Vortrag in Heidelberg

„Klimakrise ist ein Weckruf, der nicht ungehört verhallen darf“– Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt fordert stärkere theologische und praktische Auseinandersetzung

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt.
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt.© Theresa Lange

17. September 2025 von Dieter Schulz

In Heidelberg spricht Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt über die Frage, wie sich Kirche durch die Klimakrise verändert. Sie betont die Verantwortung der Kirchen für die Schöpfung, neue geistliche Ausdrucksformen und die Zusammenarbeit in weltweiter Ökumene.

Die Klimakrise verändert die Kirche grundlegend – in ihrem Selbstverständnis, ihrem Handeln und ihrer Wahrnehmung in der Gesellschaft. Das betonte Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, Beauftragte des Rates der EKD für Schöpfungsverantwortung, in ihrem Vortrag auf der heutigen Tagung „Klimatheologie zwischen Spiritualität, Kirche, Wissenschaft und Aktivismus“ an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg.

In ihrem Beitrag erinnerte die Leitende Geistliche der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) an die historischen Wurzeln der ökologischen Theologie seit den 1970er Jahren und stellte heraus, wie sehr sich das Bewusstsein der Kirchen in den letzten Jahrzehnten verändert hat. „Die Klimakrise ist ein Weckruf – sie lässt Kirchen enger zusammenrücken, führt zu neuen Kooperationen und macht deutlich: Wir sind Teil des Problems, aber wir wollen auch Teil der Lösung sein“, sagte sie.

Die Landesbischöfin zeigte auf, dass sich die Kirchen in vier zentralen Bereichen verändern:

  1. Kooperation und Vernetzung: Ob in ökumenischen Netzwerken wie Eine Erde oder in Partnerschaften mit Kirchen im globalen Süden – die Klimakrise zwingt zu gemeinschaftlichem Handeln über Grenzen hinweg.
  2. Geistliche Orte in Krisenzeiten: Gemeinden bieten Raum, um Ängste und Verzweiflung angesichts der Klimakrise zu artikulieren und Hoffnung zu schöpfen – etwa durch Klima-Andachten, Fastenaktionen oder Schöpfungszeiten.
  3. Zivilgesellschaftliches Engagement: Die Kirche versteht sich zunehmend als Partnerin in gesellschaftlichen Bündnissen für Klimaschutz, etwa in der Klima-Allianz oder bei lokalen Mobilitäts- und Energieprojekten.
  4. Theologische Reflexion: Die Auseinandersetzung mit der Klimakrise betrifft alle theologischen Disziplinen. In Ausbildung und Lehre müsse sie stärker verankert werden, so die Bischöfin.

Dabei unterstrich Kristina Kühnbaum-Schmidt die globale Verantwortung der Kirchen: „Unsere Geschwister im Süden fragen uns: Seid ihr bereit zu teilen? Seid ihr bereit, Verantwortung zu übernehmen? Das ist die entscheidende Frage – theologisch wie praktisch.“

Mit Blick auf die Rolle der Kirche als geistliche Gemeinschaft betonte sie, dass die christliche Schöpfungstheologie Hoffnung spenden könne – nicht als romantisierte Idylle, sondern als Zusage Gottes, dass sein Bund mit der ganzen Schöpfung gilt.

„Die Klimakrise fordert uns als Kirche heraus – praktisch, spirituell und theologisch. Sie zwingt uns, neue Wege zu gehen: im Miteinander der Konfessionen, in der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und in der Ausbildung zukünftiger Theologinnen und Theologen“, so Kristina Kühnbaum-Schmidt. In diesem Zusammenhang bewertete die Beauftragte des Rates der EKD für Schöpfungsverantwortung den jüngsten Vorstoß von Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche kritisch: „Die vordergründige Forderung nach Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit ist keine Entschuldigung für ein Verschlafen der Klimaziele, sondern verkennt den engen Zusammenhang von Klima, Frieden und sozialer Gerechtigkeit, der im Zentrum des gemeinsamen zivilgesellschaftlichen Einsatzes steht.“ Sowohl die vorgesehenen Einsparungen im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) als auch die jüngsten Äußerungen der Ministerin anlässlich des Monitoring-Berichts zur Energiewende erweckten den Eindruck, dass die Bundesregierung die Dringlichkeit von Maßnahmen gegen die Klimakrise in humanitärer wie ökonomischer Hinsicht klar unterschätze, so Kristina Kühnbaum-Schmidt. „Die Klimakrise ist ein Weckruf, der nicht ungehört verhallen darf.“

Hintergrund: Arbeitsgruppe „Theologie in der Klimakrise“ (FEST)

Die Arbeitsgruppe „Theologie in der Klimakrise“ an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST) in Heidelberg arbeitet seit 2022 zu theologischen Perspektiven auf die Klimakrise. Unter Leitung von PD Dr. Frederike van Oorschot (FEST) und Prof. Dr. Kinga Zeller (PThU Amsterdam) vernetzt sie Wissenschaftler:innen verschiedener Disziplinen, begleitet kirchliche Akteure und veröffentlicht Ergebnisse in Workshops, Publikationen und digitalen Diskursformaten. Ziel ist es, die Rolle der Theologie im gesellschaftlichen Transformationsprozess sichtbar zu machen und die Verantwortung der Kirchen für die Bewahrung der Schöpfung zu profilieren.

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