Predigt am 1. Weihnachtstag 2020 im Schweriner Dom

24. Dezember 2020

Um 10 Uhr, zu Jesaja 52,7-10

I

Stille Nacht, heilige Nacht —  ja, eine wirklich stille Nacht war das in diesem Jahr. Vielleicht haben auch Sie gestern Abend „Stille Nacht, heilige Nacht“ auf dem Balkon oder am offenen Fenster gesungen. Zur gleichen Zeit wie andere in Schwerin und auch in Rostock, Lübeck, Kiel, Hamburg, Potsdam, Berlin und vielen anderen Orten. Mich hat diese Form der Verbundenheit sehr berührt. Gerade weil sie kein mächtiges und großes Zeichen war, sondern behutsam und leise. Jeder für sich und gerade so mit anderen verbunden. Eine neue Form weihnachtlicher Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die ihren Kern und ihren Grund hat in der Botschaft von Weihnachten, der Botschaft des Heiligen Abends: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“

II

„Er will euer Heiland selber sein, heißt es in der dritten Strophe von Luthers Weihnachts-lied „Vom Himmel hoch, da komm ich her. Die Sehnsucht nach einem, der alles heil macht, begleitet Menschen durch unsere ganze Geschichte. Beim Propheten Jesaja klingt sie so:

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König! Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und jubeln miteinander; denn sie werden’s mit ihren Augen sehen, wenn der Herr nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.“

III

Frieden und Heil verkündigen, Gutes predigen - der Prophet Jesaja kann das, weil er darauf vertraut, dass er von Gott getröstet und erlöst ist. Mitten in einer katastrophalen Situation. In einer Nachkriegssituation, in der er damals lebte.In der von Krieg  und Gewalt zerstörten Stadt Jerusalem. In der einst strahlenden Hauptstadt, in der nun kein König mehr residiert, in der keine Beamten sind, die ihre reichen Gehälter in den Restaurants ausgaben. Auch die Künstler, die am Hof auftraten und die Stadt belebten, sind verschwunden, und ebenso die Handwerker, die vom Königshof Aufträge erhielten. Große Märkte gibt es schon lange nicht mehr. Stattdessen lange Jahre einer Wirtschaftskrise, verödete Straßen. Wo einst das Leben pulsierte, gähnende Leere. Die Familien, die in der Stadt geblieben sind, sahen zu, wie sie über die Runden kamen. Man lebte in notdürftig hergerichteten Ruinen. Geld für den Wiederaufbau war nicht vorhanden. Dafür war die Sehnsucht nach Heilung unendlich groß. Mitten hinein in diese von Resignation und Hoffnungslosigkeit geprägte Situation verkündet der Prophet Jesaja einen Neuanfang. Dort, wo nur Trümmer zu sehen sind, soll neues Leben wachsen. Der Grund dieser Hoffnung ist: Gott ist nah — auch wenn es nicht danach aussieht. Und die Botschaft, die der Prophet dem über die Berge herbei eilenden Freudenboten in den Mund legt, heißt: Gott bringt Friede, Gott bringt Gutes. Eine himmlische Botschaft. Eine Heilsbotschaft.

IV

Unsere himmlische Botschaft an Weihnachten 2020 heißt so: „Fürchtet euch nicht. Euch ist der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“

Tröstende Worte inmitten einer uns alle bewegenden Krise. Heilende Worte inmitten einer uns alle verändernden Zeit. Aber trotz dieser weihnachtlichen Botschaft, die Trost und Hoffnung spenden will, ändert sich diese Welt nicht von heute auf morgen. Trotz dieser weihnachtlichen Botschaft wird es keine schnelle Erlösung aus der Corona-Krise geben. Wir werden, so sagen es viele, wir werden Geduld brauchen. Es wird Zeit brauchen, bis ausreichend Menschen geimpft sein werden, um die Pandemie einzudämmen. Wir werden wohl noch lange Mund-Nasen-Schutz tragen, keine Hände schütteln und Abstand halten müssen. Und wir werden - Gott sei es geklagt - mit dem Tod von Menschen leben müssen. Menschen, die von anderen Menschen geliebt wurden, Menschen, die schmerzlich vermisst werden. Und dennoch: in alldem ist sie da, die Weihnachtsbotschaft, vertraut und selbstverständlich. Inmitten von allem, was unsicher und in Bewegung ist, ist sie auch in diesem Jahr verlässlich da - wie ein Fels in der Brandung: „Euch ist der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“

V

Wie also verhält es sich mit der heilenden Botschaft von Weihnachten in einer bedrohten und verletzlichen Welt? Wie verwandelt sich Angst und Sorge, in Trost und Zuversicht? Wie wird aus Aggressionen und Polarisierungen ein neuer Sinn für Gemeinschaft und Mitmenschlichkeit? Wie mag das zugehen? Es fängt damit an, dass Gott ein Mensch wird, ein neugeborenes Kind und sich so in die Hände der Menschen begibt. Sich uns anvertraut. Und gerade so unsere Liebe, unsere Fürsorge, unsere einander umhüllende Verantwortung weckt.

Das Christuskind lässt uns wie in einem Spiegel sehen, was nicht nur für dieses und andere Kinder, sondern was für uns alle gilt, jeden Tag unseres Lebens: Wir können nur leben, indem wir uns täglich in die Hände anderer Menschen begeben, uns einander anvertrauen. Und uns darauf verlassen, dass wir alle mit diesem Vertrauen sorgsam und verantwortungsvoll umgehen. Dass wir uns gegenseitig kein Leid zufügen, sondern uns helfen und retten. Dass wir einander in Angst und Gefahr beistehen und sagen: Hab keine Angst, denn was auch geschieht - da bin ja noch ich, da sind ja noch wir. Und selbst da, wo wir Menschen an Grenzen stoßen, wo wir unsere Fürsorge verweigern, Vertrauen missbrauchen, aneinander schuldig werden, wo wir Verantwortung füreinander ablehnen, wo Hass und Gewalt statt Liebe Raum greifen - da steht Gott im neugeborenen Christuskind mit seinem Leben dafür ein, Leid zu beenden, Schuld zu vergeben und dem Tod eine Grenze zu setzen durch neues Leben in Christus. Denn unablässig arbeitet Gott daran, alles, wirklich alles Böse mit Gutem zu überwinden. Zum Zeichen dafür wird Gott ein Kind - schenkt unserer bedrohten und verletzlichen Welt, schenkt uns bedrohten und verletzlichen Menschen ein neues Leben, neue Hoffnung, eine rettende Botschaft.

VI

„Fürchtet euch nicht. Euch ist der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Das Christuskind ist Gottes Zeichen, dass er diese Welt, dass er uns Menschen nicht verloren gibt. Sondern im Gegenteil: Gott setzt auf uns. Vertraut sich uns an. Begibt sich in unsere Hände. Deshalb heißt die Botschaft dieses Heiligen Abends: Gott ist für uns da. Gott gibt uns, gibt diese Welt nicht verloren - und deshalb: Gebt auch ihr diese Welt, gebt auch ihr einander nicht verloren. Seid auch ihr füreinander da: Mit Güte und Wohlwollen. Mit Liebe und Fürsorge. Umhüllt euch mit Barmherzigkeit. Steht einander bei mit gegenseitiger Verantwortung.

So werden wir Teil der unwiderstehlichen Liebe Gottes, die im Christuskind Gestalt gewinnt und aller Gleichgültigkeit, Lieblosigkeit und selbst dem Tod noch widersteht. Und nehmen uns in allem, was schwer wiegt, die Freudenbotschaft von Weihnachten zu Herzen: „Fürchtet euch nicht.  Euch ist der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Amen.

Datum
24.12.2020
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