„Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“ (Genesis 12,2) - Predigt im Segensgottesdienst des Verbands Evangelischer Kindertagesstätten
22. Mai 2011
Liebe KiTa-Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder! „Gott, dein guter Segen ist wie ein großes Zelt – hoch und weit, fest gespannt über unsre Welt“ – so haben wir zu Beginn des Gottesdienstes miteinander gesungen. Ein schönes Segenslied – für alle Kinder, auch für die, die aus den Kinderschuhen längst raus sind. Auch für die Kinder, die sich erwachsen nennen. Auch für Kinder, die ganz vergessen haben, wie das ist, Kind sein zu dürfen: spielerisch die Welt zu entdecken, immer Neues zu sehen: gesegnet zu sein eben. Auch für jene Kinder, die finden, sie könnten schon alles selbst und ganz alleine. Gott will mit uns sein.
Weil er weiß: wir können nicht schon alles ganz alleine. Und wir müssen auch nie alles ganz alleine können. Wir dürfen auch gar nichts können – weil es reicht, das zu können, was Gott uns zu können zutraut – jeder und jedem Einzelnen. Ein Segenslied, das sich, wie Sie alle viel besser wissen als ich, sehr gut eignet dazu, es zusätzlich zur Stimme mit Händen und Füßen zu singen. Singen also mit Bewegungen, die unsere Freude darüber ausdrücken, dass Gott es gut mit uns meint – mit seinen Gotteskindern, die leben und Leben gestalten unter dem Bogen des Segens Gottes. „Kantate“ heißt ja dieser Sonntag: singt, ruft heraus, wie groß und schön, wie bunt und hell die Welt ist!
Ein Zeichen dafür aus der Bibel ist der Regenbogen, den Gott am Ende der so genannten Sintflut an den Himmel gestellt hat – als Zeichen für den ewigen Bund, den er geschlossen hat mit der Erde und den Menschen und mit allem, was sonst wächst, kreucht und fleucht hier auf Erden. Das Logo des der Kampagne für unsere KiTas „Mit Gott groß werden“ erinnert an diesen Segensbogen, den Gott über seine Erde gestellt hat.
Neulich habe ich entdeckt, dass in der Hebräischen Bibel der Regenbogen und der Bogen, mit dem man Krieg führt, also der Kriegsbogen, das gleiche hebräische Wort sind. Au weia, habe ich gedacht! Aber: Gott hat am Ende der Sintflut seinen Kriegsbogen an den Himmel gestellt. Er hat alle Waffen an den Nagel gehängt, abgelegt. Er wird den Bogen nicht mehr als Waffe gegen die Menschen und Tiere verwenden; Gott hat einseitig abgerüstet, damit Segen und Leben und Freude die Fülle sei auf Erden – und eben nicht Flut und Vernichtung und Krieg. Solange die Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Sommer und Winter, Tag und Nacht! So hat Gott versprochen. Immer soll das Leben so gehen. Mit Euch. Mit allem, was lebt, unter dem Himmel. Und da sollt auch Ihr alles hinhängen, was Gewalt hervorbringt. Und ihr werdet sehen: es wird zum Regenbogen.
An das Versprechen Gottes an uns erinnert immer wieder sein Segen. Seine Gotteskraft, mit der er inspiriert und aufleben lässt die lebensdienlichen Kräfte in uns und um uns herum – die unendliche Fülle von Gottes Lebensenergie, die er eben nicht für sich behält, sondern die er aus sich heraus strömen lässt wie eine nie versiegende Quelle das Wasser des Lebens.
Das ist eine der Sachen, warum ich Sie alle beneide, in einer KiTa zu arbeiten: weil mit Kindern genau das zu spüren, zu sehen, zu hören ist, wie Gottes Lebensenergie sich verströmt – eine Energie der Freude, der Fülle, der Neugier; eine Energie auch der Traurigkeit, des Streites. Und darum eine Energie der Freiheit: Segen!
„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ – Das Segenswort Gottes an Abraham macht uns deutlich, dass der Segen Gottes seine gute Energie für mich ist – aber eben nicht für mich allein. Der Segen Gottes ist nicht für Egoisten, die alles für sich behalten wollen, was sie geschenkt bekommen. Sondern: Gottes Segen vermehrt sich dadurch, dass er zwar für jeden und jede von uns ganz persönlich gedacht und zugesprochen wird. Aber eben dafür, dass wir ihn weiter geben an andere. Die kleine Segens-Meditation, die wir eben gehört und gesehen haben, sie hat das ja sehr schön deutlich gemacht. Jeder und jede von uns ist für Gott unendlich wichtig – eben darum, weil wir mit anderen Menschen um uns herum ein Beziehungsnetz bilden, in dem unser Leben getragen und gut aufgehoben ist. Das sind Menschen, die wir uns ausgesucht haben, aber auch Menschen, die wir uns nicht aussuchen konnten – in der KiTa oder an einem anderen Arbeitsplatz – aber auch in unserer Familie, aus der wir kommen und die zu uns gehört.
Es ist ja wahr, liebe Schwestern und Brüder, jeder Mensch hat eine Familie. Jeder Mensch kommt aus einer Familie. Manche Familien haben viele Gesichter, ganz wörtlich gemeint. Manche Familien haben wenige Gesichter.
Und auch in einem übertragenen Sinne gilt: Die Familie hat viele Gesichter. Familien gibt es in Deutschland heute in ganz unterschiedlichen Formen. Es gibt arme und reiche Familien. Es gibt kinderreiche Familien. Es gibt Familien mit wenigen Kindern. Es gibt Familien, in denen Vater und Mutter für die Kinder da sind in je unterschiedlicher Weise und es gibt auch viele Familien, in denen ein Elternteil alleinerziehend ist und hauptverantwortlich für die Erziehung der Kinder – zumeist sind es die Mütter!
Jeder Mensch hat eine Familie. Die Familie hat viele Gesichter. Mehrere Kinder sind oft das Glück einer Familie. Ein Kind ist oft das Glück einer Familie. Und da sind besondere Sorgen und Nöte. Und dafür gibt es vielfältige Angebote der Beratung und der Hilfe – natürlich vor allem im Kindergarten, in der KiTa. Denn: Eine Familie ist eine höchst lebendige, eine höchst empfindliche Lebensform, eine höchst schützenswerte Form des Zusammenlebens von Menschen. Familien brauchen auch in unserem Land einen Rettungsschirm. Familie geht uns alle an. Familie geht uns in der Kirche an. Denn: die Familie ist ja ein Bild für die Gemeinschaft, in der wir uns entfalten können, ohne die wir uns nicht entfalten können.
Für viele ist die Familie deshalb auch mehr und anderes: Freunde und Freundinnen, Kolleginnen und Kollegen oder eine Gemeinde. Raum, der schützt und birgt. Raum für meine eigenen Ecken und Kanten, meine Gaben und Grenzen. Meine Stärken und Schwächen.
Und wir wissen: dieser Raum ist zerbrechlich und ist oft auch gefährdet. Weil viele verlernt haben, in Gemeinschaft zu sein, dem anderen zugewandt zu leben. Nicht auf sich allein gestellt zu sein. Sich zu öffnen. Vielen macht das sogar Angst.
Darum sind die Familien der KiTas so wichtige Orte – für Kinder groß und klein. Hier können Kinder lernen, Vertrauen zu wagen. Hier können sie sich hingeben oder auch abgrenzen. Hier können sie sehen, welchen unendlichen Wert alles das hat, was sie je selbst mitbringen: nicht immer ist das am schönsten und besten, was die anderen haben oder können. Die anderen sehen auch auf Meins als das Schönste und Beste. Und den Blick zu lernen auf mich selbst, ist einer der wichtigsten Bildungsschritte überhaupt. Das ist Liebe. Und diese Liebe kommt aus der Gottesliebe, aus dem Gottessegen. Denn Gott liebt uns wie wir sind – nicht weil wir so toll sind. Sondern toll sind wir, weil er uns liebt – jede und jeden Einzelnen. Und darum auch gehört in die KiTas das Lernen der Achtsamkeit. Die Würde jedes Menschen ist von allem Anfang bis zum irdischen Ende unantastbar. Niemand darf sich vergreifen an einem anderen. Und doch geschieht es immer wieder.
Es gibt keinen perfekten Schutz vor Missbrauch. Überall ist Missbrauch – auch und gerade in Familien. Eine Schutzmassnahme ist die Stärkung der Kinder, den eigenen Wert zu erkennen, damit sie sich zu behaupten lernen auch gegen Übergriffe jeder Art. Und sie müssen wissen: wir sind wachsam mit ihnen, wir schauen hin, nicht weg. Keine und keiner ist uns gleichgültig. Denn wir wissen: Missbrauch ist Mord an der Seele der Menschen.
Denn, liebe Schwestern und Brüder, wir sind ein Segen, weil wir selbst Gesegnete sind und daraus leben, farbenfroh. Ich kann und will nicht vergessen das Ereignis während einer Fortbildung für Mitarbeitende der KiTas im damaligen Kirchenkreis Angeln – ich weiß, ich hab’ das schon oft erzählt, aber trotzdem. Da hatten die Mitarbeitenden monatelang ein Leitbild entworfen für die KiTa-Arbeit. Und da stand drin, was unsere Arbeit trägt und ausmacht: das Menschenbild der Bibel und die frohe Botschaft, die weitergegeben wird von uns an die Kleinen und ihre Familien.
Nun waren da mit den Mitarbeitenden versammelt viele Vertreter aus Kirchenvorständen, Gemeinderäten usw. Und einer bemerkte voller Angst: ob man die Menschen nicht vor den Kopf stoßen würde, wenn man so deutlich vom Glauben redet?
Da steht eine Mitarbeitende auf, dreht sich zur Versammlung um und ruft – empört und getroffen und vollkommen überzeugt: „wenn ich eines gelernt habe in den letzten Monaten, dann dies: ich muss mich mit meinem Glauben nicht verstecken – vor niemandem!“
So ist es, liebe Schwestern und Brüder. Gesegnete müssen sich nicht verstecken. Sie zeigen sich auf Gottes buntem Bogen, sie tun den Mund auf. Sie geben weiter, was sie empfangen haben und was sie glauben. Sie leuchten hinein in das Leben der Kinder, was ihnen selbst eingeleuchtet hat. Das ist unser Beitrag zur Bildung vor allem. Und so gebildet, kann man dann meinetwegen auch schon in der KiTa Mathematik und Englisch üben!
Eine der mir sehr lieben Erzählungen aus der Jesus-Geschichte ist die von der Segnung der Kinder durch Jesus, wie sie in Kapitel 10 des Markus-Evangeliums im Neuen Testament erzählt wird. Die Kinder um Jesus und die Jünger herum, sie stören da. Sie sind laut, so dass die Großen die Kleinen weg scheuchen wollen, damit der fromme Mann mit Namen Jesus von ihnen nicht gestört wird. Jesus aber reagiert ganz anders als die Großen erwartet haben. Er scheucht nicht weg die Kleinen; im Gegenteil, er holt sie zu sich, nimmt sie in die Arme und segnet sie. „Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes!“ Und schon werden die Kleinen groß und die Großen ganz klein.
Da wo Kinder sind, ist das Leben. Da wo Kinder sind, ist das Leben bunt und fröhlich, zuweilen laut. Jedenfalls mögen das die Großen so empfinden. Jesus stört das ganz und gar nicht! Er stellt die Kinder in die Mitte. Er nimmt sich ihrer an, er segnet sie. Dieses Bild des die Kinder segnenden Jesus von Nazareth ist ein Urbild für die Arbeit der Kirche. In all ihren Vollzügen und Wirkungsweisen, in all ihrer Arbeit haben die Kinder einen wichtigen Platz. Dieses ist uns von Jesus her vorgelebt und aufgezeigt. Dieses Urbild bleibt für kirchliche Arbeit und kirchliches Leben unverzichtbar!
Ich danke all den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, all den vielen Menschen, die in den Evangelischen Kindergärten und Kindertagesstätten ihre Arbeit tun und sich dabei dem Wohl der ihnen anvertrauten Kinder und Familien verpflichtet fühlen. Ich danke für all´ Ihr vielfältiges Engagement, das oft weit über das hinaus geht, was zu erwarten oder zu fordern ist. Denn oft werden Sie alle auch an die Grenzen Ihrer Kräfte gebracht – sei es durch quengelnde Kinder oder nervende Eltern, durch nörgelnde Pastoren oder knauserige Kommunalvertreter, die vor allem die Finanzen im Blick haben. Ja, ich weiß wohl, das ist auch wichtig. Aber dennoch: Lassen Sie sich nicht entmutigen, bleiben Sie alle bei der Sache, alle bei der einen guten Sache, die keine Sache, sondern eine Kostbarkeit ist: Bleiben Sie bei den Kindern, die Ihnen allen in den KiTas anvertraut sind. Und vertrauen Sie fest darauf, dass da einer an Ihrer Seite ist – mittendrin im Getümmel auch des KiTa-Alltags – nämlich Gott selbst mit seinem Segen, mit seiner wundervollen Lebensenergie. Amen.