5. Juni 2015 | Stuttgart, Stadtgarten

Jeder von Euch ist mir heilig

05. Juni 2015 von Kirsten Fehrs

Tischrede zum Familienfeierabendmahl mit Kind und Kegel beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart

Liebe Kinder, liebe Erwachsene, liebe alle,

liebt ohne Vorurteile, haltet euch das Böse vom Leib, haltet zusammen, seid nicht träge, freut euch, betet, teilt, haltet durch – Junge, Junge, mal in einem Rutsch gelesen, klingt der Brief von der „Mamma“ aus Rom und dem Papa Paulus (Dies bezieht sich auf die vorangegangenen Szenen des Clowns Massimo und der Clownin Gloria, die den Text aus dem Römerbrief höchst vergnüglich ausgelegt haben.) auch ein bisschen streng, nicht wahr? Tut dies, lasst jenes! Aber auch tolle Sätze sind dabei: Werft euch der Guten in die Arme! Übertrefft euch gegenseitig darin, also: Tut alles dafür, einander zu achten. Liebzuhaben. Das ist schön.

Und ich habe mich gefragt: Wie hört Ihr solch einen Text eigentlich? Vor allem ihr Kinder? Also habe ich zur Vorbereitung auf meine kleine Tischrede mal junge Fachleute von 9, 11 und 12 Jahren gefragt: Welche Aufforderung findet ihr besonders gut? Und welche gefällt euch überhaupt nicht?

Das war total interessant. Gar nicht gefallen nämlich hat ihnen übereinstimmend (!): „Nehmt Fremde auf.“ Hä? Bloß nicht. Wir sollen doch nicht mit Fremden mitgehen oder uns von ihnen ansprechen lassen, und schon gar nicht sollen wir ihnen die Tür aufmachen!

Oder meinst du vielleicht Flüchtlinge? Ja natürlich – logisch. Das ist ja völlig richtig! Und ich habe wieder einmal festgestellt, dass dieses Thema die Kleinen wie die Großen in unserem ganzen Land tief bewegt. Dass sozusagen die Herzenstür bei vielen ganz offen ist. So viele wollen helfen und etwas geben. Essen. Spielzeug. Freundschaft, die ist wohl das wichtigste. Und mal ehrlich: Hat nicht fast jede Familie hier so viel in ihren Zimmern, Schränken und Garagen, dass sie mühelos eine Flüchtlingsfamilie mit dem Nötigsten ausstatten könnte? Mit Bettwäsche, Lampen, Stühlen, Kuscheltieren, T-Shirts? Und damit meine ich nicht, dass man das einfach irgendwo abliefert. Nein – Freundschaft hat ja etwas Beziehung zu tun, damit, jemanden zu mögen. Und so gibt es viele Kirchenleute in unserem Land, die sich an einen Tisch setzen und nachdenken, wie man das am besten macht. Runde Tische, die auch Ecken haben wie hier, logisch. Wo man nachdenkt z. B., wie man teilt, und zwar nicht nur Sachen, sondern auch das Brot des Lebens. Meint: Achtung. Respekt. Zuneigung. Wo man Gemeinsamkeiten sucht und miteinander spricht, wenn man anderer Meinung ist. Alles eben, was es braucht, um Freunde zu sein. Und wo man natürlich gemeinsam zu Gott betet, dass endlich mehr Friede wird und dass er uns dazu gute Ideen gibt.

In einem fernen Land in Südamerika, wo im Moment wenig Friede ist und viel, viel Armut, haben Kirchenmenschen auch versucht, zu helfen. Und sie sind zu den armen Menschen gegangen, die in den Städten dicht an dicht in Slums wohnten. Sie haben ihnen Essen gebracht. Aber sie stellten fest: Das reichte nicht. Die Menschen waren weiterhin so unglücklich. Sie hatten oft Streit, Eltern und Kinder redeten nicht miteinander, häufig auch waren Drogen im Spiel.

Und die Leute von der Kirche überlegten: Wie kann man das ändern? Und hatten schließlich eine tolle Idee: Sie hatten gesehen, dass diese armen Leute in ganz kleinen Hütten lebten. Fast ohne Möbel. Vielleicht ein altes Bett, ein paar wacklige Stühle, das war’s. Und so beschlossen die Leute von der Kirche: Wir schenken jeder Familie einen schönen Tisch. Und stellt euch vor: Es passiert etwas Wunderbares: Der Tisch hilft! Die Leute werden tatsächlich glücklicher. Denn zum ersten Mal in ihrem Leben setzt sich die ganze Familie miteinander wirklich an einen Tisch: Die Mutter, die Kinder, der Vater, die Oma, der Onkel, eine Cousine – wer eben so in der Hütte und dem Häuschen wohnt. Früher hockte jeder für sich in irgendeiner Ecke. Jetzt sitzen sie sich am Tisch gegenüber. Sie essen gemeinsam. Sie blicken einander in die Augen. Sie sehen, ob der andere traurig oder fröhlich ist. Sie erzählen sich etwas. Sie reichen sich gegenseitig das Wasser. Es ist nur ein Tisch, ganz einfach, Holzplatte, vier Beine, vielleicht noch eine Tischdecke. Aber das reicht schon, um sich besser zu verstehen. Wer gemeinsam um einen Tisch sitzt, der ist ganz automatisch nicht mehr allein. Und so kann man das vielleicht überhaupt gut beschreiben: Familie – das sind die, die gemeinsam um einen Tisch sitzen.

Und ich denke: Gleich woher wir kommen, jeder Mensch, jedes Kind Gottes in unserer großen Weltfamilie braucht das doch: Menschen, die sagen: Ich mag dich. Ich tröste dich, wenn du traurig bist und lache mit dir, wenn du dich kringeln könntest. Und: hier brauchst du keine Angst zu haben. Eltern können das sagen und natürlich Großeltern, Freunde und Tanten und alle, die jetzt gerade an eurem Tisch sitzen. Immer aber, unbeirrbar immer, sagt das Gott. Du bist so wunderbar gemacht, sagt er. So kostbar ist, dass es dich gibt. Mit deinen süßen Sommersprossen, deiner schönen Stimme, deinen großen Füßen und deinem fröhlichen Lachen. – Jeder von euch ist mir heilig, sagt er, euch darf keiner böse anrühren. Hier nicht. Und dort nicht. Und deshalb, deshalb: haltet zusammen als Geschwister, die einander lieb haben! (Auch wenn Brüder und Schwestern es einem manchmal nicht so richtig leicht dabei machen, ich weiß.)

Aber darum geht‘s und das meint‘s wenn es heißt: Gemeinschaft der Heiligen. Das sind wir. Wir alle hier. Die Familie, die um einen Tisch sitzt. Mit anderen Familien aus anderen Ländern. Keiner ist ausgeschlossen. Jede und jeder gehört dazu. So unterschiedlich schön wir auch sind. … Dazu passt übrigens, was meine jungen Expertinnen von all diesen Spielregeln von diesem Brief aus Rom am besten fanden. Nämlich dies: „Sprecht denen Gutes zu, die euch ärgern oder verfolgen. Sprecht das Gute in ihnen an und verflucht sie nicht.“ Das hat mich berührt, denn sie haben gerade in der Schule Probleme damit, dass die Kinder sich gegenseitig mobben. Ausgrenzen. Nichtachten. Doch nun: Wenn jemand dich beschimpft, nicht sagen: Du doofe Nuss. Sondern: Eigentlich hast du ja auch echt nette Seiten, schade, dass die gerade Pause haben. …

Pause habe jetzt auch ich. Es war schön, mit euch zu essen. Und es ist schön mit euch zu singen. Jetzt: Ich lobe meinen Gott, der mir den neuen Weg weist, damit ich handle. Ehre sei Gott auf der Erde, in allen Straßen und Häusern. Und am Tisch des Herrn sowieso. Amen

Einsetzungsworte
(Diese Einsetzungsworte nehmen einen Text von Jochem Westhoff auf, der anlässlich der Einweihung der Kinderkathedrale beim DEKT 2013 in Hamburg geschrieben wurde.)

Erinnerung:

Jeder ist willkommen an diesem Tisch. Denn Jesus hat mit allen Menschen Brot geteilt, nicht nur mit den besten Freunden. Und beim Festmahl damals in Jerusalem war sogar Judas dabei, der ihn verraten hat.

Und sie alle haben sich erinnert an all die großen Geschichten. Sie erzählten von der Sklaverei in Ägypten. Sie erzählen von Mose und der Erlösung, als sie endlich herauskamen aus der Sklaverei

Einsetzung:

Ich bin die Erlösung, sagt Jesus,

und er nimmt den Korb mit dem Brot.

In diesem Brot bin ich verborgen,

geheimnisvoll und immer wieder neu.

Brot voller Gotteskraft.

Wenn ihr es teilt, es esst und an mich denkt

Bin ich bei euch – in euch – wunderbar.

Ich sage es noch einmal mit den Worten der Bibel:

Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, als er verraten wurde, nahm er das Brot. …

 

Als sie alle gegessen haben,

nimmt Jesus auch den Kelch mit dem Wein.

Da wird es wieder ganz still in dem Raum und alle schauen ihn an.

Ich bin die Erlösung, sagt Jesus.

In diesem Kelch bin ich verborgen,

geheimnisvoll und immer wieder neu.

Saft der Trauben voller Gotteskraft.

Wenn ihr es teilt, es trinkt und an mich denkt,

bin ich bei euch – in euch – wunderbar.

Ich sage es noch einmal mit den Worten der Bibel:

Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl, dankte, gab ihnen den. …

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