Mut zur Begegnung. Ein offener Brief zur Weihnachtszeit von der Bischöfin Nora Steen.

Nora Steen am Südportal des Schleswiger Doms, 2024
Nora Steen am Südportal des Schleswiger Doms, 2024© Marcelo Hernandez, Nordkirche

23. Dezember 2025 von Clarissa Leu

Was bedeutet Weihnachten in einer Zeit voller Unsicherheit und politischer Spannungen? In ihrer eindringlichen Weihnachtsbotschaft richtet sich Bischöfin Nora Steen direkt an die Menschen in Schleswig-Holstein. Sie spricht über eine Kirche, die nicht auf Abstand bleibt, sondern mitten in den Alltag der Menschen geht. Über Begegnungen, die trösten, herausfordern und verändern können. Und über die Verantwortung, gerade jetzt die Stimme zu erheben, für Menschen, die nicht gehört werden, für Zusammenhalt, für Mitmenschlichkeit.

Liebe Menschen in Schleswig-Holstein, 

Bald ist Weihnachten. Für mich als Christin erzählt die Weihnachtsgeschichte von einem Gott, der nicht auf Abstand bleibt, sondern mitten in unser Leben tritt.
Der nicht schweigt, nicht abwartet – sondern hinein in unseren Alltag kommt. 
Dorthin, wo Menschen zweifeln, lieben, kämpfen, fragen. Dorthin, wo die Welt so ist, wie sie eben ist: unübersichtlich, herausfordernd und zugleich voller Möglichkeiten.

Genau dort möchte Kirche sein.

Im Alltag, im Gespräch, im Streit.
Im Zuhören, im Trösten, im Haltgeben.
Im Vermitteln, wenn Positionen verhärtet sind und Worte fehlen. In persönlichen Begegnungen, auch dann, wenn sie unbequem werden.

Ich erlebe in diesen Monaten sehr deutlich: Unsere Zeit braucht eine Kirche, die sich nicht versteckt. Die nicht ausweicht und nicht im eigenen Haus bleibt, sondern wie Gott in Gestalt seines Sohnes dorthin geht, wo Menschen mit ihren Sorgen, Hoffnungen oder Ängsten allein bleiben. Schweigen ist in der heutigen politischen Lage das Falsche. 

Denn viele verlieren gerade ihre Stimme in unserem Land:
Menschen, die nicht gehört oder einfach überhört werden.
Menschen, über die gesprochen wird, aber nicht mit ihnen.
Menschen, die stumm gemacht werden, sei es durch Armut, Ausgrenzung, Hass und Vorurteilen oder Angst.

Kirche möchte an ihrer Seite stehen.

Nicht aus Strategie, sondern aus Überzeugung. Aus dem Herzen unseres Glaubens heraus. Ein Glaube, der vereint und mitfühlend ist, besonders wenn unsere jüdischen oder muslimischen Geschwister Terror und Gewalt erleben müssen. Unsere Hinwendung zu Gott verbindet uns.
Jeder Angriff, jede Gewalttat mit dem Ziel, Menschen eines bestimmten Glaubens zu töten, einzuschüchtern oder gar auszulöschen, ist ein Angriff gegen uns alle. Gemeinsam müssen wir dagegenhalten und für Gottes Liebe einstehen.

Denn dort, wo wir einander direkt begegnen, uns zuhören und ernst nehmen, kann Veränderung geschehen.

Ich will als ihre Bischöfin hier in unserem schönen Bundesland ganz bewusst auf Sie zugehen und Sie in Ihrem Alltag treffen. Deshalb suche ich auch am Weihnachtsfest jedes Jahr Orte auf, an denen ich Menschen begegne, die aus dem Blick geraten sind. In diesem Jahr feiere ich mit Inhaftierten in der JVA Neumünster am Heiligabend Gottesdienst. Und ich habe Fernfahrer besucht, die fernab ihrer Familien auf den Rastplätzen an der A7 feiern müssen.
Ich will ins Gespräche gehen, mit denen, die um ihre Existenz ringen. 
Mit jungen Menschen, die Halt suchen. 
Mit Menschen, die sich politisch engagieren und denen, die sich längst zurückgezogen haben. Weihnachten erinnert mich daran: Gott kommt den Menschen nahe. Also müssen wir das als Christinnen und Christen genauso tun. 

Meine Begegnungen in den letzten zwei Jahren als Ihre Bischöfin haben mich spüren lassen: Es gibt so viel Mut, so viel Sehnsucht nach Nähe und Gemeinsamkeit, so viel stille Kraft in den Dörfern, Städten, Kirchengemeinden und Initiativen unseres Landes. Kirche ist da, sicherlich nicht perfekt, aber verlässlich. Und gemeinsam mit Ihnen werden wir dableiben.

Ich wünsche Ihnen eine Weihnachtszeit, in der Sie spüren, dass Sie nicht allein sind. Eine Zeit, in der Licht gegen das Dunkel aufsteht. Für mich ist Weihnachten eine Zeit, die Mut macht: Mut zur Menschlichkeit, Mut zur offenen Rede, Mut zur Begegnung.

Und ich verspreche Ihnen:
Ich werde meine Stimme erheben.
Für Sie. Mit Ihnen.
An Ihrer Seite.

Gott segne Sie.

Ihre Bischöfin im Sprengel Schleswig und Holstein, 

Nora Steen

 

 

Gottesdienst der Bischöfin an Weihnachten

24.12.2025 // 18:00 Uhr
Christvesper mit Posaunenchor
Ort: St. Petri-Dom, Süderdomstraße, 24837 Schleswig

 

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