1. Januar 2018 | Dom St. Nikolai zu Greifswald

Frisches Wasser aus der Quelle

01. Januar 2018 von Hans-Jürgen Abromeit

Predigt zur Jahreslosung 2018 (Offenbarung 21,6) im Neujahrsgottesdienst

Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. (Offenbarung 21,6)

 

Liebe Gemeinde,

„Gottes Sohn will auf Erden Heiland und Erlöser werden.“ Mit diesem Satz hat uns der Chor mit dem Choral zur 4. Kantate des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach begrüßt. Damit hat er uns das Ziel angegeben, weswegen Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist. Wir haben es in diesen Tagen noch aus dem Weihnachtsevangelium im Ohr, wie der Engel den Hirten auf dem Feld verkündigt hat: „Denn euch ist heute der Heiland geboren!“ (Luk 2, 10) Jesus ist in die Welt gekommen, um eine aus den Fugen geratene Welt wieder zu Recht zu bringen. Er will unser Zurechtbringer sein, der „Heiland“, der uns und diese Welt wieder heil macht. 

Und in welch festlichem musikalischem Reichtum können wir dieses Jahr das neue Jahr begrüßen! Es sind gleich zwei Bachkantaten, die in diesem Gottesdienst zur Aufführung kommen. Ich möchte an dieser Stelle aus gegebenem Anlass einen Dank an Prof. Jochen Modeß richten, der als Domkantor nun schon seit vielen Jahren jeweils in jedem 2. Jahr den Weihnachtsfestkreis durch die Aufführung der 6 Kantaten des Weihnachtsoratoriums bereichert. So, wie Bach es sich seinerzeit, vor 283 Jahren, gedacht hat, erklingen bei uns die einzelnen Kantaten jeweils in den Gottesdiensten, für die sie geschrieben worden sind und nicht als ein besonderes Weihnachtsoratoriumskonzert. Die Gottesdienste des Weihnachtsfestkreises sind dadurch hier im Dom etwas ganz Besonderes. Wir merken an dieser Stelle, wie viel wir Jochen Modeß auch hier im Greifswalder Dom verdanken. Mit Wehmut haben wir zur Kenntnis genommen, dass er nun nur noch bis September dieses Jahres beruflich tätig sein wird. Aber nun freuen wir uns zunächst noch auf das Weihnachtsoratorium heute und am Epiphaniastag und später auf eine ganz besondere Bachwoche. Ich bedanke mich aber auch bei allen Musikerinnen und Musikern, bei den Sängerinnen und Sängern und bei den Sollistinnen und Solisten!

Traditionsgemäß wird in dieser Neujahrspredigt die Jahreslosung des gerade begonnenen Jahres ausgelegt. Wir freuen uns dieses Jahr über eine Jahreslosung aus dem 21. Kapitel der Offenbarung des Johannes: Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. (Offb. 21,6) Ich finde: Ein wunderbares Wort!

Durst

Wer einmal in seinem Leben richtig durstig gewesen ist, weiß, wie fantastisch es ist, dann trinken zu können. Nach einem anstrengenden Fußballspiel, wenn dir die Zunge am Gaumen klebt, zu einer Flasche Wasser greifen zu können und zu trinken, zu trinken und zu trinken, das ist wunderschön. Ich selbst habe bei Wüstenwanderungen empfunden, wie einmalig es ist, nun den Durst stillen zu können. Dann ist Wasser das Beste. Toll, wenn am Ende einer Route eine Oase mit frischem Quellwasser stand. Jeder Schluck war unvergleichlich.

Wie kostbar Wasser ist, können wir hier in unseren Breiten, wo es alle Zeit regnet, gar nicht richtig einschätzen, aber in den Ländern der Wüstenregionen, in denen auch die Bibel entstanden ist, ist Wasser kostbar. Besonders wertvoll ist frisches Quellwasser. Eine Wohltat, wenn man den Durst damit löschen kann.

Zu meiner Überraschung habe ich schon manchen gehört, der die diesjährige Jahreslosung schwach findet. „Wir wissen doch gar nicht, was Durst ist“, sagt mir einer. Bei uns hat doch jeder Zweite seine Flasche Wasser dabei und trinkt jede dritte Minute daraus. Es ist doch kein Problem, etwas zu trinken zu bekommen. „Und außerdem: Wieso Wasser? Es gibt doch viel bessere Getränke?“

In den 70er-Jahren als Student in Heidelberg hatte ich einen Studienfreund aus Ghana, Peter. Eines Tages kamen seine Eltern zu Besuch. Sie wollten sehen, wie es in Deutschland so ist. An einem Sonntag machten wir zusammen einen Ausflug. Ich zeigte meinen neuen schwarzen Bekannten die landschaftlich schöne und mit einigen Sehenswürdigkeiten ausgestattete Umgebung von Heidelberg, aber das interessierte sie weniger. Sie waren völlig begeistert von der sommerlichen Landschaft, vor allem dem Grün der Felder, Äcker und Wälder. „Wie wunderbar grün ist Deutschland!“ sagten sie immer wieder. Mir sagte das gar nichts. Ich fand das selbstverständlich. Erst viele Jahre später ging mir auf, wie beschenkt wir in Deutschland sind, dass es bei uns mit ziemlicher Regelmäßigkeit regnet und wir keine Angst haben müssen, dass wir wieder einmal nichts ernten werden.

Haben Sie die Aufnahmen aus Kapstadt im Fernsehen gesehen? Dort herrscht gerade großer Wassermangel. Der nächste Regen wird im Juni erwartet. Wasser wird rationiert. Gärtnereien und landwirtschaftliche Betriebe machen pleite. Es wird geplant, ab April die Wasserversorgung einzustellen und dann jedem Bürger pro Tag nur noch eine bestimmte Menge in Flaschen auszuteilen.

Diese existentielle Erfahrung, auf Wasser angewiesen zu sein, kennen wir nicht. Wir wissen, dass wir trinken müssen. Aber es gibt auch reichlich zu trinken. Es gilt im Übrigen bei uns für fast alles. Uns fehlt doch nichts, fast nichts. Wir haben keinen Durst, keinen Hunger. Wir haben ein Dach über dem Kopf. Wir leiden keinen Mangel. Wir meinen auch, keine spirituellen Bedürfnisse zu haben. Uns fehlt die Sehnsucht. Wir kommen in Deutschland gut ohne Gott aus. Darum sind wir auf dem Weg, eines der gottlosesten Länder der Welt zu werden. Wir in Ostdeutschland sind es schon. Nirgendwo auf dem Globus gibt es so wenig glaubende Menschen wie in Tschechien und Ostdeutschland. Uns fehlt der spirituelle Durst.

Gott sagt: „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers.“ Willst du Gott erfahren, brauchst du erst spirituellen Durst, die Sehnsucht nach einer Tiefe im Leben.

Wir können es auch mit den Worten Johann Sebastian Bachs sagen, der seine Sehnsucht auf Jesus richtet: „Mein Heiland, gib mir Kraft und Mut, dass es mein Herz recht eifrig tut!“

Quelle

Wenn du trinken möchtest, dann brauchst du eine Quelle. Das Wort Gottes und der Heilige Geist sind unerschöpfliche Quellen für immer neue Antworten auf Fragen, die das Leben stellt. Das besondere einer Quelle ist, das sie immer neues Wasser fördert. Schnell scheint uns die Bibel abgestandenes Wasser zu sein. Kennen wir das, was die Bibel sagt, nicht längst?

Der Tod jeder Erzählung einer biblischen Geschichte im Kindergottesdienst oder in der Schulklasse ist der Ausruf der Kinder: „Kennen wir schon!“ D.h. doch: Das ist langweilig. Davon wollen wir nichts mehr hören. Aber Wasser aus einer Quelle ist lebendiges Wasser. Das Wort Gottes ist nie abgestanden, sondern immer lebendig, frisch und neu. Die Quelle hat schon vor Zeiten gesprudelt.

Wichtiger noch als das Wasser selbst ist die Quelle. Wasser kann außerhalb der Quelle auch abgestanden sein. Wasser aus der Quelle ist immer frisch. Die Bibel ist eine wichtige Quelle für Europa. Europa hat aus dem Hoffnungspotential der Bibel in Auseinandersetzung mit Dichtern und Denkern die Grundlage für unser Miteinander genommen. Recht und Gerechtigkeit und das Streben nach Wahrheit und Freiheit sind die Basis, auf der unser Miteinander funktioniert. Genau diese Werte sind es, von denen die Hoffnungstexte sprechen, die wir in der als Verheißung des alten Bundes in den Weihnachtsgottesdiensten gehört haben. Wir haben aus der Lehre Jesu verstanden, dass Liebe zu allen Geschöpfen Ausgangspunkt eines an Gott ausgerichteten Handelns sein soll. Noch wichtiger als das Wasser, das die Erquickung schenkt, ist die Quelle, die immer wieder neues Wasser hervorbringt. Jesus selbst ist die Quelle. Die Glaubensinhalte, die geglaubt werden, die Werte, nach denen ein Mensch leben kann, kommen aus dieser Quelle hervor. Diese Quelle des abendländischen Denkens ist nicht versiegt. Seit Jesus von Nazareth, seit 2000 Jahren, leben wir von dieser Inspiration.

Es ist wichtig, den Glauben von Christus bestimmen zu lassen und sich die Werte, nach denen man lebt, von ihm vorgeben zu lassen. Aber noch wichtiger ist, in der Verbindung zu ihm zu stehen, damit das Leben, das immer weiter geht und immer neuen Glauben und immer neues Handeln verlangt, gelebt werden kann. Das Bild der Quelle ist deswegen so schön, weil es nicht auf die Erinnerung an eine Vergangenheit reduziert werden kann, sondern weil die Quelle davon lebt, dass sie sprudelt – jetzt, heute und hier.

Wir sollten weiter aus dieser Quelle schöpfen. 2018 werden wir viele Gelegenheiten haben, aus der „Quelle lebendigen Wassers“ zu trinken. Wir brauchen es, um auf der Basis von Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden die neuen Antworten auf unsere gegenwärtigen Herausforderungen zu finden.

Umsonst

Wenn es einmal etwas kostenlos gibt, sind alle da. Eröffnungsangebote bei der Einweihung neuer Ladengeschäfte: die nimmt man mit. Freibier bei der feierlichen Immatrikulation zu Beginn des Wintersemesters: Kaum ein Student lässt sich das entgehen. Aber wie kommt man zu der nötigen Kraft zum Leben? Wer gibt uns das Durchhaltevermögen, wenn unser letzter Weg begonnen hat? Gibt es diese Kraft zum Leben und Sterben auch kostenlos?

Die Jahreslosung behauptet das: "Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst" (Offb 21,8). So drückt dieses Bibelwort die wesentliche Aussage der Reformation ganz schlicht mit diesem Wort „umsonst“ aus. Das ewige Leben ist nicht umsonst, weil es nichts kostet. Gott hat es sich seinen Sohn kosten lassen. Weil Jesus Christus in die Bresche gesprungen ist, deswegen ist die Erlösung „umsonst“. Weil Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist, wird uns das Heil sola gratia zuteil. Weil Christus am Kreuz für die Sünden aller Menschen gestorben ist, werden uns unsere Sünden „allein durch die Gnade“ vergeben.

Mit dem Wort aus der Bibel für das kommende Jahr sagt uns Gott: „Du brauchst Kraft für dein Leben? Du hast ungestillte Bedürfnisse nach Liebe und einem erfüllten Leben? Du brauchst einen Halt, der dich auch angesichts des Todes stabil sein lässt? – Ich gebe dir alles das, was du zum Leben brauchst. Ich habe dir meinen Sohn Jesus Christus geschickt. In der Verbindung zu ihm bekommst du dieses lebendige Wasser, das dir schon heute die für dein Leben nötige Energie und in Ewigkeit die Stillung all deiner Sehnsüchte schenkt. Und das alles ist völlig gratis, umsonst.“ Ich wünsche Ihnen für das Jahr 2018 Wegzehrung mit einem Schluck dieses lebendigen Wassers.

Amen.
 

Ich bete mit dem Choral aus der 5. Kantate des Weihnachtsoratoriums:
Dein Glanz all Finsternis verzehrt,
Die trübe Nacht in Licht verkehrt.
Leit uns auf deinen Wegen,
Dass dein Gesicht
Und herrlichs Licht
Wir ewig schauen mögen!

Amen.

 

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