Schwestern- und Brüderschaft des Rauhen Hauses

Gottesdienst zur Einsegnung der Diakoninnen und Diakone am 10. September 2023 in der Dreifaltigkeitskirche Hamburg-Hamm

10. September 2023 von Kirsten Fehrs

Predigt zu Genesis 18

Liebe Schwestern und Brüder,
das Leben ist ein Fest. Allemal heute. Und für Sie fünfzehn, die Sie heute eingesegnet werden – und für die fünf, die den Segen zur Aufnahme in die Schwestern- und Brüderschaft des Rauhen Hauses empfangen – für Sie ist’s ein so bedeutender Moment! Ein Fest eben, nichts weniger.

Mir ist unser Gespräch dazu vom Juni noch sehr lebendig in Erinnerung. Wie individuell Ihre Wege waren! Sagenhaft. Von gottesnah bis kirchenfern. Und dann wieder nah. So viele Kurven hat manche Entwicklung genommen, und nun sitzen Sie tatsächlich hier. Um den Segen zu empfangen für alles, was Sie in Zukunft anderen geben können. Als Berufene und Gerufene Gottes, der ja bekanntlich den ganzen Tag nichts anderes tut als Fügen.

Und also haben wir über diese Fügungen gesprochen. Verrückt manchmal, wie sich das Leben drehen und wenden kann. Und als Sie Ihre Glaubenserfahrungen und existentiellen Fragen ins Gespräch brachten, als wir bei der einen von der alles verändernden Krankheit hörten und bei dem anderen vom leidenschaftlichen Einsatz gegen Rassismus, als wir einander erzählten von Religionswechsel, von alten Zwängen und neuen Aufbrüchen, von genialen Kita-Konzepten … habe ich gespürt, wie viel Dynamik und Kraft in Ihnen steckt. Und Ideen. Und politische Klarheit.
Wir haben miteinander Hoffnungen und Ängste geteilt, auch die der Welt. Und als uns schließlich die Geschichte herrlich amüsierte, wie eine von Ihnen als Neunjährige von den Osterglocken – also wirklich den Kirchenglocken – in die Kirche gelockt wurde und seitdem gar nicht wieder rausgekommen ist, da habe ich mich schon gefragt, ob nicht der Herrgott bei seinem dauernden Fügen auch eine gute Prise Humor drunter mischt.

Allerdings. Und das schon immer. Denn die Bibel ist voller Geschichten, in denen sich etwas dreht, von bitterem Ernst in Erleichterung und in befreite Heiterkeit. Eine der schönsten Geschichten haben wir eben gehört. Da sitzt die ziemlich betagte Sara, der es nicht mehr nach der Frauen Weise ging, hinterm Zelt. Und dann kommen drei Männer, Engel Gottes, wie sich herausstellt. Abraham lädt sie mit großer Geste in sein Zelt, und Sara hat wieder mal die Arbeit. „Das ist ja wie immer. Will der Herr sich noch bedienen lassen ...“ grummelt sie. Doch dann horcht sie auf. Einer der Engel hat eine Botschaft, glasklar wie Engel so sind. „Sara wird übers Jahr ein Kind gebären“, sagt der Engel. Haha, denkt Sara, geht‘s noch? Männer! Jahrzehnte lang hat sie sich ein Kind gewünscht. So vergeblich. So traurig.
„Sara wird übers Jahr einen Sohn gebären“, sagt der Engel wieder. „Sollte bei Gott etwas unmöglich sein?“ Na, der hat Humor, denkt Sara. Und fängt auf einmal an zu schmunzeln. Gniggert. Lacht schließlich. „Du hast gelacht, Sara“, sagt der Engel – komm hervor. Und Sara denkt „Oha, das hat sich jetzt wohl nicht gehört …“ und sagt laut: „Nein, ich doch nicht“. „Doch, du hast gelacht“, erwidert der Engel. Gut so. Fürchte dich nicht.
Fürchte dich nicht vor der Geburt von etwas Neuem in deinem Leben. Wenn endlich aufbricht, was dich zwingt wie ein Schraubstock. Wenn du auf einmal aufatmest, dich aufrichtest, frei wirst – und nach vorn guckst. Eben nicht mehr nach unten. Nicht wie vorher, sondern neu.

Fürchte dich nicht – auch nicht vor dem Lachen. Denn, so lautet ja schon die alte Weisheit, Lachen befreit. Auch ein bisschen von dir selbst. Du stehst dir nicht mehr selbst im Weg. So wie es in einer Anekdote von Papst Johannes XXIII. erzählt wird: Als er gerade Papst geworden war, konnte er ob der Bürde der Verantwortung kaum schlafen. Da erschien ihm eines Nachts Gott im Traum und sagte: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig.“ Seitdem besserte sich sein Leben. Selbstrelativierung ist etwas sehr Heilsames. Denn die Sicht weitet sich. Auf einmal erkennt man, was noch alles möglich ist.
Erleichternd kommt hinzu, dass das Lachen nicht zu planen ist. Es überfällt einen. Das kannst du gar nicht verhindern, Gott sei Dank. Auch nicht, dass sich die Mundwinkel nach oben ziehen. Und versucht mal, mit dem Kopf nach unten zu lachen. Funktioniert nicht. Nur aufrecht und mit geradem Rücken kannst du lachen – klar, bis du dich kringelst. Und wenn du dich dann kringelst, ist das ja erst recht gesund, weil du so viele Muskeln in Betrieb hast.

So also hat Sarah gelacht. Und tatsächlich – dann passiert‘s mit dem neuen Leben in ihrem Leben! Wer weiß, vielleicht wurde Abraham in Saras Augen auf einmal besonders attraktiv? Ich meine, mit seinen 80 Jahren war er in biblischer Zahlenrechnung – die Erzväter wurden ja so durchschnittlich 300 – im allerbesten Mannesalter. Und Sara? Sie wird rosig-schön, als sie lacht. So wie die meisten. Wie dem auch sei, steht ja alles gar nicht in der Bibel, aber das: Sara gebiert tatsächlich einen Sohn, Isaak mit Namen. Den kann man auch übersetzen: Gott lacht mit. Oder: Gott hat dich zum Lachen gebracht.
Keine Frage also, Gott hat Humor. Und zwar keinen, wenn man trotzdem lacht. Sondern einen, der etwas weiß von den Tiefen im Leben. Der weiß, dass es Zeiten gibt, in denen einem die Traurigkeit und die Angst in den Knochen sitzen. In denen einem nach allem anderen ist als nach Lachen. Vielleicht muss das dann auch raus. Tränen putzen die Seele, heißt es ja. Lösen die Spannungen. Damit dann irgendwann auch wieder die Liebe ihre Zeit haben darf und das Glück.

Wir haben ja so ein Glück – als Kirche, dass ihr aufgebrochen seid. Jede und jeder auf eigene Weise – mit eben den je eigenen Brüchen und Neuanfängen. Gerade weil nicht alles so geradlinig verlief, manche von euch ja auch schon lange Berufserfahrung mitbringen. Und gerade weil bei einigen so deutlich wurde, wie man auch im hohen Alter noch – siehe Abraham und Sara – völlig neu anfangen kann. Mitsamt Mann und Maus und Familie. Ich stehe bewundernd davor.

Insofern ist diese Einsegnung auch für mich ein Fest, als ihr nämlich so viel Hoffnung und Zukunftsmut ausstrahlt. Nicht nur für unsere Kirche, sondern für die ganze Gesellschaft. Hoffnung und Lernbereitschaft und Freude am Tun, Freude, die etwas aufbricht von der Müdigkeit, die die multiplen Krisen derzeit verursachen. Bei den jungen Leuten besonders. Kaum war die Pandemie halbwegs überstanden, wird mit jedem Tag mehr das Klima zur Katastrophe und die Angstgefühle vor Krieg und Gewalt belasten die Seele, auch die unseres Landes. So wichtig also ist es, dass ihr da seid – für die Kinder und die Jugendlichen, aber auch die, die auf ihre alten Tage wieder Furcht entwickeln. So wichtig, dass ihr da seid – wie die Engel – um zu sagen: Fürchtet euch nicht!
Und so seid ihr wie auch die Geschichte von Sarah für mich ein Stoff, aus dem die Träume sind. Hoffnungsträume, die es lohnt zu träumen, damit man nie vergisst, dass Gott für diese Welt dies wollte: Friedensmut, Gerechtigkeit und Liebe. Das stabile Band der Freundschaft in der ganzen Regenbogen-Weltfamilie. Tanzende Menschen, die einfach nie gelernt haben, Krieg zu führen. In jedem Fall nicht das, was wir derzeit erleben. Diese schlecht gelaunte Nöligkeit, die jedem und allem hinterhergeworfen wird. Diese hemmungslosen, ja vernichtenden Urteile, mit denen man andere in „social“ Media niedermacht. Dieser Rechtsruck in vielen Bundesländern – sage mir keiner, die AfD sei nur eine Protestpartei. Rechtsextrem ist sie, beim Namen genannt, und viele, die ihr anhängen, wissen das auch.

Und weiter geschaut: Wie gottlos ist dieser furchtbare Krieg in der Ukraine, der das Leben Hunderttausender zerstört, weil ein einziger Despot nicht das Gesicht verlieren will. Dieser Schmerz in den Augen der Kinder, die vor Hunger und Seelennot nicht mehr lachen können. Ihr, liebe Diakon:innen, habt in unserem Gespräch noch vieles zugefügt, womit ihr euch nicht abfinden wollt, um Gottes Willen. Ja, was eures Gebetes und eures Einsatzes bedarf. Mit euren Gaben der Seelsorge und Kinderliebe und der Friedenssehnsucht und der lebensnahen Jesus-Sprache. Es ist dran, sagt ihr, dass wir angesichts der Zerbrechlichkeit des Lebens suchen, was aufbaut, dass wir die willkommen heißen, die Schutz brauchen und Heimat. Es ist dran, dass wir klar sind und herzlich und besonnen und verliebt ins Leben. Dass wir reden, wenn andere brüllen. Und dass wir bei allem Ernst immer auch dem Lachen die Tür öffnen. Dem Humor Gottes, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe. Der aus der Angst befreit, damit ich lache.

Ich bin von Herzen dankbar, dass ihr mit allen Engeln des Himmels danach sucht, was möglich ist, um das Leben zu lieben. Diakoninnen und Diakone, die etwas wissen von der Macht des guten Tuns und guten Tons. Fürchtet euch nicht, ruft euch der Engel Gottes zu, der wieder mal an das Unmögliche glaubt wie ihr auch. Ihr seid gesegnet mit der Kraft der Hoffnung, um die Welt zu einem helleren Ort zu machen. Damit es ein Fest wird, das Leben. Mit Gott an der Seite, wie eine Freundin, die mit dir auf dem Erdenrund tanzt. Und mit lauter Engeln um euch, die sich schon ihre Wanderschuhe angezogen haben, um euch zu begleiten. So segne Gott euch mit Zuversicht und Frieden, höher als alle Vernunft. Und Gott bewahre unser aller Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

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