28. August2016 | Seemannsmission Hamburg-Harburg

Duckdalben ist "Ankerplatz des Lebens"

28. August 2016 von Kirsten Fehrs

Predigt zu Römer 12, 13 – 21, Festgottesdienst anlässlich 30 Jahre Duckdalben der Seemannsmission Hamburg-Harburg e.V.

Liebe Duckdalben-Geburtstagsgemeinde!

Immer wenn ich in den Duckdalben komme, 

• draußen vorbei an diesem imposanten Anker mit seinen paar Tönnchen

• hinein in den Empfang mit diesem riesigen Haifisch an der Decke, der bis vor einiger Zeit offenkundig noch eine Sardinenbüchse zwischen den Zähnen hielt (Sie merken, ich habe intensiv die Festschrift von Frau Thomamüller studiert…),

• immer wenn ich diese Unmengen von Rettungsringen sehe, worunter Unmengen von Beugelbuddelbeer die Kehlen befeuchtet haben,

• immer wenn ich von Frau Anke oder den vielen Ehrenamtlichen auf eine so unkomplizierte und so herzliche Weise begrüßt und bewirtet und über das Neueste informiert werde

• immer wenn ich berührt bin von der Stille in dem Raum, in dem die Religionen der Welt so friedlich beisammen sind,

kurz: immer wenn ich in den Duckdalben komme, bin ich dem Herrgott von Herzen dankbar, dass es diesen Ort gibt. Diesen Ort, an dem die Barmherzigkeit zur Welt kommt, immer wieder. Diesen Ankerplatz des Lebens, an dem jeder der sein darf, der er ist.

Und so bin ich heute wieder von Herzen gern hier, allzumal es der 30. Geburtstag ist, der gebührend gefeiert gehört. Mit diesem Gottesdienst samt Posaunen und Trompeten und singenden Finnen, diesen feinsinnigen Geschichten auch und einem Senator dazu (Ich grüße Sie herzlich, lieber Senator Horch!). Überhaupt ist es ein beeindruckendes Festprogramm; schade nur, dass ich dem sagenumwobenen Karaoke Wettbewerb nicht beiwohnen konnte…. Spaß beiseite: Glück und Segen, lieber Duckdalben! Glück und Segen allen, die hier leben, mitarbeiten  und die jede und jeder auf eigene Weise hier Heimat gefunden haben. 30 Jahre schon.

30 Jahre „Willkommenskultur“. Das Wort, das im vergangenen Jahr in Deutschland wunderbarerweise in aller Munde war, in Österreich sogar zum Wort des Jahres wurde, wird hier schon seit 30 Jahren gelebt. Der Duckdalben ist eine einzige, mitten in den Hafen hineingebaute und hineingepflanzte Willkommenskultur. „Welcome to Hamburg“ oder auch „Witamy“ oder „Mabuhay“ ruft ihr euren Gästen in ihrer Sprache zu. Dieses eine herzliche Wort aus der Muttersprache, mehr braucht‘s oft nicht – und man ist angekommen. Aufgenommen. Ein bisschen wie zuhaus. Danke für Eure Vielsprachigkeit – in vielerlei Hinsicht.

In der Sprache der Bibel, bei Paulus heißt es so, Maike Puchert hat es eben vorgelesen: „Übt Gastfreundschaft! ….Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.“ Als hätte Paulus schon vor 2000 Jahren den Duckdalben gekannt, so sehr passt das hierhin. Allerdings hatte der Apostel auf seinen Missionsreisen – eben per Schiff – schon etwas von Seefahrt gewusst; er wusste, wie furchtbar es ist, Schiffbruch zu erleiden, Stürme zu bestehen, an Bord krank zu sein, die Familie zu vermissen. Wie man manchmal den Hafen ersehnt, hilfsbereite Menschen, die einen warm empfangen. In eurer Broschüre kommt Sinarajah aus Malaysia der  Aufforderung des Paulus, Gastfreundschaft zu üben, wie folgt nach:  „Just call us, and we’ll be there – with smiling face and open arms“. Und das „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden“ findet folgende Antwort (ich sag’s jetzt mal auf Deutsch): „Wir sind froh, in allem für dich da zu sein. Wir wissen, dass Seeleute auch Sorgen haben. Wir hören dir zu und werden versuchen, dir zu helfen, so gut wir nur können.“

Das ist doch wunderbar ausgedrückt?! Und genau so geschieht es ja auch. Es ist das Konzept dieses Hauses. Drei Aspekte darin gefallen mir besonders – und legen zudem unseren Bibeltext aus, besser geht‘s nicht:

Da ist zum einen das ganz praktische Tun. Alles ist so liebevoll durchdacht und auf die Bedürfnisse der Seeleute zugeschnitten. Die Holzverkleidung als Kontrast zu den Stahlkästen draußen auf See. Die Billardtische als bester Beleg dafür, dass man nun wieder festen Boden unter den Füßen hat. Und – apropos Füße: Dazu allein braucht‘s den Garten samt Rasen: ich fand es richtig anrührend zu hören, wie oft sich ungläubig-tastend so mancher entwöhnte Seemannsfuß ohne Schuhe und Strümpfe hinaus auf das frische Grün wagt. –  

Liebevoll achtet man hier auf Grundbedürfnisse: Etwa dass die Menschen mit ihrer Heimat kommunizieren können, auf allen Kanälen und mit schneller Verbindung. Oder das Geldwechseln. Oder die ärztliche Sprechstunde. Und? Ist all das die Aufgabe eines christlichen Seemannsclubs? Aber hallo, entgegnet Paulus den Römern in unserem Predigttext: „Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den geringen.“ Herunter mit der Nase, schaut auf die Füße, auch sie wollen zu ihrem Recht kommen. Das Leben gehört doch immer wieder auf die Füße gestellt! Es ist eben nicht menschengemäß, wochen- und monatelang ohne größere Abwechslung und dafür mit sehr viel Knochenarbeit in eine Welt aus Stahl und Diesel gesteckt und hinaus aufs Meer geschickt zu werden. Hier im Duckdalben findet eine Art Erdung statt. Man kann es auf den einfachen Satz bringen: „Wieder Mensch werden“.

Mensch werden – ich komme zu zweitens - das kann ich nicht allein. Um Mensch zu werden, brauche ich ein Gegenüber, Resonanz. Hier sind Menschen, die mit einem reden, Sorgen teilen, die mit einem essen und trinken, Basketball spielen. Und wenn einer seine Gitarre auspackt und alle gemeinsam singen, umso schöner! Gemeinschaft ist hier Konzept. Und das heißt eben auch: Hier treffen sich Menschen, die sich sonst nie begegnen würden – und ich denke da vor allem an die über 100 Ehrenamtlichen, die genau wegen dieser Begegnungen hier arbeiten, die die Seeleute von den Schiffen hierherfahren oder sie begleiten, wenn sie an Land etwas zu regeln haben, die hier den Clubdienst leisten oder Feste vorbereiten. Von den vielen anderen Besuchern, die täglich hierher kommen, ganz zu schweigen. Ich danke Ihnen für alles!

Der „Duckdalben“ ist ein Begegnungsort. Und zwar einer, an dem friedlicher Austausch gelingt. „Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ Sagt Paulus. In der Sprache der Wilkommens-Broschüre heißt das: „Black or white, yellow or brown – in here they feel as one.”  Was für eine Botschaft in dieser Zeit. Denn wenn eines nicht selbstverständlich ist auf unserer Welt, dann genau das: Frieden halten. Oder sich als Eines fühlen. Ein kurzer Blick in die Medien genügt, um einen grundlegend zweifeln zu lassen an der Fähigkeit des Menschen, mit seinesgleichen friedlich zusammenzuleben. Wer dagegen mal einige Stunden im Duckdalben verbracht hat, der sieht, dass es auch anders geht. Oder wie Jan Oltmanns es mal gesagt hat: „Hier sind wir beste Freunde, egal, was draußen in der Welt geschieht.“

Das gilt, und hier komme ich zum dritten Punkt, auch für den Glauben, für die Religion. Dieser beeindruckende „Raum der Stille“ ist ein einzigartiger interreligiöser Lernort hier in Hamburg und vielleicht sogar bundesweit. Sieben Wegzeichen führen dorthin,  Bärbel Thomamüller hat es sehr schön in der kleinen Festschrift beschrieben. Christen, Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus, Sikhs und Daoisten finden hier die Symbole ihres Glaubens und finden vor allem auch einen Ort, an dem sie geistlich zur Ruhe kommen können. Eine echte Oase. Hier kann man aufatmen, kann die Sorge ins Gebet nehmen. Dazu hilft auch die Seelsorge, die hier in großartiger, ganz vielfältiger Art geleistet wird.

Dieses friedliche Miteinander der Nationen und der Religionen! „Das ist der vielleicht kostbarste unserer Schätze“, heißt es in der Festschrift, und dem möchte ich uneingeschränkt zustimmen. Denn hier im Duckdalben wird immer wieder neu die Hoffnung geboren. Die Hoffnung für die Seeleute, dass ihr oft schweres Leben ein Sinn hat und ein Ziel. Aber auch die Hoffnung für uns, dass jede friedliche Begegnung mit dem Nächsten, so fern er mir zunächst sein mag, dem großen Frieden dient.

So also: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.“ Mit diesem Dreiklang beginnt unser Predigttext, und er soll mein Wunsch zum Schluss sein. Ist es doch Ihre Fröhlichkeit, Geduld und Beharrlichkeit, die dazu beiträgt, dass so viele Seeleute den Weg zu Ihnen finden. Und die dafür sorgt, dass immer noch so viele Reedereien, Betriebe und Einzelpersonen mit ihren Abgaben und ihren Spenden diese Arbeit fördern (muss ich ja auch mal gesagt sein!).  Ich bin dankbar an diesem Tag, für all die Unterstützer und für all die, die sich hier engagieren und für all die Kraft, die Gott Ihnen dafür geschenkt hat. So möge es bleiben -  Gott behüte Sie und bewahre uns den Duckdalben, Ankerplatz der Barmherzigkeit.
Amen.

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