27. September 2015 | Flensburg, St. Marienkirche

Die Kraft der Musik erfahren

27. September 2015 von Gothart Magaard

17. Sonntag nach Trinitatis, Kurzpredigt im Gottesdienst zur Einführung des Deutsch-Dänischen Gesangbuchs

Der Friede Gottes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn wir Musik hören, wenn wir gemeinsam singen, erfahren wir die Kraft der Musik, ihre verkündigende Ausdruckskraft, ihre unmittelbare Wirkung auf unsere Seele und unser Gemüt. Sie zu hören ist einfach wunderbar! Nicht nur das Vertraute und Eingängige, auch das Neue und Fremde. Und der Gemeindegesang erinnert uns auch daran, dass sich die Reformation singend ausgebreitet hat. Das Evangelische Lied wurde auf Straßen und Marktplätzen geboren aus einem neuen Hören auf die Bibel.

Umso schöner ist es, dass wir ab heute nun, auch in Vorbereitung auf unsere gemeinsamen Feiern zum großen Reformationsjubiläum, dänisch-deutsch oder deutsch-dänisch viel leichter miteinander Singen können. Auch mir ist es deshalb eine große Freude, dass wir heute das Deutsch-Dänische Kirchengesangbuch in unseren Kirchengemeinden einführen können.

In der Vorbereitung auf diesen Gottesdienst ist mir ein Lied in den Sinn gekommen, das mich schon lange begleitet und dessen einprägsame Worte und besondere Melodie mich immer wieder bewegen. „Sieh, da hebt die Sonne sich aus dem Meer“ heißt es, Sie finden es unter der Nummer 754 im Kirchengesangbuch. „Sieh da hebt die Sonne sich aus dem Meer. Luft und Wellen lodern rot um sie her, Licht, dem stummer Jubel entgegenschlägt, wenn es an der Küste der Welt anlegt.“

Für den dänischen Dichter Jakob Knudsen und seinen kongenialen Übersetzer Jürgen Henkys ist das Sonnenlicht des anbrechenden Tages ein Gleichnis. Dieses Licht ist ein Zeichen für Gottes Anwesenheit. Es vertreibt die Macht der Finsternis – wie am Ostermorgen, so an jedem Tag unseres Lebens.

Liebe Gemeinde, es ist kein Zufall, dass dieses wunderbare Lied in die Gesangbücher unserer Kirchen zwischen den Meeren aufgenommen wurde, denn am Rande des Meeres nimmt sich der Mensch auf besondere Weise wahr. Er bekommt eine Ahnung von Weite. Er spürt in dem offenen Raum, der sich bis zum Horizont erstreckt, das Geschenk der Freiheit. Und er spürt zugleich seine eigene Begrenztheit, die das tägliche Leben ausmacht. Er atmet durch. Er findet sich neu und weiß doch auch, dass die Wellen auch seine Spuren wieder überspülen werden.

Endlichkeit und Weite, Freiheit und Begrenztheit, all das spürt ein Mensch angesichts der Kraft der Elemente, die lange vor ihm waren und die auch seine Zeit überdauern werden.

Sieh, da hebt die Sonne sich aus dem Meer“ … und der Mensch steht da mit „Seelenweh“, mit dem, was glückte und mit dem, was misslang.

Er steht da, vom Leben gezeichnet, vielleicht aufgerichtet oder gebeugt. Und er hört im anbrechenden Tag die Stimme dessen, der ihn ins Leben rief: Was immer dir durch den Kopf gehen mag, Menschenkind, mein Tag bricht an. Ein Tag voller Zeit und Raum, der dir geschenkt ist. Die Sonne scheint auf, und du darfst wissen, dass sie nicht nur dir scheinen wird, sondern auch den Menschen an den anderen Küsten des Meeres. Die Sonne hebt sich aus dem Meer und macht dich gewiss, dass dein begrenztes Leben kein Zufall ist. Es ist aufgehoben in die weise Vorsehung, mit der Gott diese Welt unsichtbar durchwaltet.

Dank, dass du die Sonne mich fühlen lässt! Leib und Seele feiern ein Morgenfest. Wenn das Dunkel schwindet, das Seelenweh, sag ich´s neu: Dein Wille, mein Gott gescheh!“

Das Morgenfest des Glaubens lebt von solcher Schöpfungserfahrung. Das anbrechende Tageslicht verweist immer auch auf den Ostermorgen als Inbegriff der Gottesnähe.

Wir sind keinem Zufall, keinem dunklen Schicksal überlassen. Wir sind auch mit den Dunkelheiten, die wir in uns tragen, in das Licht der göttlichen Liebe gerückt. Jeder Tag wird zum Gleichnis der unbändigen, unbezwingbaren Liebe Gottes, mit der er seiner Schöpfung die Treue hält. Nichts, keine Macht dieser Welt, weder Leben noch Tod kann uns von ihr trennen.

Diesem Gott und seinem guten Willen mag sich anvertrauen, wer das erste Morgenlicht im Gesicht spürt; getrost, dass Gott seine Verheißungen auch auf der letzten Fahrt erfüllen wird.

„Lass mich denn einst ziehen mit letzter Fracht,

lass hinaus mich segeln aufs Meer der Nacht:

Du bist ja mein Vater, o Gott des Lichts,

deine Hand entreißt mich dem Netz des Nichts.“

Sieh, da hebt die Sonne sich aus dem Meer“ … Es hat mich sehr berührt und getröstet, dass dieses Lied beim Trauergottesdienst um Niels Henrik Arend vor vier Wochen in Haby als erstes gesungen wurde. Hoffnung und Trost für die ganze Gemeinde in aller Trauer.

Und doch will ich auch an einem Festtag wie heute nicht darüber schweigen, dass sich mit dem Bild des Meeres auch bittere Erfahrungen, gerade in unserer Zeit verbinden. Am Rande der südlichen Meere (im Mittelmeer, aber auch in Asien!) markiert das Meer eine Grenze, die Menschen unter Lebensgefahr zu überwinden suchen. Das Meer verschlingt Menschen und lässt uns angesichts dieses Leides fassungslos zurück.

Das Bild des anbrechenden Tages, voller Hoffnung und ein Gleichnis für Gottes Treue, kann ich nicht predigen, ohne an diese zahllosen verzweifelten Menschen unserer Zeit zu denken.

Gerade an einem Tag, an dem wir uns dankbar daran erinnern, dass wir als Christenmenschen heute im Deutsch-dänischen Grenzland über Grenzen hinweg verbunden sind, die in manch einer Zeit umkämpft und unüberwindbar schienen. Jakob Knudsens Lied erklang mit der uns vertrauten Melodie von Oluf Ring wohl erstmals im Jahr 1915 – mitten im 1. Weltkrieg.

Das deutsch-dänische Kirchengesangbuch ist daher selbst eine Wegmarke auf einem Weg, der durch Versöhnungswillen, durch gemeinsame Anstrengung für den Frieden, für die Öffnung von äußeren und inneren Grenzziehungen möglich wurde.

Daher besteht Grund zur Hoffnung, auch in unserer Zeit. „Sieh, da hebt die Sonne sich aus dem Meer und vertreibt auf immer, was schwarz und leer.“ Dass auch an den Ufern des Mittelmeeres, an den Stränden von Kos und Lampedusa, ein neuer Tag anbricht, dafür bete ich. Ich hoffe, dass politische Weisheit Wege findet, denen zu wehren, die in Syrien und andernorts das Leben mit Füßen treten.

Und ich vertraue darauf, dass die Verbundenheit der Christenmenschen über alle Grenzen im Norden, Süden, Osten und Westen hinweg weiterhin wächst und uns hilft, gemeinsam Zeichen der Nächstenliebe zu setzen. Und ich bin sicher, dass die dänisch-sprachigen Gemeinden mit ihrer Sangesfreudigkeit und mitreißen werden, möglichst oft auch alle Strophen zu singen!

„Atem will ich holen, so tief ich kann, will dem Schöpfer singen: Mein Tag bricht an!“ Der lange Atem, der Kraft aus der Verheißung Gottes schöpft, möge uns geschenkt sein.

Amen.

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