Fachtag „Familie aus Kindersicht“
28. Oktober 2014
Kiel. „Was brauchen Kinder, damit sie ihre Lebensenergie behalten, zu lebensfrohen, selbstbewussten, solidarischen, verantwortungsbereiten Menschen heranwachsen?
Wie muss Familie, wie muss Gesellschaft sein, damit Kinder sich selbstwirksam erleben, Demokratie selbstverständlich gelernt wird, sie sich und andere gerecht behandelt fühlen?“ - Mit diesen Fragen stimmte Margit Baumgarten, Leiterin der Fachstelle Familien der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), heute (28. Oktober) im Kieler Landeshaus Fachleute aus Politik und Kirche auf die Veranstaltung „Familie aus Kindersicht“ ein.
Anlass für die Podiumsdiskussion, zu der das „Netzwerk Familien“ der Nordkirche eingeladen hatte, ist die dritte World Vision Kinderstudie mit dem Titel „Wie gerecht ist unsere Welt“. World Vision befragte 2500 Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren nach deren subjektiver Einschätzung ihres Wohlbefindens. „Kinder haben keine Skrupel, Armut als solche zu benennen und Reichtum als Verpflichtung zum Teilen zu verstehen“, sagte die Leiterin der Fachstelle. „Kinder haben ein ganz unmittelbares, unverstelltes Gefühl von sozialer Gerechtigkeit.“ Das „Netzwerk Familien“ wolle mit der Veranstaltung erreichen, dass Kinder stärker als Menschen mit eigenen Gedanken, Fähigkeiten und Kompetenzen wahrgenommen werden, so Margit Baumgarten.
Gothart Magaard, Bischof der Nordkirche im Sprengel Schleswig und Holstein, unterstützte in seinem Grußwort diese Position: „Die Rollen von Mündig und Unmündig, von Lehrmeister und Schüler, von Erwachsenem und Kind sind keineswegs so eindeutig festgelegt, wie die Schulweisheit uns glauben macht.“ Er erinnerte an den polnischen Kinderarzt Janusz Korczak und seinen Ausspruch „Kinder werden nicht erst zu Menschen – sie sind schon welche“. Eine neue Sicht auf die Kinder habe bereits Jesus gelehrt, so der Bischof weiter. Jesus wies die Gelehrten im Tempel zurecht, als sie sich über die lärmenden Kinder beschwerten. „Der Psalm-Vers, den er zitiert, ist schlicht: ,Aus dem Munde der Unmündigen hast du dir Lob bereitet. Der Mund der Unmündigen – das ist eine starke, paradoxe Wendung. Eine Wendung um 180 Grad im Sehen, Denken, Beurteilen und Fühlen. Das bedeutet sicher eine Umkehr der Perspektiven, vielleicht sogar eine Umwertung der Werte.“
„Unser aller Ziel muss es sein, Bildungsgerechtigkeit zu schaffen und jedem Kind, unabhängig von seiner jeweiligen sozialen Herkunft Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten“, forderte Landtagsvizepräsident Bernd Heinemann. „Nur durch Bildung erreichen wir, dass unsere Kinder gleiche Chancen im Leben haben, egal wo und von wem sie geboren werden.“
Nach dem Vortrag „Wie gerecht ist die Welt?“ (17.30 Uhr) von Prof. Sabine Andresen, Sozialpädagogin und Familienforscherin, startet die Podiumsdiskussion (18.45 Uhr). Neben Anke Erdmann, MdL (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende des Bildungsausschusses im Schleswig-Holsteinischen Landtag, werden Dr. Gitta Trauernicht, MdL, kinder- und familienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Tobias Koch, MdL (CDU), Mitglied im Finanzausschuss, Doris Beneke, Diakonie Deutschland, Leiterin des Zentrums Familie, Bildung und Engagement, und Dr. Andreas Tietze, MdL (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied im Wirtschaftsausschuss an der Diskussion teilnehmen. Die Moderation wird Prof. Barbara Rose, Hamburg, vom Kuratorium des Hauptbereiches „Frauen, Männer, Jugend“ der Nordkirche übernehmen.