23. August 2020 | Schweriner Dom

Predigt am 11. Sonntag nach Trinitatis

22. August 2020 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

Predigt von Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt zu Lukas 18, 9-14

Er sagte aber zu einigen, die überzeugt waren, fromm und gerecht zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

I

„Ein Mensch betrachtete einst näher / die Fabel von dem Pharisäer, / der Gott gedankt voll Heuchelei / dafür, dass er kein Zöllner sei. / Gottlob! rief er in eitlem Sinn, / dass ich kein Pharisäer bin“. So fasst der Dichter Eugen Roth das Gleichnis von Pharisäer und Zöllner und eine nicht ganz abwegige Reaktion darauf in treffende Worte.

Er bringt damit auf den Punkt, was wir Menschen wohl alle nur schwer lassen können und deshalb immer und immer wieder tun: Wir vergleichen uns mit anderen. „Also, so leben wie die…“ und jetzt können wir nach Belieben einsetzen: „immer unterwegs; nur Zuhause; nur für die Familie da; stets im Stress wegen des Berufes; ohne Kinder; mit so vielen Kindern; allein lebend; immer zu zweit; mit ständig wechselnden Beziehungen….“ - „also soooo leben - das könnte ich nicht. Wie gut, dass ich…“ Und dann einfach das Gegenteil des zuvor Genannten einfügen. Vermutlich kennen Sie das auch. Immer geht es darum, in einem Vergleich anders, besser zu sein als jemand anders.

II

Auch ich vergleiche mich und mein Leben zuweilen mit anderen. Und ich bin froh, wenn ich dabei in meiner Sicht auf mich selbst und mein Leben ganz gut abschneide und mit mir zufrieden bin. Ja, wir Menschen vergleichen einander: von körperlichen Merkmalen angefangen bis hin zu Besitz, Lebensweise, Charaktereigenschaften und anderem mehr. Auf diese Weise grenzen wir uns voneinander ab. Oder eifern einander nach. Entwerfen Ideen davon, wie wir sein wollen und leben möchten. An welchen Werten wir uns orientieren. So entwickeln wir unsere Identität und Individualität - und werden wir zu denen, die wir sind. Und Vergleiche können ja auch durchaus hilfreich sein. Sie helfen uns, sich unserer selbst zu vergewissern. Oder unser Leben zu ändern. „So fit wie der möchte ich auch sein…“ - und ab geht es zum Walking oder Jogging.

Wie vergleichen einander, um uns zu orientieren. Um unseren eigenen Weg zu finden. Dazu brauchen wir Vorbilder - so möchte ich sein. Diesen Beruf möchte ich auch einmal haben. So gelassen möchte ich auch durchs Leben gehen. Und wir brauchen auch negative Vorbilder: So möchte ich nicht leben. So eine will ich nicht sein. So ungeduldig, aufbrausend, oberflächlich - was auch immer… Also: Vergleiche mit anderen sind normal und menschlich.

III

Der Pharisäer, von dem Jesus erzählt, ist also einer wie wir: Ein Mensch, der sich mit anderen Menschen vergleicht. Er zählt er auf, was er Gutes in seinem Alltag tut: Er fastet zur rechten Zeit, will sagen: er kann sich beschränken, auf sich achten. Außerdem hält er sich an die Gebote des Glaubens und spendet auch noch reichlich: zehn Prozent von allem, was er einnimmt. Er denkt also an andere, denen es schlechter geht als ihm. Heute würden wir wohl anerkennend über ihn sagen: er ist sozial hoch engagiert, denkt nicht nur an sich selbst, sondern gibt anderen großzügig von dem, was er hat. Schließlich stellt sich dieser Mann noch Prototypen negativer Vorbilder vor Augen: Räuber, Ungerechte, Ehebrecher. Und er sagt: So wie sie bin ich nicht. Sie schaden anderen, indem sie nehmen, was ihnen nicht gehört. Das mache ich nicht. Insgesamt keine schlechte Bilanz, oder? Wenn wir uns mit diesem Mann vergleichen würden - wie würden wir wohl abschneiden?

Der Zöllner dagegen stellt erst gar keine Vergleiche an. Jedenfalls keine hörbaren. Vielleicht ist ihm klar, dass er bei solchen Vergleichen ziemlich schlecht dastehen würde. War sein Berufsstand doch damals geradezu berühmt-berüchtigt dafür, dass er sich nicht an Gottes Gesetzen orientierte: So schlugen die Zöllner auf die Steuern und Zölle, die sie eintrieben, noch willkürlich etwas für sich selbst darauf. Sie nahmen mehr von anderen als sie sollten und durften. Sicher, um so besser über die Runden zu kommen. Aber vorbildlich war das trotzdem nicht.

Dem Zöllner ist klar: Einen Vergleich mit anderen lässt er lieber gleich sein. „Gott, sei mir Sünder gnädig!“, sagt er deshalb nur. Ihm ist klar, wie wenig er durch sich selbst und sein Leben bestehen kann und dass er allein auf Gottes Güte und Gnade angewiesen ist.

IV

Genau das ist aber das Entscheidende für Jesus: Wir sollen verstehen, das nicht Vergleiche mit anderen das Entscheidende für unser Leben sind, sondern dass Gottes Güte und Gnade entscheidend sind. Denn ohne seine Liebe, seine Gnade, seine Güte ist alles nichts. Es geht also nicht darum, sich anderen überlegen zu fühlen. Nicht dem Zöllner. Nicht dem Pharisäer. Nicht dem Nachbarn, der Kollegin, dem Freund.

Sondern es geht darum, zu wissen, dass wir in unserem Leben auf je unsere Weise Gottes Barmherzigkeit und Liebe brauchen. Weil niemand von uns so lebt und leben kann, wie es vollkommen Gottes Willen für uns und unser Leben entspricht. Und würden wir uns auch noch große Mühe geben: ökologisch und ethisch korrekt in unserem Alltag, mit Geld und Engagement für Arme und Schwache, ständig voller Liebe und Freundlichkeit gegenüber anderen. Vollkommen Gottes Willen entsprechend zu leben - das schaffen wir nicht. Da stehen wir uns als Menschen buchstäblich selbst im Weg. Denn so wie Gott, so wie Christus vollkommen von uns selbst absehen und in Liebe und voller Hingabe für andere leben - das können wir nicht. Dass das so ist, macht unser Menschsein aus. Wäre es anders, wären wir nicht menschlich, sondern göttlich.

Diese Menschlichkeit zu erkennen, eine Menschlichkeit, die uns untereinander verbindet und uns einander gegenseitig als Menschen anerkennen lässt, genau darum geht es. Vor Gott und vor Menschen. Deshalb fordert Jesus uns auf, zu bedenken: Wo steht du, wie stehst du vor Gott? Wo stehst du, wie stehst du zu deinen Mitmenschen?

Wer sich selbst dabei als wahrhaft menschlich erkennt, versteht, wie sehr wir alle als Menschen angewiesen sind auf Gottes Güte und Barmherzigkeit. Und erkennt auch, wie sehr wir untereinander angewiesen sind auf unsere gegenseitige Barmherzigkeit. Auf Respekt und Rücksichtnahme. Auf Wohlwollen und Güte. Auf Verantwortung füreinander. Denn, wir merken es in diesen Corona-Zeiten besonders, wir Menschen sind nicht die souveränen Beherrscher der Natur. Und wir brauchen einander, unsere wechselseitige Verantwortung und Barmherzigkeit, um gut durch diese Zeit zu kommen. Was wir nicht brauchen, ist das gegenseitige Ausspielen auf Kosten anderer, um dann eigene Wünsche, Ansprüche und vermeintliche Freiheitsrechte rücksichtslos durchzusetzen.

Jesus erinnert uns: Du, ich, wir alle sind angewiesen auf Gottes Güte und Barmherzigkeit. Damit wir bei allen unseren menschlich-allzumenschlichen Vergleichen untereinander nicht vergessen, menschlich und mitmenschlich zu leben. Orientiert an der Barmherzigkeit, mit der Gott uns Menschen begegnet. Und damit wir einander akzeptieren und respektieren als Mensch unter Menschen: verletzlich, fehlbar, und dennoch zu Liebe und Freundschaft begabt, eben wunderbar-einzigartig. Deshalb: Lasst uns miteinander barmherzig sein. Denn Gottes Barmherzigkeit gilt uns allen. Amen.

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