Geistliches Wort der Landesbischöfin zum Auftakt der Landessynode
27. Februar 2020
Lübeck-Travemünde. Zu nüchterner Wachheit, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit füreinander hat Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt heute (27. Februar) in Lübeck-Travemünde in ihrem geistlichen Wort zum Auftakt der 5. Tagung der II. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) aufgerufen.
Kristina Kühnbaum-Schmidt erinnerte an das antisemitisch und rassistisch motivierte Attentat in Halle vor 19 Wochen, an die rassistisch und rechtsextrem motivierten Morde in Hanau, an die „so vielen Kinder und Erwachsenen, die in Volkmarsen an Leib und Seele verletzt und verwundet wurden, als ein Mann offenbar gezielt sein Auto in eine Menschenmenge steuerte“. Nach all dem falle es manchem schwer, dem Motto der diesjährigen Fastenzeit „7 Wochen ohne Pessimismus“ zu folgen. Die Landesbischöfin ermutigte die Synodalen, diesen Gedanken als Aufforderung zu verstehen, für eine Zuversicht einzustehen, „die sich auf Gottes Zusagen statt auf die Heilsversprechen von Menschen verlässt“.
Nach Verfassungsgerichtsurteil: Politik muss Suizidhilfe zeitnah regulieren
Die Zuversicht, die sich auf Gottes Zusagen verlasse, zeige sich in Nächstenliebe und Barmherzigkeit, betonte Kühnbaum-Schmidt: „Sie lässt uns deshalb gut begründet und belastbar füreinander einstehen und einander zur Seite stehen – unabhängig von Nationalität, Religionszugehörigkeit, sexueller Orientierung, Besitzstand oder Vermögen. Einfach, weil wir Menschen sind, geliebte Geschöpfe Gottes, und einander als eben solche anerkennen und würdigen. Als Menschen, die einander als Mitmenschen begegnen – auch und gerade dann, wenn Menschenleben gefährdet und bedroht sind. Auch und gerade dann, wenn Menschen von Krankheit und Leid, seelischem wie körperlichem, gezeichnet sind. Auch und gerade dann, wenn menschliches Leben zu Ende geht oder wenn Menschen sich wünschen, dass ihr Leben zu Ende gehen möge.“
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Vor dem Hintergrund des gestrigen Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu Paragraph 217 des Strafgesetzbuches hob die Landesbischöfin hervor: „Nach dem Urteil wird die Politik, wird der Gesetzgeber die Suizidhilfe nun zeitnah regulieren müssen. Eine kommerzielle, und deshalb von ihrer Grundausrichtung auf Gewinn und Profit hin ausgerichtete Sterbehilfe kann aus christlicher Sicht dabei nicht Antwort auf die Fragen sein, die sich am Ende eines menschlichen Lebens stellen können. Denn im Leben und im Sterben stehen aus christlicher Sicht Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit an erster Stelle – und nicht Kommerz und Profit. In dem Diskurs zu einer gesetzlichen Regelung, der dem gestrigen Urteil nun folgen muss, werden wir als Kirche diese Position deutlich eintragen. Und ebenso fordern wir, dass die bestmögliche Hilfe und Versorgung von todkranken Menschen, wie sie z.B. In Hospizen in diakonischer und kirchlicher Trägerschaft geschieht, eine deutliche Unterstützung und Stärkung aus der Politik brauchen.“
Kristina Kühnbaum-Schmidt betont, es gehe darum, eigenständig Verantwortung für sich selbst wahrnehmen zu können. „Aber es geht zugleich auch darum, sich dabei nicht aus der Verantwortung füreinander zu entlassen. Auch nicht aus der Verantwortung für diejenigen, die eine erbetene Assistenz in der Suizidhilfe übernehmen – und danach vielleicht von Zweifeln und Fragen überwältigt werden. Es geht darum, dass Menschen nicht unter Druck geraten dürfen, ihr Recht auf Leben und ihre Würde rechtfertigen zu müssen, schon gar nicht dann, wenn andere der Ansicht sind, dass sie ihr Leben beenden sollten – weil ihr Leid als zu groß, oder die Kosten einer langen Pflege als zu hoch empfunden werden.“