Bericht des Landesbischofs auf der Landessynode

Landesbischof Ulrich: „Wir müssen energisch zu den Inhalten unseres Glaubens kommen“

Landesbischof Gerhard Ulkrich hielt seinen Bericht vor der Synode
Landesbischof Gerhard Ulkrich hielt seinen Bericht vor der Synode© Silke Stöterau / Nordkirche

26. Februar 2015 von Stefan Döbler

Lübeck-Travemünde. Landesbischof Gerhard Ulrich hat die Kirche dazu aufgerufen, sich nicht selbst zu säkularisieren. „Wir müssen energisch zu den Inhalten unseres Glaubens kommen, weil sich an den Inhalten unsere Zukunft als Kirche nach innen und außen entscheidet“, sagte der Landesbischof heute (26. Februar) in seinem Bericht vor der Tagung der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche).

Kirche sei nicht nur eine Institution zur Verteidigung von Moral, nicht nur eine Ethik-Agentur. „Wie hast du’s mit der Religion – das heißt eben auch: Wie verantwortest Du Deine Antworten auf die Fragen des täglichen Lebens vor Deinem Gott und Deinem Glauben“, so Ulrich.

„Wie hast du’s mit der Religion?“ – Aus der Frage „Gretchens“ an Goethes Faust leitete der Landesbischof Fragen nach den Wurzeln kirchlichen Lebens und Handelns in der Gegenwart ab. Zugleich sei in jüngster Zeit in Schleswig-Holstein mit dieser Frage auch die Diskussion um einen Gottesbezug in der Präambel der neuen Landesverfassung verbunden. Aufgrund ihres christlichen Glaubens, aber auch im Blick auf die geschichtlichen Erfahrungen in Deutschland habe die Nordkirche sich vor der Abstimmung im Landtag für „den Hinweis auf die Grenzen und Schranken allen menschlichen Handelns, auf die Weltlichkeit, Fehlbarkeit und Endlichkeit einer demokratischen Verfassung“ eingesetzt. Doch auch danach zeige die gesellschaftliche Debatte: „Es geht hier wirklich um die Gretchenfrage – nämlich darum, ob wir wissen oder ahnen, dass unser Leben und die Welt nicht aufgeht in dem, was wir sehen und tun und können; ob wir es aushalten können, dass nicht alles verfügbar ist und machbar.“

Religion nicht als „Schlag“-Wort missbrauchen

Zugleich müsse die Kirche sich „deutlich gegen Religion als ‚Schlag‘-Wort stellen, in welchem Zusammenhang sie auch immer so missbraucht wird“, so Ulrich. Christen und Kirche müssten deutlich machen: „Das Kreuz Jesu Christi hat keine Nationalfarben. Der christliche Glaube bekennt sich zu Jesus Christus, der sagt: ‚Ich bin ein Fremder gewesen‘. Und der im Blick auf seine Anhänger sagt: ‚…und ihr habt mich aufgenommen‘. In unserem Umgang mit Flüchtlingen sind wir als Christenmenschen gebunden durch Gottes Wort. Da darf es kein Missverstehen geben. Sie sind uns willkommen. Und ich bin dankbar für die vielen Initiativen in unseren Gemeinden und Kommunen, die sich verstärkt für Flüchtlinge engagieren, Türen öffnen, teilen, willkommen heißen.“

„Wir werden weiterhin für das Kirchenasyl eintreten“

Mit Blick auf das Kirchenasyl kündigte der Landesbischof an: „Wir werden weiterhin sehr deutlich für die Möglichkeit des Kirchenasyls eintreten. Dadurch wird die Gültigkeit des Rechts nicht in Frage gestellt. Vielmehr wird durch das Kirchenasyl bei bestimmten Einzelfällen und in besonderen Situationen das geschützt, dem auch das Recht dienen soll und muss – nämlich die unantastbare Würde von Menschen.“

Dramatisch sei das Thema Religion durch die Anschläge in Paris und Kopenhagen in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Auch die Kirche sei unmittelbar betroffen: „Kirchen brennen in Nigeria. Christen im Irak und in Syrien werden durch den IS vertrieben und getötet. ‚Wie hast du’s mit der Religion‘ – diese Frage kann zur mörderischen Parole werden, Menschenwürde mit Füßen treten und demokratische Grundrechte und Strukturen in ihren Grundfesten bedrohen“, so Gerhard Ulrich. „Die Frage kann aber auch, im Dialog und mit wirklichem Interesse und Respekt vor dem anderen, zum Auftakt für ein Verstehen werden, das weit hinausgeht über das Interesse an einer schnellen Beruhigung der Lage. Voraussetzung dafür ist, dass sich alle Religionsgemeinschaften mit dem Gewaltpotential auseinandersetzen, das ihnen innewohnt – auch wir als Christen, als Kirchen, indem wir uns erinnern, dass es erst 17 Jahre her ist, dass der blutige Glaubenskrieg in Irland seinen offiziellen Abschluss fand, und dass noch 2001 George W. Bush einen ‚Kreuzzug gegen das Böse‘ ausgerufen hat.“

Als „echte Chance im Dialog der Religionen“, sieht Ulrich es, „wenn die drei Schriftreligionen ihre Heiligen Schriften gemeinsam verantworten würden in der kritischen Auseinandersetzung mit ihrem jeweiligen historischen Kontext. Das birgt übrigens auch die Möglichkeit, die liberalen Kräfte im Islam zu stärken gegenüber den Fanatikern und Extremisten.“

Kirchenaustritte „schmerzlich“

Mit Blick auf die kirchlichen Mitgliederzahlen konstatierte der Landesbischof, dass die Kirchengemeinden vor Ort die Welle der Kirchenaustritte „schmerzlich“ erleben: „Zum Teil ist die Bindung an unsere Kirche so locker, dass manchmal nur sehr wenige Euro ausreichen, um diese Bindung zu kappen.“ Die Automatisierung des Einzugsverfahrens für die Kirchensteuer auf Kapitalerträge habe das Verfahren zwar gerechter gemacht, der „juristisch korrekte“ Weg der Information darüber auf den Kontoauszügen sei jedoch „inhaltlich lieblos und unverständlich“.

Man habe die „schmerzhafte Erkenntnis“ zu realisieren, so Ulrich, dass „wir eine Kirche sind, die weniger wird: weniger an Mitgliedern, aber auch weniger an Ansehen, an Einfluss, an gesellschaftlicher Akzeptanz, an öffentlicher Bedeutung“. Doch hinter dem Beklagen des Rückgangs in den Zahlen und des Verlusts an gesellschaftlichem Boden stecke „vielleicht doch auch die Unterwerfung unter eine Wachstumsideologie, die aus Kirche ein Unternehmen und aus Gottes Evangelium ein Produkt macht“. Landesbischof Ulrich: „Vielleicht ist es ja Gottes Wille, dass wir Minderheitenkirche sind und bleiben? Vielleicht will Gott seine Kirche genau so – nicht mehr dominierend und bestimmend und an erster Stelle. Sondern etwas zerzaust und angeschlagen und belächelt.“

Im Vertrauen auf Gott „Erprobungsräume“ eröffnen

Die Kirche befinde sich in einer „komplexen Situation“, in der Expertenwissen an seine Grenzen stößt. Der Landesbischof ermutigte dazu, im „Vertrauen auf den Gott Jesu Christi“ neue Wege zu finden, Versuche zu wagen, „Erprobungsräume“ zu eröffnen und zugleich eigene Grenzen anzuerkennen: „Was befähigt uns, Dinge zu lassen, auch wenn wir sie „zur Not“ noch irgendwie schaffen könnten?“

Der Landesbischof machte deutlich, „dass das Heil für uns als Kirche nicht in immer ausgefeilteren Vorschriften und nicht in immer detaillierterer Reglementierung liegt, sondern wahrscheinlich gerade in der entgegengesetzten Richtung, hin zu mehr Offenheit, zu mehr Freiheit fürs Ausprobieren, Scheitern, Korrigieren, erneutes Versuchen und Staunen darüber, was denn doch klappt“.

Der Ruf an die Freiheit des Glaubens sei jedoch „kein Plädoyer für rechtsfreie Räume oder für eine Verachtung des Rechts“, schränkte Ulrich ein: „Wir bleiben eine Körperschaft öffentlichen Rechts und bleiben gebunden an Recht und Gesetz. Und wir bleiben auch Institution! Eine Institution, die sich dessen bewusst ist, dass Menschen Institutionen brauchen, selbst wenn sie sich hingebungsvoll in Institutionskritik üben.“

Zugleich müsse Kirche sich neu fragen, was es bedeute, zu ihr zu gehören: „Hat das In-der-Kirche-Sein etwas mit Glauben zu tun oder nur damit, dass ich noch nicht gemerkt habe, was es mich an Geld kostet?“ In der Kirche, ihren Einrichtungen und Unternehmen komme es auf eine stärkere Bindung „an Gott und sein Evangelium“ an, die zugleich eine größere Freiheit und Offenheit „auch für nichtkirchliche oder sogar nichtchristliche Menschen in unseren Reihen, in unseren Diensten und Einrichtungen“ ermögliche, sagte Ulrich: „Weil wir um die einende Kraft des Einen wissen, können wir die Vielfalt getrost leben.“

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