22. September 2023 | Lutherkirche zu Lübeck

Interkulturalität und Kirche – Chancen erkennen, Herausforderungen bewältigen

22. September 2023 von Kirsten Fehrs

Grußwort der Fachtagung

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der interkulturellen Kirchenentwicklung,

ich freue mich sehr, heute als Gast bei dieser Veranstaltung, die von unserem neuen „Referat Interkulturelle Kirchenentwicklung der Nordkirche“ sehr intensiv vorbereitet wurde, dabei sein zu dürfen – allemal an diesem besonderen Ort.

Denn diese Kirche, die mit den vier Lübecker Märtyrern in besonderer, ökumenischer Weise daran erinnert, wohin Menschenverachtung, Rassismus und völkischer Nationalismus führen können. Sie ist ein würdiger Ort für das Nachdenken über Interkulturalität in, mit und für eine Kirche, die sich einerseits selbstkritisch mit ihrer Tradition befasst und befassen muss. Diese Lutherkirche steht dafür. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der vier Märtyrer als couragierte Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus, die in Hamburg 1943, vor fast genau 80 Jahren, hingerichtet wurden, mahnt eben auch als Erinnerungskultur: Nie wieder ein Kreuz mit Haken. Eine so wichtige Botschaft in diesen Tagen!

Andererseits zeigt dieser Ort des Nachdenkens, dass Kirche semper reformanda, dass sie nur dann Kirche ist, wenn sie sich in Frage zu stellen vermag und eben nicht eine in Tradition erstarrte, sich selbst genügende Institution wird. Sondern die gerade aus ihrer biblischen Tradition heraus sich ihrer Weltverantwortung zu stellen hat.

Und dazu habe ich über die vergangenen Jahre diese Arbeit an interkultureller Öffnung oder besser jetzt: Kirchenentwicklung als einen echten Aufbruch erlebt. Denn es geht ja nicht etwa um eine Weiterentwicklung von Altbewährtem, was immer schon da gewesen wäre, nur mit anderem Konzept, sondern um einen Paradigmen- und Perspektivwechsel. So stellt sich grundlegend die Frage, wenn die Kirchenleitung der Nordkirche das Konzept zur Umsetzung in Gemeinden und Einrichtungen 2019 verabschiedet hat unter dem Titel „Interkulturelle Öffnung“: Wer öffnet da eigentlich wen wohin? Respektive: Wessen Augen werden geöffnet? Für Diskriminierung, Ungerechtigkeit, für die gerade nicht sicheren Orte im eigenen Haus? Und das nun wiederum ist nicht für lau.

Wir erleben in den letzten Jahren, aber auch in unseren eigenen Reihen immer mehr, wie nötig es ist, sich mit Interkulturalität und darin besonders mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen. Haben wir doch auf einer Landessynode zu diesem Thema im September 2021 gemerkt, wie viele sogenannte „blinde Flecken“ – besser sagt man „weiße Flecken“ – uns da verunsichern. Als Kirche mit ihrer Missionsgeschichte. Aber auch als einzelne, die wir eigentlich ja aufmerksam, kultursensibel, religionssensibel, überhaupt sensibel unterwegs sein wollen.

Und es ist euch, lieber Nicolas Moumouni und deinen Mitstreiter:innen, zu verdanken, dass ihr ganz konsequent, ohne Vorhaltungen (die zudem meist nicht fruchten), eine Haltung der Achtsamkeit fördert. Und das ist nichts weniger als eine Lernbewegung, bei der man die Fehler eben nicht vorhält, sondern aus ihnen lernt.

Denn es geht mit um das Wichtigste von Kirche überhaupt, ja um den Kern christlicher Theologie: Safer Spaces. Orte des Vertrauens, des Schutzes und der Heilung, für die der Jesus der Bergpredigt lebte und litt. Und diese Schutz- und Freiräume entstehen nur, wenn Menschen sich mit aller Wachheit einsetzen. Für Verfolgte und geflüchtete Menschen, klar. Aber auch für die, die mit ihrer Kultur, ihrer Sexualität, ihrem Sosein, ihrer Identität Diskriminierung erfahren.

Ein umfassendes Sensibilisierungsprogramm haben wir uns da gemeinsam vorgenommen, wissend dass eine Kulturveränderung immer seine Zeit dauert.

Mir ist das auch deshalb so eminent wichtig, dass hier die Nordkirche klaren Kurs fährt, weil es genau auf ihrem Areal bereits mörderische Anschläge von Rechtsextremen gegeben hat, die als Erinnerungskultur immer wieder anmahnen, wach zu bleiben.

Just jährten sich die abgründigen Anschläge in Mölln, Lichtenhagen, Lübeck, in denen der Hass gegenüber so genannten ausländischen Menschen furchtbaren Tod, Qual und Trauer für viele brachte. Und es ist wichtig, dass wir als Kirche nicht allein unsere Solidarität ausdrücken. Sondern dass wir, als wichtige zivilgesellschaftliche Mitspielerin, darüber nachdenken, wie klar wir selbst positioniert sind. Das ist eine Haltung der Selbstreflektion, die in die Tiefe geht. Gibt oder gab es in unserer Kirche Rassismus – wie ungewollt und verdeckt auch immer? Wie haben wir selbst zu Kolonialismus und Rassismus beigetragen? Welche Möglichkeit haben wir heute, in den gesellschaftlichen Diskussionen eine Position zu übernehmen, die wirklich Gerechtigkeit und Menschenwürde in den Mittelpunkt rückt?

Mit diesen Fragen wird schon deutlich, dass der Fokus der Interkulturellen Kirchenentwicklung auf Menschen mit unterschiedlicher ethnischer Nationalität und Sprache liegt. Mit dem Ziel, dass sie sich ohne äußere Hindernisse und innere Vorbehalte kirchlich einbringen und mehr noch: über ihre Gestalt mitbestimmen können. Das schließt die Zusammenarbeit mit Menschen anderer religiöser Traditionen ausdrücklich mit ein. Zumal die Erfahrung zeigt, dass die Arbeit mit Menschen unterschiedlichster Herkunft uns alle wahrlich nicht dümmer macht.

Das gilt im säkularisierten Kontext übrigens auch für die religiös Distanzierten. Ziel ist eben gerade nicht eine so verstandene Integration, die von der „Eingliederung“ einer Minderheit in eine Mehrheitsgesellschaft ausgeht. Vielmehr geht es um akzeptierte Vielfalt in einer pluralen Gesellschaft, ja um eine Gemeinschaft des Lebens und Glaubens, in der Menschen mit internationaler Geschichte und Erfahrung gleichberechtigt teilhaben und repräsentiert sind, eben als neue Einheit der Vielfalt in Christus. Es gilt den Glauben zu teilen wie das Brot – auch über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg.

Ich bedanke mich sehr bei Nicolas Moumouni und dem Team, all denen, die diese Veranstaltung mitvorbereitet haben und sie durchführen, moderieren und Thementische leiten. Ich bedanke mich auch bei Ihnen, all den wichtigen Akteur:innen unserer Landeskirche, Pastor:innen, Synodale, Hauptbereichsleitende, Kolleg:innen aus Diensten und Werken, sowie bei den Gästen aus anderen Landeskirchen. Und ich danke den Gästen aus der Zivilgesellschaft für Ihr großes Interesse.

Ich hoffe sehr, dass vom heutigen Tag fruchtbare Gedanken, Impulse und Aktionen ausgehen, und dass diese uns helfen als Nordkirche sensitiv und aufrichtig eine Position zu vertreten, die unserem Glauben Glaubwürdigkeit gibt. In diesem Sinne wünsche ich uns einen anregenden und erfolgreichen Fachtag! Vielen Dank!

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