Impulsvortrag von Bischöfin Kirsten Fehrs beim Politischen Frühstück des Wirtschaftsrates der CDU
22. Mai 2012
"Seid allezeit bereit zur Verantwortung" (1 Petr 3,15) Theologische Aspekte einer evangelischen Wirtschaftsethik
Liebe Mitglieder des Wirtschaftsrates und liebe Gäste, es ist früh am Morgen und ich komme Ihnen gleich mit einer Aufforderung: „Seid allezeit bereit - zur Verantwortung.“ Hier bin ich Ihnen wohl manch Erklärung schuldig, bevor ich Sie als Bischöfin in die Verantwortung nehmen kann. Diese kommt auch gleich.
Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass ich mich über die Einladung sehr gefreut habe. Denn die Wirtschaft ist ja nicht allein Ökonomie, sondern zugleich verantwortungsvolle Kraft zur Gestaltung unserer Gesellschaft. Und wir als Kirche verstehen uns ebenfalls nicht allein als Religionsgemeinschaft, sondern als eine Institution, die in diese Gesellschaft mit hineinwirken will und Verantwortung übernimmt. So gesehen sitzen wir also in einem Boot. Ein Boot, das nicht nur Hamburg, sondern Erde heißt. Ein Boot eben, das uns gemeinsam in die Verantwortung nimmt, es möglichst heil durch die Widrigkeiten globaler Zeitläufte hindurch zu bringen.Wunderschön hat dies ein Poet auf den Punkt gebracht – und auch wenn ich vermute, dass es hier etwas ungewöhnlich ist, möchte ich gern meinem Vortrag sein Gedicht voranstellen:
Rudern zwei – von Reiner Kunze
Rudern zwei
Ein Boot,
der eine kundig der Sterne,
der andere kundig der Stürme
wird der eine führn durch die Sterne
wird der andere führn durch die Stürme
und am ende
ganz am ende
wird das meer in der Erinnerung
blau sein.
Ein schönes Bild, finde ich. Denn es geht hier nicht um verzweifeltes Rudern. Sondern um die Aussicht, dass das Boot heil bleibt. Weil die einen vielseitig kundig sind der Stürme – wie Sie es aus meiner Sicht sind; die Finanzkrise im vorletzten und letzten Jahr ist ja ein Beispiel dafür. Und wir, wir sind ganz sicher kundig der Sterne – nicht als Astrologen, Gott bewahre. Sondern in dem Sinne, dass wir von einem Himmel erzählen, der uns wie ein weites Zelt in ein größeres Ganzes aufnimmt. Jeden Menschen, ganz individuell. Mit allen nur möglichen existentiellen Fragen. Was wären wir ohne diesen Himmel, der uns deshalb Orientierung gibt, weil er gerade über das hinausweist, was wir selbst wissen und uns geben können…Was wären wir ohne Segen und Kraft, die nicht aus uns heraus kommt, was wären wir ohne Freiheit?
1. Christliche Freiheit begleitet unser Handeln
Jeder Mensch, ganz individuell - das ist ein erstes elementares Stichwort unseres evangelischen Selbstverständnisses. So beginne ich den Vortrag über theologische Aspekte einer Wirtschaftsethik bei der Freiheit des einzelnen Menschen. Alles fängt beim Einzelnen an. Also bei Ihnen und bei mir. Geschaffen sind wir als Ebenbilder Gotte, so die grundlegende Schöpfungstheologie. Jeder und jede für sich steht damit zunächst einmal im Verhältnis, im Gegenüber zu Gott. Und daraus folgt nach unserer Überzeugung weiter: Nicht wir Menschen befinden über den Wert unseres, überhaupt eines Lebens. Was wäre das auch, mit Verlaub, für ein eingeschränkter, weil immer nur partiell gerechter, partiell kluger, interessengesteuerter Maßstab?! Gott ist es vielmehr, der jedem einzelnen Mensch seinen Wert verleiht – aus Gott selbst heraus eben: unabhängig von Geschlecht, Handicap, unabhängig von gesellschaftlichem Ansehen oder individuellen Vermögen. Die Rechtfertigungslehre setzt das fort: Nicht unsere Leistung, nicht was wir erwirtschaften und uns erarbeiten, entscheidet über unseren Wert. Vielmehr wird uns der von Gott zugesprochen. Theologisch gesagt: Allein aus Gnade lebt der Mensch. Und diese Gnade ist maßlos, weit wie das Meer. Jeder einzelne Mensch ist deshalb unendlich wertvoll, darauf angelegt, dies auch maßlos freundlich dem Nachbarn zu unterstellen und ihn entsprechend zu würdigen. Konkurrenz ist in diesem Menschenbild also gar nicht vorgesehen und hat, wenn sie dennoch passiert wie etwa bei Kain und Abel, furchtbaren Brudermord zur Folge. Heißt: Der oder die Einzelne ist geschaffen für eine Gemeinschaft, die alle zu ihrem Recht kommen lässt. Die die individuelle Freiheit nicht als Kontrapunkt, sondern als Teil der Gemeinschaft versteht. Auch das ist schöpfungstheologisch angelegt: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde und siehe er schuf sie als Mann und Frau. Der Mann, die Frau wird zum Menschen im Verhältnis, im Gegenüber zum anderen. Identität entsteht aus dem Dialog. Und diese alte weise Theologie findet ja durchaus auch in unserer täglichen Erfahrung Anhalt: Nichts doch macht unsicherer und unklarer, als wenn die eigene Rede, das eigene Tun ohne Resonanz bleibt. Wort ohne Ant-wort mono-logisiert, wirft den Menschen auf sich selbst zurück und macht ihn einsam. Und dieses nur- auf-sich selbst-Bezogene ist eine besondere Form der Gefangenschaft und macht unerhört unfrei. Deshalb gibt es „Freiheit nur in Ver-Antwortung“. Eine Chiffre ist dies inzwischen geworden und hat doch genau besehen so viel Tiefgang.
Verantwortung ist also kein moralischer Appell, sondern sie ist die natürliche Folge der Erfahrung, gehört, gesehen, akzeptiert zu sein. Von anderen. Vor allem aber von Gott. Und jetzt wird es spannend: Christliche Freiheit unterscheidet sich genau hier von wirtschaftlicher oder politischer Freiheit. Glaubensfreiheit verhilft nämlich dazu, kluge Entscheidungen in gelassener Distanz zu sich selbst treffen zu können. Weil sie eben eine »kommunikative Freiheit« ist, Wort und Antwort kennt und sich in Ver-Antwortung vor Gott wie vor den anvertrauten Menschen versteht. Deshalb kann sie auch von sich und inneren Zwängen und Sorgen absehen. In einer nach wie vor unübertroffenen Weise hat Martin Luther dies auf den Punkt gebracht: »Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan – Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.« Der Christenmensch trifft mit Gottvertrauen vernünftige Entscheidungen, die er mit seinem ausgebildeten Gewissen vereinbaren kann. Heißt: „Entscheidungen nicht zuvorderst für den eigenen Nutzen, sondern um auch anderen ein gutes Leben zu ermöglichen.“ (aus der EKD-Schrift: Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive, S. 42)
Soweit, so gut?
Oder sagen Sie jetzt: So theologisch – und so unrealistisch?
2. Über die Rolle der Kirche in der Gesellschaft
Als Vorgesetzte, als Vertragspartner, als Kollegen, als Gestalterinnen und Gestalter in dieser Gesellschaft stehen Sie jeden Morgen vor der gleichen Herausforderung wie ich. Wie kann`s gelingen? Wie können Ziele einerseits und Maßnahmen andererseits sich so entsprechen, dass sich unterm Strich Erfolg einstellt? Wobei „Erfolg“ von seinen Merkmalen her bei uns in der Kirche sicher etwas Anderes sein dürfte als bei Ihnen - schlicht, weil wir als Kirche kein Produkt haben und keine „Kunden“. –
Exkurs: Das sei an dieser Stelle nebenbei einmal eingeflochten: Ich habe von der Organisations- und Personalentwicklung in Unternehmen sehr viel gelernt, finde vieles auch übertragbar oder zumindest hilfreich. Doch ganz sicher ist auch, dass wir vor allem darin eine Non-Profit-Organisation sind: die Botschaft des Evangeliums ist kein Produkt. Schon gar keines, das lediglich ein Marketingkonzept braucht, damit alle gleichermaßen wissen, dass da auch was drin ist und nicht nur etwas draufsteht. Die Botschaft heißt: lebendige Beziehung. Sie versucht Menschen zu erreichen, die verstört, tieftraurig, erschüttert sind oder im Gegenteil: glücklich über die gesunde Geburt des Kindes und Enkelkindes und glücklich über die Liebe. Aufmerksamer müssen wir in der Kirche sicherlich in der Sprache sein, also in der Vermittlung dieser Herzensnähe. Ebenso auch in der Qualität unseres Angebotes. Doch alles, was recht ist: Kundenservice sollte man das nicht nennen. Zurück zum Thema:
Wie kann es gelingen? Zugespitzt gefragt: Wie können wir in Kirche und Wirtschaft deutlich werden lassen, dass das, was wir tun, nicht reiner Selbstzweck ist, sondern dem Gemeinwohl zugute kommt?
Eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist die soziale Spaltung in unserem Land – verursacht durch oder verbunden mit sich immer stärker verändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozessen. Und hier haben wir gemeinsam eine Aufgabe, insbesondere in Hamburg, als Unternehmen, Institutionen, Organisationen, Politik und Kirchen. Es muss uns gemeinsam gelingen, dass möglichst wenig auf der Strecke bleiben. Dass eigentlich jeder und jede in unserer Stadt mit dem Gefühl am Morgen aufsteht, bis zum Lebensabend gebraucht und gewollt zu sein.
Wir sitzen hier gemeinsam im Boot, das wird mir immer deutlicher. Wenn auch vielleicht mit unterschiedlichen Rollen. Rollen jedoch, die sich ebenfalls verändern.
Die Funktion von Kirche ist ja traditionell die der Mahnerin – zugegeben eine wichtige Rolle innerhalb einer immer traditionsungebundeneren Gesellschaft. Einer Gesellschaft auch, die seit Jahren eine eigentümlich „fleischlose“, weil ziellose Wertedebatte führt. Es braucht uns also als Instanz, die sich einmischt, wenn die Würde von Geschöpfen und Schöpfung gefährdet ist. Wenn Zäune errichtet werden, symbolisch und real, wenn religiöse Intoleranz einher geht mit rechtsradikalem Gedankengut, wenn Pränataldiagnostik ethisch fragwürdig praktiziert wird, wenn Klimagesichtspunkte nicht nachhaltig berücksichtigt werden und wenn nicht mehr fein unterschieden wird zwischen Sterbebegleitung und Sterbehilfe. Und last, but not least ist es immer wieder nötig, der Sonntagsruhe das Wort zu reden – für wohltuende Stille in einer klangtosenden Welt einzutreten und für die heilsame Unterbrechung des Alltags. Schlicht deshalb, um die Seelen nicht im Hamsterrad immer größerer Beschleunigungen schutzlos auszuliefern. Der Sonntag ermöglicht es uns, uns neu zu orientieren, unseren Lebenssinn und unsere Lebensgewissheit zu stärken. Und dementsprechend haben kirchliche Stellungnahmen und Anfragen generell die Aufgabe, in Frühstücksrunden wie diesen Wirtschaft und Gesellschaft interessiert danach zu befragen, was ihnen als Sinn und Ziel zugrundeliegt. Das alles umfasst die Rolle der Mahnerin Kirche. D´accord. Und ich denke, letztlich erwarten Sie dies von ihr, respektive von mir auch.
Doch – ehrlich gestanden – allzu sehr müssen wir die Rolle nicht strapazieren, meine ich. Denn das, was ich von diversen Wirtschaftsunternehmen hier in Hamburg in direktem Kontakt bisher erlebt habe, hat mich immer wieder positiv beeindruckt. Nicht zuletzt die Arbeit am Runden Tisch St. Jacobi zusammen mit der Handelskammer hat mir gezeigt, dass es längst ein vielfältiges Engagement gibt, Profit und Gemeinwohl wenn schon nicht in ein Gleichgewicht, so doch wenigstens in ein Verhältnis zu bringen. Und dies durchaus auch aus dem Motiv der Nächstenliebe heraus. Gut hamburgisch nicht so „gefühlig“, aber allemal reell. Ehrbar. Sicherlich geht da immer noch mehr; aber auch dies muss ja einmal gewürdigt sein: Dass es viele gibt, die das Gute, was sie erlebt haben, zurückgeben wollen. Dass sie für soziale, kulturelle und stadtteilbezogene Projekte spenden und immer ansprechbar sind dafür, Not zu lindern, wenn sie wirklich zu lindern ist. Und dies übrigens durchaus klimabewusst...
Meinem Eindruck nach ist hier – siehe auch die vielen Stiftungen – großes Potential, es bräuchte jedoch mehr Vernetzung. Steuerung. Verklammerung von gutem Projekt und gutem Geld. Und das ist weit mehr als „Sponsoring“. Es ist eben die Haltung, etwas Sinnhaftes tun zu wollen, indem das Wachstum von anderen gelingt. Es ist die Haltung, sozial eingebunden zu leben. Nicht: Reich, aber einsam. Sondern vermögend in jeder Hinsicht. Und alles was recht ist: Da rudern dann doch wirklich zwei in einem Boot. Der eine kundig der Stürme, die andere kundig der Sterne…
3. Der Mensch im Widerspruch
Was ich nun in Gesprächen ebenfalls wahrnehme, ist die Verstrickung in Dilemmata. Als würde das alles so einfach gehen mit der Nächstenliebe, wenn man doch zugleich den eigenen Nutzen im Auge behalten muss. Es gibt innere Konflikte, Dilemmata eben, die sich einer leichten Lösung entziehen. Und darin muten wir Protestanten von unserem Menschenbild her jedem und jeder zu, auf dem Fundament christlicher Grundlagen zu eigenen, verantwortlichen Entscheidungen zu kommen. Und das beinhaltet, Widersprüchliches nicht vereinfachen zu wollen. Spannungen auszuhalten. Konflikte benennen. Ich bin überzeugt, es hilft nicht sie zu verdrängen. Zu verschweigen. Sie umgehen zu wollen. Das macht nur aggressiv. Vielmehr braucht Ärger Luft. Konflikte müssen sozusagen auf den Frühstückstisch, um sie reell bearbeiten zu können. Dies gilt für eine wertschätzende und angemessene Mitarbeiterführung ebenso wie für die großen Fragen, die uns als Stadt beschäftigen. Zum Beispiel, wie genügend Ausbildungsplätze für alle Jugendliche vorgehalten werden können. Die Arbeitgeberverbände sagen: Wir würden ja gern (was nicht jeder glaubt), doch wir können oft nicht – weil manche Jugendlichen schwierig in einen Betrieb einzubinden sind, aus welchen Gründen auch immer. Ein Dilemma, das offenbar vorgestern bei der Einigung von IG Metall und Arbeitgeber eine gute Grundlage zur Bewältigung fand. Dennoch: Man sitzt schnell zwischen Stühlen. Bei Krankenhäusern konfessioneller Trägerschaft z.B. sind es derer drei: Zwischen Medizintechnik, Kostendruck und Nächstenliebe.
Das kleine Wort "Zwischen" ist hier das Entscheidende. Denn ein Dilemma ist ein einziges Dazwischen. Zwischen Stühlen ist man hin- und hergerissen, die alle wichtig sind gleichgewichtig zu besetzen, sonst fällt man. Entweder ins Minus oder vom Glauben ab. Ich denke, dass man akzeptieren lernen muss: Egal, was und wie man`s macht, es wird immer eine Schattenseite geben und „suboptimal“ bleiben. Es gibt keine leichten Lösungen ohne Nachteile oder Gefährdungen. Ethisches Handeln ist insofern immer geprägt vom Abwägen zwischen ökonomischen, sozialen und zunehmend auch ökologische Interesse.
Glauben heißt an dieser Stelle, dass wir dafür eine Sprache anbieten, dies zu benennen. Um zu verstehen, braucht es Räume für den Diskurs. Und die würden wir gern zur Verfügung stellen,´wir sind bereit… Zum Beispiel zu einem Diskurs darüber, welche ethischen Grenzen sich aus christlicher Betrachtung nahelegen.
4. Grenzen einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise
Grenzen sind dort überschritten, wo Lebensbereiche einer ausschließlich wirtschaftlichen Betrachtungsweise unterworfen werden. Denn unternehmerisches Handeln ist eine lebensdienliche Aktivität in der Schöpfung Gottes neben anderen. So ist auch im Tätigsein als ökonomischem Faktor immer schon der nichtökonomische Aspekt, die begrenzende Ruhe mitgegeben.
Ich möchte das an drei Beispielen veranschaulichen:
a) Vom Umgang mit Mitarbeitenden
Unternehmen produzieren aufgrund der Marktkonkurrenz unter ständig sich verändernden Bedingungen. Doch das müssen die Mitarbeitenden auch mittragen können. Sie müssen auch in der Veränderung identifiziert arbeiten können. Heißt im Rahmen der Personalentwicklung darauf zu achten, dass sowohl Flexibilität – Freiräume – gewährt sind. Zugleich aber braucht es Stabilität. Klarheit in den Leitungsstrukturen. Und Ruhe für die Würdigung des Menschen. Was wohlgemerkt nicht meint: Lobhudelei. Sondern Wahrnehmung, Anerkennung, Konkretion in der Kritik. Denn Mitarbeiter/innen – so die EKD Unternehmens-Denkschrift - sind „kein Mittel zu Zweck“, sondern haben eine „unverrechenbare“ Menschenwürde (S. 53). Und deshalb ist es ein Unding, wenn etwa Großunternehmen so genannte »Restrukturierungen« vornehmen und es nicht einmal für nötig befinden, die betroffenen, oft langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Gründe persönlich aufzuklären.
b) Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben im eigenen Unternehmen
Familienfreundlichkeit als Teil der Unternehmenskultur hat sehr viele Facetten. Nicht allein für Frauen – und da liegt ein erstes Thema. Dass z.B. vergleichsweise wenige Väter die Elternzeit nutzen, ist für das soziale Gesicht einer Gesellschaft von Nachteil. Denn es zeigt sich evident, dass die Verantwortung beider Eltern für ein Kind für alle ein Gewinn ist – und sei es für die persönliche Reifung. Warum dann eigentlich nicht auch für die Reifung eines Unternehmens? Und das beinhaltet mehr als verschiedene Modelle der Teilzeit, die es den Beschäftigten ermöglicht, aktiv im Beruf zu bleiben und den Anschluss nicht zu verlieren. Entscheidend ist vor allem eine Unternehmenskultur, die grundsätzlich einschließt – inkludiert -, statt ausschließt. Deshalb:
c) Bildungsförderung auch für die Schwächeren
Die Reformation hat eine der größten Bildungsreformen in der deutschen Geschichte angeschoben. Sie war und sie ist ein einziger emanzipatorischer Impuls. Ihr Ziel: Menschen zu befähigen, mündig und damit auch urteils- und sprachfähig zu werden. Rede und Antwort, zur Verantwortung stehen. Lesen lernen in allen Ständen, für Jungen und für Mädchen, das war eine revolutionäre Bildungsinitiative, der wir uns heute noch verpflichtet fühlen. Wir brauchen Bildung, um eigene verantwortliche - und ich würde heute betonen, demokratische – Entscheidungen treffen zu können. Wir brauchen eine gute Bildung, um den Weg in den Beruf und damit in die Selbstverantwortung zu finden. Und weiter: im Beruf, egal in welcher Aufgabe wir stehen, brauchen wir Weiter-Bildung, um den sich ständig verändernden Anforderungen Rechnung tragen zu können. Als Kirche sind wir bereit, auch hier Verantwortung zu übernehmen und erleben, dass unsere Schulgründungen in den unterschiedlichen Stadtteilen auf großen Zuspruch stoßen. Doch auch hier ein Dilemma. Wir wollen keine Zwei-Klassengesellschaft. Wir wollen vielmehr gute Bildung für jedes Kind, weil wir wissen, dass das der Schlüssel zur Eigenständigkeit ist. Doch in der Praxis ist das nicht immer leicht umzusetzen – ist es nicht leicht, dass aus privaten nicht elitäre Schulen werden.
Für ein solch komplexes Thema wie die Bildung, die Ausbildung in Hamburg, brauchen wir starke Bündnisse, in denen gesellschaftliche Kräfte - wie Schulen, Wirtschaft, Gewerkschaften, Sozialverbände, Hochschulen etc. – gemeinsam daran arbeiten müssen, dass wir so wenig Kinder und Jugendliche wie möglich auf dem Weg verlieren. Die Zahl der Schulabbrecher muss uns besorgt sein lassen. Wir haben hier ein gemeinsames Problem. Und so ist Bildung ein Zukunftsthema par excellence und obendrein ein besonders evangelisches Thema. Daher wird sie auch in den Grundartikeln unserer Nordkirchenverfassung genannt. Bildung ist hier verstanden als Heraus-Bildung dessen, was in einem an Gaben und Talenten steckt. Dies nun geschieht immer im Austausch und Gespräch, im Reden und Antworten; und damit, meine Damen und Herren, sollten wir nun sofort anfangen.
Ich danke Ihnen.