9. November 2016 | Kirche Groß Brütz

Die Möglichkeiten der Stunde ergreifen

09. November 2016 von Andreas von Maltzahn

Andacht von Bischof Andreas von Maltzahn zur Begegnung Kirche und Landwirtschaft

"Alles hat seine Zeit" - so haben wir es eben in immer neuen Variationen gehört. In allem Wechsel von Wachsen und Vergehen, von Aufbauen und Abbrechen, den der Prediger Salomo hier beschreibt, klingt eine große Verlässlichkeit an: Nach jedem Niedergang, geht es auch wieder bergauf. Es gibt eine Zeit des Weinens, aber dann wird es auch wieder eine Zeit der Freude und des Lachens geben.

Aber in den letzten Wochen und Monaten ist in uns vielleicht eher das Gefühl gewachsen: 'Die Zeit ist aus den Fugen!' Es gibt Anschläge fanatisierter Menschen in Frankreich, Belgien, der Türkei und auch bei uns; in den USA ist ein Mann Präsident geworden, dessen menschliche Qualitäten höchst fragwürdig sind; der Putsch in der Türkei wird mit "Säuberungsaktionen" gegen Andersdenkende beantwortet; die Polarisierung in unserer Gesellschaft nimmt bedenklich zu - als hätten wir nicht schon Sorgen genug mit dem 'normalen' Leben!

Da vollziehen sich Veränderungen in den ländlichen Räumen unserer Heimat, die tief greifen. Verzweifelt fragen sich Landwirte in der Milchproduktion oder in der Schweinemast, wann sie wieder von ihrer Arbeit wieder leben können. Immer weniger Menschen werden in der Landwirtschaft gebraucht, Dörfer überaltern. Es fällt oft nicht leicht, Leute zu gewinnen, die in diesen ländlichen Räumen Verantwortung übernehmen - in der Wirtschaft ebenso wie bei der Kirche.

Manchmal sind es auch einfach Schicksalsschläge im persönlichen Leben, wo das Leben auf des Messers Schneide steht - bei Krankheiten oder wenn Familien zerbrechen. Woran sollen wir uns halten? Worauf können wir bauen?

Da ist zum einen die alte Menschheitserfahrung, die der Prediger Salomo ausspricht: Alles hat seine Zeit: Auf eine Zeit des Streitens folgt auch wieder eine Zeit des Friedens, nach einer Zeit des Hassens kommt auch wieder eine Zeit des Versöhnens und des Liebens. Keine Zeitspanne voller Probleme ist unbegrenzt. Aber reicht das als Trost?

Neben dem Auf und Ab der Zeiten gibt es offenbar besonders qualifizierte Momente. "Ein Jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben hat seine Stunde", sagt der Prediger. Und darin liegt eine Herausforderung, der Ruf, die Möglichkeiten der Stunde, den Kairos, zu ergreifen. Heute, am 9. November, muss ich natürlich an die friedliche Revolution denken, die sich als besonderes Ereignis aus dem Strom der Geschichte heraushebt: Ein Volk, das geübt und niedergehalten war in Anpassung - dieses Volk richtete sich auf und lebte den Traum der Befreiung. In einem Land, in dem alles 'seinen sozialistischen Gang ging', in dem das geflügelte Wort galt 'Lieber zehn Fehler mitmachen, als einen allein' - in diesem Land nahmen Menschen ihr Herz in beide Hände, übernahmen Verantwortung und zeigten der allmächtigen Partei: 'Wir wollen nicht mehr so weiter leben!'

Sind wir vielleicht in den ländlichen Räumen unseres Landes an einem entscheidenden Punkt? Manchmal frage ich mich: Ist es nicht an der Zeit, Bündnisse für die ländlichen Räume zu schmieden? Bündnisse, die Menschen ermutigen, auf dem Land zu leben und zu arbeiten! Bündnisse, die die Lebensqualität ländlichen Lebens offensiv kommunizieren und vor Ort stärken! Bündnisse, die nach kreativen Lösungen suchen, wo die staatliche Daseinsvorsorge an ihre Grenzen kommt! Wir als Kirche sind zur Partnerschaft bereit.

In der Lesung des Prediger Salomos ist nicht nur vom Auf und Ab des Lebens die Rede. Da heißt es zum Schluss: "Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit; auch hat er die Ewigkeit in der Menschen Herz gelegt."

In einer langen Aufzählung dessen, was alles seine Zeit hat - plötzlich: Schönheit und Ewigkeit! Ewigkeit als Gabe Gottes in des Menschen Herz! Offenbar nicht als etwas Zukünftiges, sondern als etwas Gegenwärtiges! Ewigkeit offenbar auch nicht nur als Quell einer Sehnsucht, die sich erst irgendwann in der Zukunft erfüllen würde, sondern etwas von Gott jetzt in uns, in unserem Lebenszentrum, etwas, das sich jetzt ereignet, etwas, das unser Leben trägt.

Ewigkeit in unseren Herzen - um zu verstehen, was das bedeuten kann, ist es gut, sich klarzumachen: Wenn die Bibel von Ewigkeit spricht, meint sie nicht die unendliche Ausdehnung von Zeit. Ewigkeit im biblischen Sinn meint eine andere Qualität des Lebens - eine Qualität des Lebens, die mit der Wirklichkeit Gottes zu tun hat. Ewigkeit steht für das erfüllte Leben, wie es Gott sich für uns wünscht.

Das meint das Leben, in dem wir füreinander einstehen; in dem wir uns nach Gerechtigkeit sehnen und dafür etwas tun; in dem uns die Kostbarkeit des Lebens bewusst ist, weil wir um seine Zerbrechlichkeit wissen; in dem wir sorgsam umgehen mit diesem kostbaren Geschenk.

Es ist das Leben, in dem wir danach fragen, wem wir uns verdanken oder ob wir nur Kinder des Zufalls sind; das Leben, in dem wir Verantwortung übernehmen im Kleinen wie im Großen nach den Möglichkeiten, die uns gegeben sind.

Etwas von dieser Hoffnung, etwas von dieser Sehnsucht ist in uns lebendig und kann unser Leben neu werden lassen. "Auch hat Gott die Ewigkeit in der Menschen Herz gelegt."

Dieser göttliche Funke ist eine Quelle der Hoffnung in uns. Schenke Gott, dass dieser Funke unter uns alle Tage neu zur Flamme wird!
Amen.

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