wir von dem Judentum entliehen. Darum sind wir dankbar, dass wir z. B. heute am Israelsonntag die Gelegenheit haben, gemeinsam mit dem Rabbiner Wolff nach dem rechten Verständnis eines Bibeltextes für Juden und Christen zu fragen.

Der für heute vorgeschlagene Predigttext steht in Jesaja 62, 6-12: 6
O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen. Die ihr den HERRN erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen, 7lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem wieder aufrichte und es setze zum Lobpreis auf Erden! 8Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem starken Arm: Ich will dein Getreide nicht mehr deinen Feinden zu essen geben noch deinen Wein, mit dem du so viel Arbeit hattest, die Fremden trinken lassen, 9sondern die es einsammeln, sollen’s auch essen und den HERRN rühmen, und die ihn einbringen, sollen ihn trinken in den Vorhöfen meines Heiligtums. 10Gehet ein, gehet ein durch die Tore! Bereitet dem Volk den Weg! Machet Bahn, machet Bahn, räumt die Steine hinweg! Richtet ein Zeichen auf für die Völker! 11Siehe, der HERR lässt es hören bis an die Enden der Erde: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein Heil kommt! Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her! 12Man wird sie nennen „Heiliges Volk“, „Erlöste des HERRN“, und dich wird man nennen „Gesuchte“ und „Nicht mehr verlassene Stadt“.

In diesem Wort redet ein Prophet Israels, der sich in der Tradition des großen Propheten Jesaja versteht. Aber er lebt nicht wie dieser im 8. Jahrhundert vor Christus, sondern einige Jahrhunderte später, nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Babylonier und der Wegführung vieler Bewohner des Landes nach Babylon. Er lebt wieder in Jerusalem, aber in einem dürftigen Jerusalem und darum redet er auch so, wie er es tut.

Jerusalem - das ist in der Tradition Israels ein Ort auf dieser Erde, wo Gott in besonderer Weise anwesend ist. Darum hat man ihm auch den Ehrennamen „Zion“ gegeben. Für uns Christen verbindet sich mit Jerusalem immer ein Doppeltes. Zum Ersten ist Jerusalem die irdische Stadt, deren genauen Längen- und Breitengrade auf dieser Erdoberfläche im Nahen Osten zu benennen sind. Mit Interesse verfolgen wir das Schicksal dieser irdischen Stadt und ihrer Bewohner. Darüber hinaus ist aber Jerusalem auch ein Symbol für eine ungebrochene Gottesbeziehung, die allen Menschen verheißen ist. Nicht umsonst redet die Bibel an zentraler Stelle auch von einem „himmlischen Jerusalem“, das einmal an die Stelle des irdischen treten wird. Dieses himmlische Jerusalem symbolisiert die Hoffnung auf ein ewiges Leben in der Nähe Gottes. So hören wir als Juden und als Christen schon diesen Bibeltext etwas anders, weil er für uns jeweils in anderen Glaubenstraditionen verwurzelt ist. Der Prophet redet von „Wächtern über den Mauern Jerusalems“. Wen meint er damit? Es sind offensichtlich Menschen, die - wie der Prophet – Gott an seine Verheißungen für die Gottesstadt erinnern. Am ehesten ist hier an die Zuhörer des Propheten zu denken, die seiner Botschaft folgen. Sie leiden unter der trostlosen Situation des Zions als Versammlungsort der Gläubigen. Sie erinnern Gott daran, dass doch bald wieder die Zeit kommen möchte, in der man in Jerusalem zusammenkommt und die schönen Gottesdienste des Herrn feiern möge. Der Prophet leidet mit diesen Menschen darunter, dass die Gemeinde Gottes so schwach ist in dieser Welt, dass sie dem Willen Gottes kaum Gehör verschaffen kann und dass den Menschen alles andere wichtiger ist, als Gott zu dienen. Gemeinsam mit den Wächtern appelliert der Prophet an Gott, seiner Gemeinde in dieser Welt wieder eine ganz andere Stellung zu geben, damit sie deutlich auf Gott und seinen Willen hinweisen kann.

Der Prophet befindet sich also in einer ganz ähnlichen Lage wie heute sowohl die christliche als auch die jüdische Gemeinde. Ihr direkter Einfluss ist schwach in der Gesellschaft. Manche schließen daraus auf ihre Bedeutungslosigkeit. Aber wir haben einen Auftrag von Gott, Orientierung zum Leben zu geben, - für Zeit und Ewigkeit. Darum ist es wichtig, dass es sie überhaupt gibt und sie ihren Auftrag wahrnehmen können. Nun existieren wieder jüdische Gemeinden unter uns. Wer hätte das vor einigen Jahren für möglich gehalten? Aber es gibt sie wieder in Schwerin, Rostock und Wismar. Das ist ein Wunder. Aber auch, dass die christlichen Gemeinden nach Jahren der Diskriminierung und Marginalisierung im Ostteil Deutschlands nach wie vor in Wort und Tat ihren Gottesglauben bezeugen ist ein kleines Wunder. Geht es uns, der jüdischen wie der christlichen Gemeinde ähnlich, wie der kleinen Gemeinde der Rückkehrer aus dem Exil nach Jerusalem, die Gott daran erinnert, dass er seiner Gemeinde doch eine Aufgabe und eine Verheißung gegeben hat und ihr doch dann auch bitte die Möglichkeiten gewähren möchte, diese Aufgabe auszuführen?

Aus christlicher Perspektive löst sich also die Funktion, die Glaubenden zu versammeln und zuzurüsten und als ein Werkzeug Gottes für den Dienst in der Welt zu benutzen von der historischen Stadt Jerusalem. Überall dort, wo Menschen zusammenkommen, Gottesdienst feiern, auf das Wort Gottes hören und zu ihm beten, findet dann also „Jerusalem“ statt. Wichtiger, als dass Menschen zur Stadt Jerusalem gehen, ist, dass sie überhaupt zu Gott finden und seinen Willen in dieser Welt zu verwirklichen suchen. Aber wahrscheinlich sieht ein jüdischer Bibelausleger dieses doch noch einmal anders.

 

II
(Landesrabbiner William Wolff)

 

Zu aller erst möchte ich mich mit ganzem Herzen bei Bischof Abromeit bedanken für die Einladung mit ihm heute an diesem Gottesdienst teil zu nehmen. Ich empfinde es als eine tiefe Ehre und großes Privileg, auf dieser Kanzel und in diesem wunderschönen Dom mit seiner reichen, bewegenden Geschichte gemeinsam amtieren zu dürfen und von dieser Kanzel sprechen zu dürfen. Und dafür bin ich tief dankbar.

Es ist auch ein weiterer Beweis dafür, wie grundsätzlich sich die Beziehungen zwischen Kirche und Judentum in den letzten fünf Jahrzehnten geändert haben, - im Zeitalter der Jets, der Düsenflugzeuge, hat sich das mit beinahe düsenartiger Geschwindigkeit vollzogen, auf jeden Fall vorbildlich flinker, als ein gewisser Nobelpreisträger es vermochte. Und dafür möchte ich auch meine Anerkennung und meine Dankbarkeit aussprechen.

Bischof Abromeit sprach von der Schuld der Kirche für das Traurige und das Tragische in unserer gemeinsamen Vergangenheit. Es liegt mir sehr am Herzen klar zu machen, dass dieses keineswegs eine persönliche Schuld von irgendeinem heute lebenden und bekennenden Christen bedeutet. Persönliche Verantwortung ist ein Hauptprinzip des Judentums, wie auch des Christentums, und ist ein Grundbestand unserer ganzen Beziehung zu Gott. Es ist das Grundprinzip der Herbstfeiertage, die nächsten Monat wieder im Judentum stattfinden. Wie es im fünften Buch Mose steht (24,16): „ein jeder soll für seine eigene Sünde sterben“ – nur für seine eigene, nicht für die der Väter oder der Kinder. Was die heutige Kirche, die heutigen Christen, und die große Mehrzahl der heutigen Deutschen vollbracht haben, ist Verantwortung zu übernehmen für die Konsequenz von Geschehen, in denen sie keinen persönlichen Anteil hatten, denn die Älteren unter uns waren noch zu jung und die Jüngeren noch nicht auf dieser Welt. Und Verantwortung zu übernehmen für Taten und Geschehen, an denen wir keinen Anteil haben konnten, ist moralische Größe. Und dafür möchte ich heute auch meine Anerkennung und meine Dankbarkeit aussprechen.

In der Geschichte von Judentum und Christentum können wir nicht nur auf Trauer und Tragödie zurückblicken, aber jeder von uns auf viel Erfahrung, menschliche Erfahrung, und theologische Einsichten, ein kolossaler Reichtum in beiden Fällen. Und was dieses freie, offene Kapitel in unserer Beziehung, dass wir nun angefangen haben, uns ermöglicht, ist, dass wir in einem Dialog, der offener ist als je zuvor, Vergleiche ziehen können, Einsichten austauschen können und damit das Verstehen unserer eigenen Lehren und Traditionen vertiefen und bereichern. Und wenn ich von einer Offenheit rede, dann kann ich Ihnen nur sagen, mit wie viel Freude ich die Offenheit, die Bischof Abromeit mir in unseren Beziehungen erlaubt und beweist, entgegen nehme. Wie schön ist es, von meinem Schweriner Schreibtisch im bischöflichen Amt in Greifswald anzurufen und frech und fröhlich zu fragen: „Na, wo ist er denn?“ Und dann immer mit ungeheurer Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft behandelt zu werden.

Und wenn wir Vergleiche ziehen zwischen unseren verschiedenen Erkenntnissen und unserer verschiedenen Denkensart, dann sind diese immer bereichernd und vertiefend. Und sie bedeuten im Prinzip nicht, dass eine besser oder wahrer ist, als die andere. Bischof Abromeit sprach soeben von der Konkurrenz um die Wahrheit. Ich danke Gott, dass diese Konkurrenz der ersten zwei Jahrtausende unserer parallelen Entwicklung nun zu Ende ist. Denn wir verstehen heute beide, dass die Wahrheit, ganz besonders die göttliche Wahrheit, ihre vielen Facetten hat. Und in der Verschiedenheit dieser Facetten sehen wir auch den ungeheuren Glanz der göttlichen Schöpfung. Das Oberhaupt einer anderen Kirche pflegte immer die Juden als die älteren Geschwister zu bezeichnen. Das war sehr lieb und sehr anschaulich, und war auch von viel Wahrheit geprägt. In der deutsch-jüdischen Familie, aus der ich stamme, war ich aber ein jüngerer Bruder. Ich denke ständig an meine nun leider schon lange verstorbene ältere Schwester, und immer mit viel Liebe und viel Dankbarkeit, besonders für ihre ständige Fürsorge für ihre jüngeren Brüder. Aber ich bin mir auch bewusst, dass ältere Geschwister nicht immer Recht haben, und jeder, der hier heute Morgen eine jüngere Schwester oder ein jüngerer Bruder war, wird diese Meinung wahrscheinlich teilen.

In diesem Sinne möchte ich auf zwei Unterschiede in der jüdischen und christlichen Betrachtung unserer gemeinsamen Propheten und ihrer Botschaft hinweisen. Im Judentum haben Propheten nicht die große Bedeutung, die sie im Christentum haben. Sie gelten eher als Prediger, beinahe nur als Prediger, und viel weniger, wenn überhaupt als Zukunftsverheißer oder Erklärer. Sie waren dennoch Prediger, die sich einer engeren Beziehung zu Gott erfreuten als ihre Mitmenschen, und als wir, die heute auf Kanzeln stehen, es uns anmaßen können. Darüber ist noch viel zu sagen, sind ganze Bände schon geschrieben und müssten noch geschrieben werden, aber nicht heute früh. Zweitens hatte das Judentum - und hat es bis heute noch - nicht viele Symbole, und betrachtete Texte nicht in symbolischem Sinne, aber gebunden an ihrem Sitz im Leben, gebunden an eine bestimmte historische Lage. Und das ist eine der verschiedenen Facetten der Wahrheit, von der ich sprach, nicht mehr und nicht weniger als nur eine Facette.

Wie Bischof Abromeit uns schon sagte, lebte dieser Prediger, der sich auch Jesaja nannte, in Jerusalem, zu einer Zeit, wo die Strenge des Babylonischen Exils aufgehört hatte, aber der zweite Tempel noch nicht neu aufgebaut war. Wo die Herrschaft Babylons noch stark und oftmals schmerzhaft in diesem Teil Israels, Palästinas zu spüren war.

Und eine Funktion, welche Prediger damals hatten und bis auf den heutigen Tag noch haben, ist, ihren Zuhörern Hoffnung zu geben, die Gabe der Hoffnung, die als Gottesgeschenk ein jeder von uns in sich verkapselt, aber die oftmals nur in uns schlummert, diese Hoffnung neu in uns zu beleben.

Ein sehr geschätzter und nun schon leider verstorbener Kollege von mir, der aus der Slowakei stammte und schon mit 14 Jahren nach Auschwitz verschleppt wurde – aber überlebte – erzählte in späteren Jahren, wie er sah, dass sein Vater, der mit ihm im Lager war, seine kärgliche Margarine-Ration am ersten Abend des Chanukah- Festes auflöste und damit das erste Licht dieses Festes anzündete. „Wie kommst du dazu? Wir sind ja sowieso schon dicht am Verhungern!“, rügte er seinen Vater. Worauf der Vater erwiderte: „Du und ich haben schon einmal beinahe eine ganze Woche ohne eine Kruste Brot überstanden. Wir haben es auch schon drei Tage ohne Wasser ausgehalten. Aber niemand kann auch nur drei Minuten ohne Hoffnung leben.“ Und das war es, was der Prediger, der sich Jesaja nannte, zu der Zeit für seine noch immer unter Diskriminierung und vielleicht auch Verfolgung leidenden Mitmenschen tat, ihnen neue Hoffnung zu geben in einer bildlichen Sprache, die Goethe und Shakespeare nur beneiden konnten und die bis heute ihre Macht nicht verloren hat.

Das war die große Errungenschaft der alttestamentarischen Propheten, dass sie nicht nur mahnten und nicht nur lehrten, aber dass sie für ihre Mitmenschen diese kostbare Gabe der Hoffnung neu belebten.

Seine Zuhörer hatten diese Hoffnung vor 2 ½ Tausend Jahren so dringend nötig, wie wir heute. Und meine ganz persönliche Hoffnung an diesem Israel-Sonntag ist es, dass es der evangelischen Kirche hier in Vorpommern, unter der Leitung von unserem Bischof Abromeit, gelingen wird, dem christlich-religiösen Leben hier in Vorpommern neuen Glanz und neue Blüte zu verleihen. Denn in diesem von der Wissenschaft und der Technologie moralisch und geistlich so überforderten Zeitalter haben wir eine feste, ständige Beziehung zu Gott so nötig, wie der Sand in der palästinensischen Wüste Jesajas das Wasser benötigte. Denn nur diese Gott-Erkenntnis kann uns mit unserem Schicksal versöhnen, nur diese enge Beziehung zu Gott verleiht unseren Seelen Ruhe und Frieden, bringt ihnen Schalom. AMEN.

 

III
(Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit)

 

„Siehe, dein Heil kommt!“ (V. 11) – Juden wie Christen teilen die Überzeugung: „Diese Welt, so wie sie ist, entspricht nicht dem Willen Gottes. Gott hat aber zugesagt: Er wird diese Welt heil machen. Gemeinsam glauben wir: Gott fängt heute schon damit an, indem er uns benutzt. Wir sollen durch Wort und Tat heilen und versöhnen.
Als Christen glauben wir: Wirklich heil wird diese Welt erst, wenn Christus kommt, um das Böse zu richten und zu vernichten. Auf ihre Weise strecken sich freilich auch Juden danach aus, dass Gottes Reich kommen möge. Lasst uns so, gemeinsam nach der Wahrheit suchend, Gott entgegengehen.
AMEN.

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