12. April 2020 | Hauptkirche St. Michaelis zu Hamburg

Hoffnungslicht-Gottesdienst in Corona-Zeiten

12. April 2020 von Kirsten Fehrs

Osterfestgottesdienst, Noli me tangere, Predigt zu Johannes 20,11ff

Begrüßung

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr ist auferstanden. Halleluja! Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

So rufen wir‘s uns Ostern zu – ungebrochen auch in diesem Jahr, in Stadt und Land. Die gute Botschaft trägt: Liebe ist stärker als der Tod.

Herzlich willkommen zu unserem festlichen Fernsehgottesdienst am Ostersonntag, liebe Michelgemeinde in nah und fern. Ich freue mich, dass Sie sich zugeschaltet haben und wir nun gemeinsam feiern. Zwar nicht an einem Ort beisammen – Corona macht‘s nötig. Doch lassen wir uns davon nicht bange machen, wie wir Norddeutsche so sagen. Seien wir innerlich verbunden in Gedanken und Gebeten, Liedern und österlicher Hoffnung. Denn die ist nicht abgesagt.

Wir feiern. So wie Sie jetzt sind – vielleicht mit dem Gesangbuch vor sich, Blumen und Osterschmuck, einer Kerze, mit der Sie an jemanden denken. Wir feiern, durch alles Dunkel und alle Sorge hindurch, das Leben, das aufgestanden ist gegen den Tod. Wir feiern das Licht. Endlich Licht!

Die neue Osterkerze steht dafür. Jesus spricht dazu: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des Lebens haben.“ Und ich sehe auf den Kerzenbaum – jedes Licht ein Hoffnungszeichen. In Nicht-Corona-Zeiten kommen Hunderte am Tag hierher, entzünden ein Licht und denken an jemanden. Mit Liebe und Herzensgebet oder trauriger Sehnsucht. Gerade Ostern ist dieses Licht so wichtig. Also haben der Hauptpastor und ich stellvertretend für 253 Menschen ihre Kerzen entzündet, haben innegehalten, gebetet, an sie gedacht. Und so ist es das Licht von Ihnen allen, das das Osterleuchten besonders hell scheinen lässt. Zeichen unserer Verbundenheit, in Hamburg und für alle Welt. All den Corona-Widrigkeiten zum Trotz – wir feiern gemeinsam, mit Hoffnungsmut und Lebensliebe.

Der Herr ist auferstanden. Halleluja! Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!


Liebe Schwestern und Brüder,

Leben, Licht, wunderbare Musik – endlich ist Ostern. Das Licht setzt sich durch, wärmt und berührt zärtlich unser Herz, das doch ziemlich erschöpft ist von diesem dauernden Abstandhalten, oder? Selten habe ich Ostern so ersehnt, und ich glaube, vielen geht es ähnlich. Es ist so angesagt jetzt, das Osterlicht der Hoffnung in dieser total verstörten Welt. Christ ist erstanden – die Geschichte vom Aufstand des Lebens gegen den Tod berührt die Menschen im Moment bis an die Herzhaut. Es ist die Botschaft in diesen Tagen. Vielen ist fast ein trotziger Widerstand anzumerken: Wir lassen uns das Leben und das Lieben nicht nehmen – auch nicht von Corona und der Angst davor.

Viele dieser Kerzen hier erzählen davon. Von Hoffnungsgeschichten, die das Leben schreibt. Diese Kerze hier leuchtet für all die im Land, die mit ihrer Hingabe und Fürsorge für das soziale Gesicht unseres Landes stehen. Und diese Kerze steht dafür, dass die Religionen und Kirchen gemeinsam, auf ganz vielseitige Weise zeigen: Wir sind da, wir sind an eurer Seite. Wir trösten, halten, segnen. Und diese hier steht einmal für all die Mitarbeitenden im Hintergrund, für die Küster zum Beispiel, die es ehrlich mitnimmt, dass sie nicht wie sonst Ostern vorbereiten und feiern können. Denn Ostern ist zwar viel Arbeit, aber auch viel Ehre. Schönheit. Licht. Und so freuen wir uns alle schon aufs nächste Jahr.

Diese Kerze schließlich gehört einem älteren Herrn, einem echten Hanseaten. Er vermisst so von Herzen seine zehn Enkelkinder. Ganz besonders heute. Denn Ostersonntag pflügen die normalerweise fröhlich seinen Garten um. Kein Osterei darf unentdeckt bleiben! Dieses Jahr nun ist‘s so still. Heute wird er zu jedem Enkelkind fahren und eine Ostertüte vor die Tür stellen. Er wird klingeln und übers Telefon einen kleinen Witz machen und die Kinder werden winken, wenn er geht.

Denn: Berühren verboten. Berühren mit Händen und Körpern, die sich umarmen, darauf müssen wir vernünftigerweise jetzt verzichten. Aber das heißt ja nicht, unberührt zu bleiben. Vielmehr berührt es doch im Herzen, von solcher Großvaterliebe zu hören, die das Ihre sucht. Und das ist nicht nur erlaubt, das ist Ostern.

Als Maria sich aufmacht am Ostermorgen, zum Grab, zu Jesus, ist auch sie allein. Still ist‘s und sie ist in sich versunken; sie weint. Viermal erwähnt es das Evangelium. Die Trauer ist tief um ihren Freund und Rabbi. Doch dann dreht sich die Geschichte: Zwei Engel – sie bleiben in gebührendem Abstand – sprechen sie an, holen sie heraus aus dem Schweigen der Untröstlichkeit. Sie nehmen Anteil, nichts weiter – und in Maria löst sich die Erstarrung. Und so dreht sie sich erneut um … und steht plötzlich Jesus gegenüber. Doch – sie erkennt ihn nicht! Erst als er sie beim Namen ruft öffnen sich ihr die Augen. Sie hat verstanden: Fürchte dich nicht, nach vorn zu schauen. Und so kehrt das Leben endgültig in sie zurück: „Rabbuni!“ sagt sie und will instinktiv nach ihm greifen, den Beweis erfühlen: Er ist leibhaftig – wahrhaftig auferstanden. So glücklich ist sie in diesem Moment. Getröstet wunderbar. Jesus, ihr Trost und Leben …Er ist am Leben!

Lied: Jesus, unser Trost und Leben

Maria ist so glücklich: Jesus, ihr Trost und Leben, er steht vor ihr, wirklich. Und unwirklich zugleich. Sie geht auf ihn zu – doch: „Rühr mich nicht an“, sagt Jesus. Schmerzhaft dieser Satz. Berühren verboten. – Wie nah diese alte Geschichte uns kommt!

Noli me tangere. Jesus verweigert die Berührung. Und Maria spürt genau, dass sie diese Grenze nicht überschreiten darf. Es geht um ihrer beider Schutz, in ihrer und in seiner Wirklichkeit. Und so ist sie ihm auf einmal anders nah und fällt, Gott sei Dank, nicht zurück in die Trauer. Sondern sie steht auch auf. Geht zu den anderen. Und tröstet sie wunderbar.

Noli me tangere. Rühr mich nicht an. Im Lichte der Auferstehung, im Lichte des Lebens sind diese Worte in der aktuellen Situation der einzig wahre Akt der Liebe, Nächstenliebe. Ein Gebot der Stunde, wenn auch nicht der Ewigkeit. Nächstenliebe, die mit einem gewissen Pragmatismus tut, was jetzt nötig ist: Leben schützen.

Wie Maria also und die Engel bleiben wir auf Abstand. Und machen ja auch die Erfahrung, dass man sich neu und anders nahe sein kann. Es entstehen viele Beziehungsbrücken. Wir erleben Heldenmut im Alltag, viele kulturelle Lichtaktionen, kleine und große Revolutionen gegen die Dunkelheit des Grabes. Christus ist auferstanden – und wir tun das auch! Das ist für mich die Botschaft.

Aufgestanden, sagt Andreas mit seiner Kerze, wir dürfen nicht vergessen, dass im Schatten dieser Corona-Krise die Diktatoren ihre wütenden Kriege weiterführen. Gebe Gott, dass der Waffenstillstand im Jemen hält. Und Melanie, die in der Flüchtlingshilfe arbeitet, bittet darum, dass wir berührbar bleiben für das tiefe Elend der Menschen, die fliehen mussten und die in den furchtbaren Flüchtlingslagern in Griechenland, aber auch Libyen keine Möglichkeit haben, sich zu schützen. Aufgestanden – für ihr Menschenrecht!

Aufgestanden … sei er ganz früh, sagte unser Bundespräsident, als ich mit ihm vor ein paar Tagen telefonieren durfte, im natürlich für ihn angesagten Home-Office. Wir haben ihn gestern in seiner Ansprache gehört: Viele Stunden am Tag hat er sich durch die Republik und Europa telefoniert, hat mit dem Bäcker gesprochen und vielen, die echte Existenzangst spüren, hat Herz-As, die Hamburger Obdachlosenhilfe gefragt, wie‘s geht, hat geredet mit dem Intensivpfleger, der Künstlerin, dem Forscher, der Alleinerziehenden … Und dann habe ich mir das vorgestellt, live, wie diese Menschen vielleicht gerade ein Reagenzglas in der Hand hatten oder zu Hause Marktgemüse geschnippelt haben und dann klingelt das Handy, und der Bundespräsident ist dran! Großartig… Ich glaube, viele sind dankbar für solche Politiker, die zuhören. Die Anteil nehmen, Mut zusprechen. Diese Kerze ist für all die, die in dieser schwierigen Krise, in der keiner genau weiß, wie es weitergeht, um gute Lösungen ringen.

Aufstehen für das Leben, liebe Schwestern und Brüder, das ist unsere gemeinsame Aufgabe jetzt in diesem Land. Es wird nicht immer leicht sein, und es kommen komplizierte Fragen auf uns zu. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir eine große Kraft in uns haben, die durchträgt: die Stärke einer Nächstenliebe, die mit Abstand die beste ist. Eben: Liebe, die stärker als der Tod.

Ich wünsche Ihnen frohe, gesegnete Ostern, liebe Geschwister.

Der Herr ist auferstanden. Halleluja! Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

Datum
12.04.2020
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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