Nordkirche stärkt Rechte Betroffener sexualisierter Gewalt
22. November 2025
Die Landessynode der Nordkirche hat das Präventionsgesetz geändert und die EKD-Anerkennungsrichtlinie übernommen. Damit gelten in der Nordkirche ab dem 1. Januar 2026 die bundesweit einheitlichen Standards für Anerkennungsleistungen an Betroffene sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie.
Einstimmig hat die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) das Präventionsgesetzes und die Präventionsgesetzausführungsverordnung geändert. Mit diesem Beschluss setzt die Landessynode ein klares Signal: Betroffene sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie sollen künftig bundesweit nach einheitlichen Standards behandelt werden. Grundlage ist die Anerkennungsrichtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die am 21. März 2025 vom Rat der EKD beschlossen wurde und ab dem 1. Januar 2026 in allen Landeskirchen in Kraft treten soll. Damit wird sichergestellt, dass Verfahren, Anerkennungsleistungen und Verfahrenswege in allen Landeskirchen einheitlich sind – unabhängig davon, in welcher kirchlichen Einrichtung oder Region ein Fall geschehen ist.
Nordkirche übernimmt Verantwortung
„Ich bin den Synodalen von Herzen dankbar für Ihre uneingeschränkte Zustimmung zur Übernahme der Anerkennungsrichtlinie der EKD in Nordkirchen-Recht. Mit dieser einstimmigen Entscheidung stärken wir den Anspruch auf gerechte, transparente und würdige Anerkennung des erlittenen Unrechts und das deutschlandweit abgestimmt nach gemeinsamen Standards. Wir übernehmen damit Verantwortung – gemeinsam mit den Diakonischen Werken, im Bewusstsein des Leids und der Versäumnisse der Vergangenheit, erklärte die Präses der Landessynode Anja Fährmann unmittelbar nach der Annahme des Gesetzes in zweiter Lesung am Sonnabend (22. November 2025).
Würdigung des Engagements aller Beteiligten
„Die Nordkirche hat sich schon früh ihrer Verantwortung gestellt – mit ihrer Kommission, die in den vergangenen Jahren wegweisende Arbeit in betroffenenorientierten Verfahren geleistet hat“, betonte die Präses weiter. „Mit der neuen EKD-Anerkennungsrichtlinie schaffen wir nun bundesweit einheitliche Regeln und einen Rahmen, der eine größere Vergleichbarkeit von Fall und Leistung ermöglicht. Damit verbinden wir unsere bisherigen Erfahrungen mit der gemeinsamen Verantwortung in der Evangelischen Kirche in Deutschland.“ Anja Fährmann würdigte insbesondere die Mitwirkung der betroffenen Personen im Beteiligungsforum der EKD am gesamten Verfahren und das Engagement aller Mitglieder in der früheren Unterstützungsleistungskommission und der heutigen Anerkennungskommission der Nordkirche sowie aller Mitarbeitenden der Stabsstelle Prävention - Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der Nordkirche.
Einheitliche Verfahren für mehr Gerechtigkeit
Künftig entscheidet die Anerkennungskommission der Nordkirche auf Grundlage der in allen Landeskirchen einheitlichen Kriterien über die Höhe der Anerkennungsleistungen. Maßgeblich ist dabei die Plausibilität der Schilderungen der Betroffenen – also ihre innere Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit. Ein formaler Beweis ist dafür nicht erforderlich. Die neue Regelung sieht ein zweistufiges Verfahren vor: eine Anerkennungsleistung als Grundbetrag in Fällen, in denen ein strafrechtlich relevantes Verhalten plausibel geschildert wurde, sowie eine zusätzliche individuelle Komponente, die das erlittene Unrecht und dessen persönliche Folgen berücksichtigt. Die Zahlungen werden nicht auf Sozialleistungen angerechnet und können auf Wunsch als Gesamtbetrag oder in Teilraten erfolgen.
Hintergrund: Die EKD-Anerkennungsrichtlinie
Die im März 2025 verabschiedete Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland legt erstmals bundesweit verbindliche Standards für Anerkennungsleistungen an Betroffene sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie fest.
Sie sieht vor:
einheitliche Verfahren in allen Landeskirchen und Diakonischen Werken,
unabhängige Anerkennungskommissionen mit juristischer und psychotraumatologischer Expertise, ohne kirchliche und diakonische Beschäftigte,
transparente und niedrigschwellige Antragsverfahren,
keine Anrechnung auf staatliche Leistungen,
Beteiligung von Betroffenenvertretungen am gesamten Prozess.
Ziel der Richtlinie ist es, kirchliches Unrecht sichtbar zu machen, Verantwortung zu übernehmen und die Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns zu stärken. Dabei orientiert sich die Spruchpraxis an einem Katalog, dem Entscheidungen ziviler Gerichte zugrunde liegen. Darüber hinaus können individuelle Zusatzleistungen gewährt werden, die das erlittene Unrecht und dessen persönliche Folgen berücksichtigen.
