Kirche im Umbruch - Bischof Tilman Jeremias betont die Kraft der Stille und das Engagement Ehrenamtlicher
27. September 2025
Auf der Landessynode in Lübeck-Travemünde hat Bischof Tilman Jeremias seinen Bericht aus dem Sprengel Mecklenburg und Pommern vorgestellt. Unter dem Leitgedanken der „schweigenden Kirche“ sprach er über Gottvertrauen, die Belastungen in den Gemeinden und die Stärkung des Ehrenamts.
Bischof Tilman Jeremias hat vor der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) seinen Bericht aus dem Sprengel Mecklenburg und Pommern vorgelegt. Im Mittelpunkt stand das Leitbild einer „schweigenden Kirche“, die ihre Kraft aus dem Hören auf Gott schöpft.
Die schweigende Kirche – Hören als erste Aufgabe
„Ich wünschte mir eine Kirche, deren Rede erkennbar aus dem Schweigen kommt, und für diese Kirche möchte ich heute werben“, sagte Jeremias. „Reden und Verkündigen sind immer das Zweite. Dieses Reden kommt aus einer Stille, die sich der liebenden Gegenwart Gottes öffnet und auf seine Weisung wartet.“ Das Schweigen bedeute für ihn nicht Rückzug, sondern Wachsamkeit: „Schweigen ist eine Haltung der Empfänglichkeit. Im Schweigen werden wir durchlässig für Gottes Wort, das uns tröstet und ermutigt, aber auch sendet und korrigiert.“
Verantwortung gegenüber Betroffenen und Schöpfung
Im Hinblick auf die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt sagte Jeremias: „Im Schweigen spüren wir die Größe des Versagens und der Schuld unserer Kirche. All unser Handeln in Prävention, Intervention und Aufarbeitung entspringt dem stillen Hören auf das unermessliche Leid derer, die betroffen sind.“ Auch beim Thema Schöpfungsverantwortung verwies er auf die Haltung der Achtsamkeit: „Mit uns sehnt sich Gottes Schöpfung nach Erlösung. Gott hat uns seinen Garten Eden anvertraut, ihn zu bebauen und zu bewahren.“
Belastungen im kirchlichen Alltag
Mit Blick auf die Situation im Sprengel Mecklenburg und Pommern schilderte der Bischof die Überlastung vieler Mitarbeitender: „Viele Haupt- und Ehrenamtliche klagen, dass sie am Rande ihrer Kräfte arbeiten und darüber hinaus. Unsere vom Rückgang gezeichnete Kirche erfordert neue Strukturen in Dauerschleife, ausscheidende Mitarbeitende fehlen an allen Ecken und Enden.“ Die Statistiken mit hohen Austrittszahlen seien für viele entmutigend. Dem entgegnete Tilman Jeremias: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Entlastung nicht aus uns selbst kommen kann. Sie liegt allein in dem schweigenden Gottvertrauen, das die weitere Entwicklung als Wirkung des Geistes Gottes erwartet.“
Stärkung des Ehrenamts
Besondere Anerkennung sprach der Bischof den ehrenamtlich Engagierten zu. „Ich habe gestaunt über ein rein ehrenamtliches Team, das einmal im Monat einen Gottesdienst im städtischen Kontext komplett selbst gestaltet. In solchen einfachen geistlichen Formaten zeigt sich exemplarisch etwas von einer Kirche von morgen“, so Tilman Jeremias. Das Ehrenamt brauche jedoch Begleitung. „Ein wesentlicher Schwerpunkt pastoraler Arbeit ist es in unseren Tagen, Ehrenamtliche zu motivieren, zu begleiten, fortzubilden und wertzuschätzen.“
Blick auf Ost und West
Mit Blick auf das 35. Jubiläum der Deutschen Einheit erinnerte Tilman Jeremias an die aktuelle Veröffentlichung einer kirchlichen Arbeitsgruppe zur DDR-Aufarbeitung: „Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe fordert die EKD und die Landeskirchen eindringlich auf, die Anstrengungen im Blick auf die Aufarbeitung zu intensivieren. Diese Aufgabe ist eine gesamtdeutsche.“ Die Nordkirche selbst sei durch ihre Vielfalt geprägt. „Diese Vielfalt ist ein Schatz und wird am besten erhalten, wo solcher Föderalismus gepflegt bleibt“, so der Bischof in seinem Bericht.
Dank für ein Beispiel des Gottvertrauens
Zum Abschluss seines Berichts teilte Tilman Jeremias einen sehr persönlichen Brief einer 94-jährigen Frau aus Ludwigslust. Sie schilderte eindrücklich, wie sie in ihrem langen Leben immer wieder Gottes Bewahrung erfahren habe – in den Kriegsjahren, als Bombenangriffe sie nur knapp verfehlten, ebenso wie später im Alltag mit ihrer großen Familie. Besonders bewegend sei ihr Satz: „In aller Not hat mich der gnädige Gott sicher geführet wie ein guter Hirte seine Schafe.“ Der Bischof nahm diesen Brief als Ermutigung für die Kirche auf. „Das Vertrauen dieser Frau, die durch Krieg, Flucht und Verluste gegangen ist und am Ende ihres Lebens auf Gott hofft, ist mir ein leuchtendes Beispiel. Mit solchem Gottvertrauen möchte auch ich einmal sterben können“, schloss Tilman Jeremias seinen Bericht auf der Synode.
