Mit dankbarer Freude Stärkungssegen fürs neue Schuljahr

Gottesdienst für Lehrerinnen und Lehrer am 12. September 2023 in der Christuskirche Eimsbüttel

12. September 2023 von Kirsten Fehrs

Predigt 2. Timotheus 1,3-7

Liebe Schuljahresanfangsgemeinde, liebe Lehrerinnen und Lehrer,

es gibt eine schöne Angewohnheit von unserem Paulus, wir haben es im Brief an Timotheus gerade gehört. Als allererstes nämlich, bevor sich Paulus in seinen Briefen all den kleinen und großen Krisen in den Gemeinden zuwendet und auch schon mal jemanden in den Senkel stellt – beginnen seine Briefe fast immer mit einem ausführlichen Dank. Etwa so: Ich danke dem Herrgott jeden Tag, dass es euch gibt.

Heißt: Die Würdigung des Menschen steht allem voran. Nicht erst am Schluss kommt der Dank, als Antwort darauf, wie viel jemand geleistet hat. Nein, vorher dankt er, dass es dich überhaupt als Mensch gibt, in deiner ganzen Größe. Et voilà: Ich danke Gott von Herzen, dass es euch gibt. Euch und eure Klugheit, eure Kreativität und Sangeskunst, eure vielfältigen Gedanken, die ihr euch um die Schülerinnen und Schüler macht. Und ich danke euch, dass ihr euer Bestes gebt, um in unseren Kindern Zukunftsmut zu wecken.

Jetzt ist die Zeit – um euch für alles, was ihr der Gesellschaft schenkt, zu danken, jetzt am Anfang des Schuljahres. Jetzt, damit ihr Kraft bekommt und Mut und Lust. Und das Gefühl, es wird gesehen und ist von tiefem Sinn, was ich tue. Merkt man ja nicht täglich, oder? Wer weiß vielleicht sind Sie ja gerade heute ganz geschafft hier hergekommen und können eine ordentliche Portion Zuneigung gut gebrauchen.

Mir ist es eine Freude und Ehre, dem Beispiel des Paulus heute zu folgen. Diese Würdigung des Menschen, von Ihnen und euch, die tun, was die können, das ist nämlich Programm. Die Würdigung des Menschen ist Grundprinzip der Gemeinde Jesu Christi. Sie gibt Kraft, Gutes nicht nur im anderen zu erkennen, sondern auch in sich selbst. Um darin auch etwas zu bewirken, und all den Problemen, Krisen, ja, Nöligkeiten etwas entgegenzuhalten.

Immer wieder ziehe ich meinen Hut, wie ihr diesen bereichernden, aber eben auch anstrengenden und mit einer ganz großen Verantwortung bekleideten Beruf ausübt. Ja, damit unserer ganzen Gesellschaft einen großen Dienst erweist. Der Preis ist bisweilen hoch. Erschrocken habe ich wahrgenommen, dass tatsächlich 30 Prozent der Lehrer:innen unter Schlafstörungen und Kraftlosigkeit leiden, 80 Prozent einen enormen Leistungsdruck empfinden und sich bei vielen Vergeblichkeitsgefühle einstellen.

Uns hat das berührt. Und wir haben überlegt, was gut tun könnte: eine kapitale, hemmungslose Segens- und Stärkungsdusche. Dass man es einfach mal hört, ganz direkt: Du bist ein wunderbarer Mensch, du hast so viel zu geben. Und so nimm du den Segen mit auf deinen Weg. Gott stärkt dir den Rücken. Sie können sich ja schon mal freuen auf unsere Tankstellen für die Seele, die hier aufgebaut sind.

Einer, der so eine Tankstelle extrem gut brauchen konnte, war eben jener Timotheus, dem Paulus schreibt. Er ist jung, Mitarbeiter von Paulus und seit kurzem Schulleiter, äh, Gemeindeleiter. Kess, begeistert, voller Ideen und Feuer für die Sache hat er angefangen. Doch – das ist doof – die Leute hören nicht so richtig zu, tun nicht, was er ihnen sagt und finden alles andere spannender als seinen Unterricht respektive seine Predigten. Noch dazu lastet der Druck der großen Verantwortung auf seinen Schultern und sowieso kommt er sich so vergeblich vor wie ein Staubsauger in der Wüste.

Und Paulus? Der versteht ihn, kanzelt ihn nicht ab. Als Freund und Mentor Timotheus‘ schreibt er – selbst in einer handfesten Krise im wahrsten Sinne gefangen, nämlich aus dem Gefängnis heraus – an ihn seelsorgerlich, ja fast zärtlich: „In meinen Gebeten denke ich unablässig an dich – bei Tag und bei Nacht. Wenn ich an deine Tränen beim Abschied denke, möchte ich dich unbedingt wiedersehen. Dann könnte ich mich von Herzen freuen! Dankbar erinnere ich mich daran, wie aufrichtig du glaubst.“ Und macht Timotheus Mut: „In dir brennt ein von Gott gegebenes Feuer! Lass die Gabe, die dir gegeben ist, lodern und stecke andere damit an!“ Denn, und das sind ja die für mich ganz entscheidenden Zeilen: „Denn Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft, Liebe und Besonnenheit.“

Als die Philosophin und bekennende Atheistin Thea Dorn, in einer Talkshow zu Beginn der Pandemie gefragt wurde, was sie besonders bewegt hat, sagte sie zur Überraschung aller, sie habe an einer Hamburger Hauptkirche ein wunderbares Wort gefunden: keine Furcht, sondern Kraft, Liebe, Besonnenheit. Wie man in dieser Kürze die Seele eines ganzen Landes trösten kann, habe sie fasziniert. Recht hat sie, gerade wenn man mal ein wenig tiefer in diese Worte eintaucht. Das griechische Wort zum Beispiel, das Paulus für Kraft benutzt hat, ist dynamis. Gottes Geist, sein Segen will dich bewegen, buchstäblich. Aufstehen, singen, damit sich dieses Angespannte und Erstarrte löst, das einen so gefangen nehmen kann vor Arbeit. Dann kommt wieder Bewegung ins festgefahrene Denken, und der Blick wird freier!

Und die Liebe erst! Liebe, die einen so wunderbar leicht machen kann. Sehen Sie manchmal auch Ihre Schüler:innen verliebt auf Wolke 7 durch die Pausenhalle schweben? Wer geliebt wird, fühlt sich sicher, geborgen, stärker. Die Liebe ist ein echtes Kraftpaket. Deshalb: All you need is love. So haben es schon die Beatles gesungen. Alles, was du brauchst, ist Liebe. Sie befreit zu Sinn und Sinnlichkeit, sie sucht immer wieder einen neuen Anfang, sie umarmt, was uns ängstigt. Der Mensch vergeht ohne den Blick der Anerkennung. Der Mensch vergeht, wenn er nicht lieben darf.

Und dann haben wir noch die Besonnenheit. Was für ein wunderschönes Wort in diesem paulinischen Dreigestirn. Es steht für die Weisheit des Menschen, ja die Kunst, mit einer offenen, neugierigen und entspannten Geisteshaltung realistisch die Dinge zu betrachten. Mit einem gewissen Abstand auch. Eine einzige Wohltat ist das inmitten sich überschlagender Verurteilungen, Abwertungen und Lügen im digitalen Sekundentakt der sogenannten sozialen Medien. (By the way: Sozial ist daran gar nichts mehr, eher das Gegenteil.)

Nein – es lebe die Besonnenheit. Es gibt dazu ein fantastisches Buch des schwedischen Wissenschaftlers und Statistikers Hans Rosling. Sein Bestseller „Factfulness“ ist untertitelt mit dem Satz: „Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist.“ Und der Faktencheck ergibt: Sie ist besser, als wir denken. Die meisten Menschen haben das beklemmende Gefühl, dass alles immer schlimmer wird: Es gibt immer mehr Kriege, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen, soziale Ungerechtigkeiten.

Und klar, keiner hier wird es bestreiten: Es brennt tatsächlich an allen Ecken und Enden. Multiple Krisen, Klimanot und ein abgründig grausamer Krieg in der Ukraine sind realexistent. Doch, so hat Rosling herausgefunden: Das grundsätzliche Gefühl von „Alles wird immer schlimmer“ ist tatsächlich grundfalsch. Unser Gehirn (mal wieder dieses) verführt uns zu einer dramatisierenden Weltsicht, die genau nicht der Realität entspricht. Denn real gehen immer mehr Mädchen in aller Welt zur Schule, immer mehr Kinder werden geimpft. Zwangsarbeit, HIV-Infektionen, Kindersterblichkeit, Todesstrafe, Kinderarbeit, Hunger, verbleites Benzin, selbst Kriegstote – all das sind Dinge, die massiv rückläufig sind. Es ist ein Fakt: „Schritt für Schritt, Jahr um Jahr wird die Welt besser. Nicht nach jedem einzelnen Maßstab in jedem einzelnen Jahr, aber in der Regel trifft es zu. Auch wenn wir vor riesigen Herausforderungen stehen: Wir haben enorme Fortschritte gemacht. Das ist die faktengeschützte Weltsicht.“ [1]

Ihr wisst: Natürlich will ich weder das Leid noch das Unrecht dieser Welt verharmlosen, das noch immer unsere Herzen sinken lässt und so unendlich traurig macht. Aber es ist ein Plädoyer für die Besonnenheit, die den Blick weitet auf die Gesamtperspektive – die ja damit hilft einzuordnen, was einen vielleicht aktuell umtreibt, verstört, unsicher macht. Sozusagen mit kühlem Kopf das warme Herz bewahren, das ist die Kunst der Besonnenheit.

Nicht Furcht also, wie das alles zu schaffen sei, soll das Leben im nächsten Schuljahr bestimmen, sondern der Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit. Und was wir heute dazu tun können, werden wir tun! Wenn Sie mögen – Ihr persönlicher Stärkungssegen fürs neue Schuljahr, mit Handauflegung oder ohne, vor allem aber mit dankbarer Freude, dass es euch gibt!

So seid gesegnet mit Gottes Frieden, höher als alle Vernunft. Er mache eure Herzen weit und euren Schritt leicht und eure Hoffnung groß.
Amen.

 


[1] Hans Rosling: Factfulness. Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, 2019, S. 24

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