14. September 2025 | St.-Maria-Magdalenen-Kirche

Festgottesdienst 650 Jahre Moorburg zu Hamburg

03. August 2025 von Kirsten Fehrs

Jesaia 32,14-18

Moin, liebe Moorburgerinnen und Moorburger, liebe Festgemeinde,

Glück und Segen – und Frieden! – zum Dorfgeburtstag!

650 Jahre Moorburg, wenn das kein Grund zum Feiern ist! Und zwar buchstäblich mit Pauken und Trompeten, Chor, Zimbelstern und Gloria – danke für die schöne Musik in diesem Festgottesdienst.

Wahrlich, es darf gefeiert werden, denn dass es Moorburg auf dem Stadtplan überhaupt noch gibt, ist ja angesichts der bewegten Geschichte alles andere als selbstverständlich, aber wem erzähle ich das hier.

Umso mehr: Danke, dass ich heute Ihr Gast sein darf, es ist mir eine Ehre hier zu sein, mitten in Ihrem sensationellen Jubiläumsjahr mit so vielen, beeindruckenden Veranstaltungen – Sommeratelier, Hummel-Hummel-Kabarett, Flutbildern, Seemannsgarn, Theater, Gospel, Filmen, Lesungen und nachher Kinderdisco. Alles überwiegend ehrenamtlich von Ihnen auf die Beine gestellt, hochengagiert für diesen Stadtteil, den ältesten südlich der Elbe. Hut ab vor dieser gemeinschaftlichen Tatkraft! Wie sagte vorhin jemand zu mir: Eine tolle Gemeinschaft ist das hier.

Allerdings. Und die hat Moorburg wohl immer schon ausgezeichnet, sonst gäbe es Moorburg nicht mehr. Und die Kirche immer mittenmang, auch heute, lieber Kirchengemeinderat, lieber Pastor Mohnke, ich bin richtig stolz darauf!

Denn die Kirche gehört ins Dorf, auch in dem Sinne, dass Nächsten- und Schöpfungsliebe, dass das Plädoyer für die unverlierbare Menschenwürde ins Herz jeder Gesellschaft gehört. Und dafür steht diese Kirche allemal, das ist seit 1309 so und wird so bleiben. 1390 kam dann eine Burg dazu, nah am Moor, klar Moorburg, um die Schifffahrt auf der alten Süderelbe zu kontrollieren. Zölle waren also schon damals ein großes Thema. Und Streit gab es auch. Denn der erfolgreiche Handel, dem Moorburg seine Existenz zu verdanken hat, ist im Laufe der Jahre zur existentiellen Gefahr geworden.

Ich kann nur ahnen, was es heißt, Kirche und lebendige Dorfgemeinschaft zu sein, wenn man sich dauerhaft bedroht fühlt. Es sind die Schatten des wirtschaftlichen Erfolgs Hamburgs, die Sie seit Jahrzehnten aushalten – aber wo Sie auch gegenhalten. Indem Sie kreativ Zukunft denken, sich nicht bange machen lassen und ungebrochen mutig Zukunft gestalten! Denn Aufgeben gilt nicht.

Das haben die Moorburger auch schon vor 200 Jahren gezeigt, als es ihnen mit Hilfe der Russen (!) und der „Lüneburger Jäger“ gelungen ist, das Napoleonische Heer ins Moor zu jagen. Moorburg ist und bleibt frei. Und widerständig, bis heute.

Achja, und mit Unrecht möchte man sich auch nicht abfinden, deshalb hat die Kirche das gestohlene Weihwasserbecken aus dem 13. Jahrhundert hier flugs bei Sothebys zurückersteigert. Da steht es nun, auch so ein Sinnbild für: Wir lassen uns nicht unterkriegen. Nicht von Dieben und auch nicht vom Hafenerweiterungsgesetz.

Weswegen es auch kein Zufall ist, dass für diesen Festtag ein Text aus dem Buch des Propheten Jesaia ausgesucht wurde. Entstanden in Zeiten großer Bedrohung. Sicherheit war das große Thema – und das kann aktueller ja gar nicht sein. Jesajas Worte sind ganz darauf ausgerichtet, Zuversicht wachzuhalten, die Menschen aufzurichten, Mut zu machen in aller Unsicherheit und Bedrängnis.

Denn Gott, so ist sich der Prophet sicher, wird mit seinem Geist eine neue Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit herbeiführen. Mag es auch derzeit, so schreibt er, trüb aussehen, keine Weinlese, keine Obsternte, Dornen und Disteln auf den Äckern, die Stadt verlassen, die Paläste leer, das Moor bedroht, die A26 am Horizont, wenigstens den Rehen, Kühen und Schafen zur Freude, die nun da grasen, wo einst Dorfleben war.

Aber so muss es nicht kommen, schreibt Jesaia. Die Wüste wird zum fruchtbaren Land, das stellt er verheißungsvoll und bilderreich vor Augen. Und nicht nur das. Es wird dort gerecht zugehen und es wird Friede sein.

Es wird Friede sein – wie sehr ersehnen wir das. Gerade heute. Nicht nur hier, sondern an so vielen Orten dieser Welt, in denen Unrecht, Hunger und Gewalt den Alltag der Menschen bestimmen, wo so viel Leid ist, dass es sogar an einem solchen, wunderbaren Festtag wie heute zum Himmel schreit.

Jesaia kannte das auch. Und so legt er in die erschöpften Seelen seiner verzweifelten Zuhörer eine große Hoffnung. Gott bleibt mit seinem Segen bei euch, sagt er. Sein Geist wird für Ruhe und Sicherheit sorgen, denn wo Gerechtigkeit und Frieden sind, können Menschen in friedlichen Auen wohnen, in sicheren Wohnungen und sorgloser Ruhe leben.

Diese Bilder der Hoffnung sind knapp 3.000 Jahre alt. Und sprechen doch zu uns heute, die wir ja auch durchgeschüttelt sind von Krisen in diesem Land und dem Elend in der Welt. Jüngst sagte ein Politiker zu mir: „Wir werden irre ohne Zuversicht.“ Und ja, wir brauchen diese alten Bilder der Hoffnung, um auch in widrigen Lagen weiterzuleben, zu lieben, zu vertrauen, um zu kämpfen und zu widerstehen. Diese Hoffnung, dass die Realitäten, die uns umgeben, nicht alles sind. Sondern dass dahinter immer auch die Wirklichkeit Gottes hindurchscheint. Eine Wirklichkeit, in der kein Leid und kein Krieg und keine Tränen mehr sein sollen.

Es ist diese alte Hoffnung, dass in unserer unerlösten, verwundeten Welt das Gute das Böse überwinden kann. Hoffnung, die uns lebendig sein lässt, damit wir nicht müde werden, an guten Lösungen zu arbeiten. Eben im Geist der Gerechtigkeit und des Friedens, wie Jesaja sagt. Was ja schlicht heißt, in Verbindung und im Gespräch miteinander zu bleiben, um die so unterschiedlichen Interessen irgendwie miteinander auszugleichen.

Wir müssen reden – und dürfen nicht aufhören damit. Wir müssen reden in dieser polarisierten Gesellschaft. Nicht um dann etwa einer Meinung zu sein, sondern damit wir immer wieder verinnerlichen, dass Unterschiede uns nicht trennen müssen. Wir müssen reden in unserem Land – ehrlich. Für unsere Demokratie, ja unsere Freiheit. Nützt ja nix … Es steht im Moment viel auf dem Spiel.

Und klar, leicht ist das nicht. War es nie. Nirgends auf der Welt. Auch in Moorburg nicht. Was dabei hilft, ist, das Ziel fest im Auge zu behalten. Die Bibel schenkt uns so ein Ziel: Leben in Gottes Geist. Frieden. Shalom im Hebräischen. Shalom, was auch heißt: die Ergänzung suchen. Shalom gelingt nur im Miteinander. Indem wir immer die Anknüpfung suchen und zusammenhalten. Und in solch gutem Miteinander wiederum wächst Gerechtigkeit wie in einem Garten. Entsteht gutes Leben. Zuversicht.

Ich bin tief davon berührt, dass ich hier so viele Menschen sehe, die tief im Herzen auf eine Zukunft hoffen und darauf vertrauen, dass gutes Leben in Moorburg möglich bleibt. Deshalb können wir heute feiern. Weil die ersehnte Zukunft heute anfängt. Im Hier und Jetzt und mit einem großen Fest. Heißt auch: mit gediegenem Hoffnungstrotz den Widrigkeiten die Stirn bieten. So feiern wir diese Hoffnung, dass die schöne St.-Maria-Magdalena-Kirche ein Ort gelebten Glaubens bleibt und nicht zum Museum wird, dass die Moore erhalten bleiben und dass sich Moorburg zu einem attraktiven Ort für stadtnahes Leben im Grünen entwickelt. Das wäre was, oder?

Bleiben wir in Hoffnung, liebe Geschwister. Zumal Moorburg in seiner bewegten Geschichte stets berühmte Befürworter hatte, die geholfen haben. Großartig finde ich dazu diese Anekdote über die 600-Jahrfeier, die viel über das notwendige Selbstbewusstsein für eine gute Zukunft sagt. Mir wurde erzählt, dass 1974 drei Moorburger ihren alten Freund Helmut Schmidt fragten, ob er denn nicht beim Jubiläum ein Jahr später ein paar Worte sprechen könnte.

Einige Anfragen an Hamburger Politiker waren zuvor schon gescheitert, keiner wollte nach Moorburg kommen. – An dieser Stelle möchte ich gern Senator Dr. Dressel ganz herzlich willkommen zu heißen, denn der hat es sich nicht nehmen lassen, heute bei Ihnen zu sein. – Damals schien es zu heikel, sich in diesem Hafererweiterungsgesetz-Widerstandsnest zu zeigen. Der berühmte Freund nun, Finanzminister unter Willy Brandt, sagte in alter Verbundenheit zu. Kurz danach, im Mai 1974, wurde er zum Bundeskanzler gewählt. Tja, so was kann passieren. Aber den Termin in Moorburg hat er konsequent im Kalender verteidigt, so dass vor 50 Jahren dann tatsächlich ein Bundeskanzler ins Dorf Moorburg zum Feiern kam.

Da wollten plötzlich alle, die vorher mit Moorburg nichts am Hut hatten, mit dabei sein, möglichst in der ersten Reihe. Die Gemeinde hat dann, so geht die Legende, die Plätze rund um den Bundeskanzler gegen großzügige Spenden reserviert. Das Angebot des Ersten Bürgermeisters, das Fest finanziell zu unterstützen, wurde stolz als Almosen zurückgewiesen. So kam es, dass Helmut Schmidt hier an dieser Stelle gesprochen – und letztlich das Fest finanziert hat.

Mein Vorredner übrigens, der damals die Predigt hielt, war ein Hauptpastor aus der Hamburgischen Landeskirche. Es wird erzählt, dass er so dermaßen lange gepredigt hat, dass der Küster ihm genervt das Mikrofon abgestellt hat, damit das Fest endlich beginnen konnte. Es ist nicht überliefert, nach wie vielen Stunden das war. Aber ich habe großen Respekt vor dem Gestaltungswillen der Moorburger …

Komme ich also eilends zum Schluss. Ich wünsche euch – wie schon zu Beginn der Predigt nun auch an ihrem Ende – Gottes reichen Segen fürs Dorf. Und zwar Segen in der Sprache, die uns alle hier im Norden verbindet, wo immer wir herkommen und wo immer wir hingehen. Segen und Frieden op platt, die Sprache der Herzen:

De Herr segen di un hool sien Hannen över di. De Herr seh di fründli an un wees di gnädi. De Herr loot sien Oogen in Leevde op di rohn un geev die Freeden.
Amen

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