Ihr seid ein Schatz für unsere Nordkirche
15. Mai 2016
Pfingstsonntag, Festgottesdienst 20 Jahre Ring Evangelischer Gemeindepfadfinder (REGP) und 950 Jahre Ansverus am Jugendzeltplatz am Ansveruskreuz - Waldhang in Einhaus
Der Friede Gottes sei mit uns allen. Amen.
Liebe Pfadfinder-Geburtstags-Gemeinde,
ich habe mich riesig gefreut auf heute Morgen. Euch zu begegnen und kennen zu lernen, ja etliche wiederzutreffen – und dies nun nicht im kühlen Dezember als treue Helfer bei meinem Adventsempfang, sondern zum sonnigen, warmen Pfingstfest…. nun ja, gutes Wetter wird gemeinhin überschätzt...
Ich habe mich auch sehr geehrt gefühlt, zu Eurem Geburtstag heute die Predigt zu halten. Deshalb habe ich mir wirklich Mühe gegeben, in „fein“ zu kommen: Ornat gebürstet, Kreuz poliert, Stola richtig gewickelt. Wie steht es mit euch? Kluft gerichtet? Hemd drin? Knöpfe zu? Tuch richtig gewickelt? Ich bin beeindruckt – und wünsche euch, das ist ja heute das Wichtigste: Viel Glück und viel Segen, liebes Geburtstagskind. Und ehrlich: Ihr seid ein Schatz für unsere Nordkirche, 20 Jahre nun schon. Und ich bin Gott von Herzen dankbar dafür, dass es euch gibt!
Denn was ihr alles zu geben habt – fröhlich, gewitzt, kreativ und sensitiv – das ist ja in den fünf Geschichten eben so klar geworden! Und auch, was ihr selbst als Schatz empfindet, hat uns beim Zuhören eben reich gemacht. Es ist, als wäre tatsächlich die „neue Welt“ hier Wirklichkeit geworden. Als wäre – so heißt es in der Bibel auch - ein bisschen Himmelreich auf die Erde gekommen: mit dieser Gemeinschaft hier. Mit so vielen heute! Mit dem Singen. Der Freude. Der Ernsthaftigkeit auch, mit der ihr euch für Gerechtigkeit einsetzt. Und für die Natur. Für Menschrecht und Friedensliebe. Und für die, die Zuflucht suchen.
Denn darum geht‘s an Pfingsten. Dass jede und jeder davon erzählt, was ihn dankbar macht, was er oder sie geben und tun möchte und wo sein Schatz gerade liegt. Oder vielleicht sitzt dein Schatz gerad neben dir? Jeder erzählt‘s in seiner Sprache, mit seinen Worten – so war es auch vor 2.000 Jahren. Das war damals ein Durcheinander, das könnt ihr euch überhaupt nicht vorstellen! Und dennoch haben sie sich tatsächlich verstanden! So auch hier: Jeder kommt mit seinen eigenen Träumen und seiner eigenen Geschichte. Ganz wunderbar durch die Macht des Geistes werden ein gemeinsamer Traum und eine gemeinsame Geschichte daraus.
Pfingsten, das ist der Geburtstag dieser großen Gemeinschaft, die wir Kirche nennen. Und diese Gemeinschaft, das sind zum einen all die Ehrengäste – ein herzliches Willkommen Ihnen allen. Und das sind wir, die wir hier ganz da sind: Die drei P‘s –Pfadfinder, Pastoren, Pröpste. Und einer, den ich einmal besonders nennen möchte, weil er als einer der Gründerväter in den 20 Jahren so vieles in dieser Arbeit geprägt hat: Uli Schwetasch (Applaus).
Alle sind wir unterschiedlich, jedoch verbunden durch Lieder und Geschichten und einen gemeinsamen Geist. Zugleich sind wir verbunden mit denen, die heute nicht hier stehen, mit Christinnen und Christen in aller Welt, in reichen und armen Ländern, in Ländern, in denen Kriege und Terror toben. Eine Gemeinschaft, ein Geist. Und schließlich, und das wird oft vergessen: Wir sind ja auch verbunden mit denen, die vor uns gelebt und geglaubt haben und mit denen, die nach uns kommen werden. Denn Kirche, das ist auch eine Weggemeinschaft durch die Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch.
Ganz besonders klar wird das genau an diesem Ort. Vor nämlich fast 1.000 Jahren lebte hier ein 15-jähriger Junge mit Namen Answer, auf Lateinisch "Ansverus". Er war der Sohn einer reichen und mächtigen Familie. Und natürlich sollte er ein Ritter werden wie sein Vater. Das sind eben so die Wünsche, die Eltern für ihre Kinder haben: Arzt, Apotheker, Ritter. Die Träume der Kinder sehen aber manchmal anders aus, so auch bei Ansverus. Er weigerte sich, den Umgang mit der Waffe zu lernen. Denn eines Nachts hatte er einen Traum. Er träumte, dass er Gott dienen wollte bis ans Ende seines Lebens. Er wollte Gutes tun. Dem Leben dienen und nicht dem Tod.
Fast tausend Jahre ist das jetzt her, und trotz allem was sich in dieser Zeit geändert hat – das ist doch gleich geblieben: Menschen haben Träume und gehen los, sie suchen ihren Weg, finden dabei verborgene Schätze – dort, wo sie sie nicht vermutet haben. Und Frieden, das ist ein Traum, den Gott sei Dank immer noch viele Menschen haben. So ja auch ihr. Und angesichts der großen Not in Syrien und im Irak und in der Ukraine dürft ihr euch diesen Traum von niemandem ausreden lassen!
Die verstörte Welt braucht unseren Traum von einer gerechteren Welt. Denn wer träumt, sehnt sich. Der bleibt nicht stehen, sondern will etwas verändern. Liebe Pfadfinder-Gemeinde, es ist höchst Zeit, dass wir etwas tun gegen die Not so vieler Menschen, denen es mangelt an Lohn und Brot, aber auch an Anerkennung und Zugehörigkeit. Es ist dran – und so richtig! -, dass wir die Türen und die Herzen öffnen für Flüchtlinge, die in unser Land kommen. Und es ist dran, laut und vernehmlich den Hassrednern unserer Tage die Stirn zu bieten und Nein zu sagen: „Nein zu Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit!“
Wichtig dabei ist, dass jeder den Weg findet, der zu ihm oder zu ihr passt. Aber das brauche ich euch als Pfadfindern und Pfadfinderinnen wohl nicht zu erzählen. Ansverus jedenfalls verließ das Haus seiner Eltern und wurde ein Mönch, hier in Ratzeburg, im Georgskloster. Er tat dort viel Gutes, es heißt, dass er freundlich war und gerecht, und so wurde er bald zum Abt gewählt. Aber dann wurde das Kloster eines Tages überfallen, Ansverus und 18 seiner Freunde wurden gefesselt und entführt und schließlich hierher gebracht nach Einhaus. Und hier wurden sie getötet, einer nach dem anderen. Ansverus bat die Mörder darum, dass er als letzter an die Reihe kommen möge. Warum? Weil er so die anderen noch trösten und für sie beten konnte. Schließlich fiel auch er, 28 Jahre alt, fast auf den Tag genau vor 950 Jahren. Und so lang dies her ist - seine Geschichte ist hochaktuell. Sie wiederholt sich, vielleicht gerade jetzt - in eben Syrien, im Irak, in Nigeria. Furchtbar.
Aber da lebt in mir, in uns doch!, dieser Traum, dass sich auf dieser Welt selbst dort etwas zum Besseren wendet. Dass Jugendliche sich weigern, Waffen zu tragen. Dass viel mehr Kinder weltweit dreimal täglich eine Mahlzeit bekommen. Dass jeder Mensch einen Schatz hat, der ihn dankbar macht. Volksverhetzer werden ausgelacht in diesem Traum. Nörgler umarmt. Junge Menschen suchen soziale Aufgaben – und finden sie. Die Menschen des Glaubens beten in allen Sprachen und verstehen immer Frieden! Als Kirche sind wir eine große und weltweite Gemeinschaft, 2.000 Jahre alt, da müsste man doch einiges davon hinbekommen?
Und ich schaue euch an, hier an diesem Ort. An dem vor fast 1.000 Jahren Ansverus seinen eigenen mutigen Weg ging. Und ich bin bester Hoffnung. Und froh, dass es euch gibt. Gerade so. Mit eurer Offenheit und „zuen“ Knöpfen. Eurem Gebet. Mit Eurem Lachen. Und Euren Träumen! An dem uralten Baum unserer Kirche seid ihr mit 20 Jahren der jüngste Zweig. Heißt: ihr seid diejenigen, die ins neue Jahrtausend aufbrechen. Auf Eure Art könnt ihr so viel bewegen: digital vernetzt, grenzüberschreitend, mit neuen Liedern, und dabei immer – das wünsche ich euch - fest verwurzelt in unserem alten, immer jungen Glauben daran, dass Gott die Liebe liebt und das Leben.
So geht euren Weg und liebt auch ihr. Dass die neue Welt wahr wird und der Himmel auf die Erde kommt. Und seid sicher: Gott geht mit.
Und sein Friede, höher als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.