17. Dezember 2015 | Hamburg-Dammtor

Freut euch dem Herrn – heute und allezeit

17. Dezember 2015 von Kirsten Fehrs

Adventsfeier Rotary-Club Hamburg-Dammtor, Predigt zu Jesaja 25, 6-8

Liebe Schwestern und Brüder,

wir schauen auf ein bewegtes Jahr.

Viele schreckliche Ereignisse; sie scheinen gar nicht abzureißen. Im Januar begann`s mit Charlie Hebdo und im November hörte es noch immer nicht auf, nach den Attentaten in Paris. Terror in Syrien, in Beirut, in Nigeria, abgesagte Freundschaftsspiele, so viele Opfer von wahnsinnigen IS-Kämpfern, die sich auf eine Weltreligion berufen und doch nichts anderes sind als Anhänger einer verbrecherischen Sekte. Und ich denke an die vielen Flüchtlinge, die vor diesem Terror nur noch fliehen können. Terror, der es buchstäblich mit Kalaschnikows darauf anlegt, zu zerstören, was der Mensch braucht, um zu leben – Geborgenheit und Heimat, Normalität und Frieden, Vertrauen und Gebet.  - Und dann sagt Freund Jaschke, mein Bruder Hans-Jochen zu mir: Lass uns mal die Freude in die Mitte stellen. Die Einladung zur Freude an alle Völker. Freut euch dem Herrn – alle und jederzeit.

Freut euch! Alle und jederzeit. Recht hast du, lieber Freund.

Es braucht jetzt Klartext. Klartext im Advent. Das Bekenntnis nämlich, dass wir auf eine bessere Welt hoffen. Unbeirrt. Trotz allem. Advent ist nicht weniger als kontrafaktische Erwartung. Und dazu gehört sie mehr denn je: die Einladung an alle Völker. Damit wie in Paris kürzlich alle Völker der Welt zusammenkommen und einen großen Schritt nach vorne machen beim Klimaschutz. Aber auch in unserem weltoffenen Hamburg: die Einladung an alle Völker. Zur Klimaverbesserung in unserem Land. Gerade jetzt!

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, sagt unser Psalm dazu, damit der König der Ehre einziehe. Wer ist der König der Ehre? – fragt der Beter dann gleich. Wer ist der König der Ehre? Es ist Christus, das Gotteskind in der Krippe. Und er ist heute zu finden in Abdul und Nahib und Mustafa und dem kleinen Mädchen aus Eritrea mit ihren abstehenden Zöpfen. Sie brauchen unsere Fürsorge, brauchen Obdach und Brot, Achtung und Gebet. Neue Heimat. Zeichen, die sagen: Kein Terror der Welt kann die Werte unseres Menschseins ernsthaft angreifen!

Deshalb dieses Beharren auf die Freude! Was braucht es im Moment mehr als unerhört hoffnungsliebende, herzhafte, Mut machende Prophetenworte, die schon vor Tausenden von Jahren Menschen aus ihrer Traurigkeit und ihrer Lähmung und ihren Ängsten gerissen haben. Denn: Aufgerichtet! Hingeschaut! Hinter dem Horizont geht es weiter. Es ist hier noch längst nicht erschienen, was wir in Zukunft sein werden. Und sein können. Was wir an Gutem zu leisten in der Lage sind. Und zu welch Friedenssehnsucht wir fähig sind! So dass wir den Mund aufmachen gegen jegliche Pegida-Parole und gegen verbale Brandstifterei. Das Böse wird zu stark, wenn wir Guten zu schwach sind! Wohlgemerkt: Ängste von Menschen, echte Besorgnisse, sie brauchen unser Ohr und unser Herz. Oft auch unsere Geduld. Angst sitzt meist tief und essen Seele auf. Aber dies ist etwas ganz anderes als Ängste zu schüren. Indem man redet von etwaigen Einschränkungen und Überfremdungen, die wir zu befürchten hätten.

Doch, liebe Freunde, wir haben doch überhaupt noch keine Einschränkung erlebt? In diesem reichen Land, oder geht es euch anders? Wir haben vielmehr Vermögen in vielerlei Hinsicht. Haben Kraft. Einen Glauben, auch wenn wir zu wenig von ihm reden…. Und: Wir haben -  so habe ich euch kennen gelernt -  Herz. Und also: sollten wir es nicht mit Jesaja in die Hand nehmen und nach vorn werfen?

Der Zukunft Gottes den Weg bereiten?

Um nichts weniger geht es mit dem Prophetenwort. In lutherisch noch einmal knackiger: Und der Herr wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen. Und er wird sie in Geborgenheit hüllen. Er wird den Tod verschlingen auf ewig, wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Not der Völker. So spricht der Prophet, damit das Volk zum Guten kommt. Denn nur wer eine Perspektive hat, wird ruhiger. Gnädiger. Mutiger. Und Friedlicher. Das merken wir an uns selbst.

Als ich vor einigen Tagen in der Neuen Burg hier in Hamburg war, ist mir das noch einmal ganz besonders bewusst geworden. In diesem kirchlichen Bürogebäude werden jeden Abend bis zu 200 Transitflüchtlinge versorgt, die eben derzeit keine Perspektive haben. Die total unruhig sind, aufgeregt und erschöpft zugleich. Von Grenze zu Obergrenze und zurück.

Etliche Ehrenamtliche erwarten sie, jeden Abend gegen 22 Uhr. Da ist ein warmes Essen bereitet, heißer Tee,  200 Betten frisch bezogen, Duschcreme und Handtücher auf dem glatt gestrichenen Kissen. Es sind vor allem junge Leute, die da Dienst tun. Jeden Abend nach der Arbeit vier bis fünf Stunden täglich, sieben Tage die Woche. Per Facebook wird organisiert, was gebraucht wird. Der Arzt. Winterjacken. Kinderschuhe. Unglaublich.

Hamudi ist immer da. Der junge Libanese ist seit seinem vierten Lebensjahr in Deutschland. Zuhause aber spricht er mit seiner Mutter nur Arabisch. Ein Glück sagt er, spricht er es – so kann er mühelos als Übersetzer tätig sein. Allzumal sein Arabisch dem der Syrer sehr verwandt ist. Was er im richtigen Leben sonst noch so macht, habe ich gefragt. Er habe nächstes Jahr einen Ausbildungsplatz als Automobilverkäufer. Bis dahin möchte er in der Flüchtlingshilfe arbeiten und sinnvoll seine Zeit einsetzen. Das Schönste sei gewesen, sagt Hamudi, als er die Dankesrede eines Syrers übersetzen durfte. „Über Wochen hin wurden wir wie Tiere behandelt, sagte der Mann „Ihr hier in Hamburg seid uns das erste Mal seit Wochen mit Achtung und Freundschaft begegnet. Danke“. Da hätten ihnen die Tränen in den Augen gestanden, sagt der junge Hamudi. Auch weil es ihn gefreut habe.

Freude ist ein tiefes Gefühl. Sie weiß auch von dem Unheil, das Menschen erfassen kann. Weiß, wie es ist, wenn man sich an der Grenze befindet oder gar auf der anderen Seite. Wir wissen das doch auch: Wenn man auf einmal zu den Kranken gehört und nicht mehr zu den Gesunden, zu denen, die eine schwere Diagnose verkraften müssen, zu denen, die jemanden so lieben und dennoch nicht aufhalten können, Unsinn zu machen. Echte Freude weiß etwas von der Erleichterung, wenn es gut ausgegangen ist. Aber auch, wenn man mit Freunden beieinander sitzt und isst und trinkt und dann manchmal fast so etwas passiert, wie Jesaja es uns verheißt: Dass einem eine die Tränen abwischt. Oder einen blütenreinen Traum aufs Kopfkissen legt. Oder verlorene Hoffnung zum Leben erweckt.

Wir haben viel erlebt in diesem Jahr, liebe Freundinnen und Freunde. Auch im Club – ihr wisst es weit besser bei euren weit besseren Präsenzen als ich … Und eines wird mir immer in Erinnerung bleiben. Als wir in Krakau, nach dem Besuch in Auschwitz, gemeinsam im leisen Bus saßen. Erschüttert und dennoch in der Gemeinschaft irgendwie getröstet. Mit dünner Herzhaut und dicker Freundschaft. Das war bei aller Traurigkeit ein tragendes Miteinander, liebe Freundinnen und Freunde. Ich danke euch dafür. Denn so konnten wir dann auch wieder essen und trinken, ein fettes Mahl hätte Luther gesagt, und diese wunderbare Clezmer Musik hören – erinnert Ihr euch? Schalom chaverim – Friede geleite euch. Und da wurden wir doch wieder einmal gewahr, was für eine Vielfalt Gott uns in den Völkern der Welt offenbart. Voller Sehnsucht nach Frieden für diese Welt. Schalom chaverim – gehen wir gesegnet in eine freudvolle Weihnachtszeit und in ein hoffentlich friedvolleres Neues Jahr.

Amen

Datum
17.12.2015
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
Zum Anfang der Seite