Predigt auf der Landessynode
22. November 2024
Predigttext: zu Jeremia 29, 11-14
November 2018 - die zweite Landessynode der Nordkirche konstituiert sich.
In dieser Kirche verpflichtet Landesbischof Ulrich die Synodalen;
im Maritim-Hotel werden anschließend Ulrike Hillmann zur Präses
und Andreas Hamann und Elke König
zu den beiden Vizepräsides gewählt.
Gleich danach geht es zügig weiter:
mit Geschäftsordnung, Ausschussbildungen,
Sprengel- und Hauptbereichsvorstellungen,
ersten Gesetzeslesungen mit elaborierten Titeln
- damals war es das „Kirchengesetz über die Anpassung der Besoldung
und Verordnung 2018/2019/2020 sowie zur Änderung des
Kirchenbesoldungsgesetzes“ -
und einem Beschluss zur Vorbereitung einer Themensynode für 2019:
„Familienformen, Beziehungsweisen:
Vielfalt sehen und fördern – Menschen stärken“.
Was damals auf der ersten Tagung dieser Landessynode geschah,
bildete in nuce schon einmal ab,
was seitdem über sechs Jahre bis heute
das Tagesgeschäft der Synode und damit von Ihnen, von Euch,
liebe Synodale, liebes Präsidium, war.
Sechs Jahre angefüllt mit Tagungen,
Ausschusssitzungen, Beratungen und Beschlussfassungen.
Sie, liebe Synodale, haben mit einem Engagement,
das größte Hochachtung und höchste Wertschätzung verdient,
Grundsatzthemen unserer Kirche behandelt,
über Finanzen und Haushalt beraten und beschlossen,
Berichte gehört und diskutiert,
haben Zukunftsprozesse und zukünftige Wege unserer Nordkirche beraten.
Bischöfinnen und Bischöfe haben Sie gewählt und wiedergewählt,
Gesetze beschlossen und Gegenwart gestaltet,
sich in verschiedener Weise kontinuierlich
mit dem so wichtigen wie bedeutenden Thema
sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche befasst
und begonnen, sich mit dem damit verbundenen und nötigen Thema
eines Kulturwandels zu beschäftigen.
Manchen Abend und manche Nacht
haben Sie, habt Ihr zum Weiterdiskutieren genutzt,
damit es gute Lösungen und Beschlussfassungen geben konnte.
Und auch zum ausgelassenen fröhlich-sein miteinander.
Und mindestens ein Beschluss wurden sogar ausgelassen tanzend gefeiert…
Freundschaften sind dabei entstanden,
verlässliche und vertrauensvolle Beziehungen
und Verständigung über die Grenzen von Stadt und Land,
Ost und West, älter und jünger,
Haupt- und Ehrenamt hinweg.
Wie wunderbar -
und zugleich ein Beispiel dafür,
dass Gespräche Brücken bauen,
dass eine gut ausgeprägte Diskussionskultur
Verständigung und Kompromisse schafft -
genau das, was es in unserer Gesellschaft
gerade jetzt so dringend braucht.
Sie haben Themensynoden vorbereitet und
sich dort dann mit Themen befasst,
die nicht nur in unserer Kirche,
sondern gesamtgesellschaftlich bedeutend waren und sind -
ich nenne jetzt nur:
Familienformen und Beziehungsweisen,
Reden über Frieden und die Sondertagung zum Friedensthema,
Junge Menschen im Blick.
Für all das danke ich ihnen im Namen unserer Nordkirche heute von Herzen!
Dass all das aber überhaupt möglich war,
dass all das immer gut und sorgsam vorbereitet und geleitet wurde -
dafür gilt unser tierempfundener Dank,
unser großer Respekt und allerhöchste Wertschätzung Euch,
liebe Präses Ulrike Hillmann,
liebe Vizepräses Elke König und lieber Vizepräses Andreas Hamann.
Als Präsidium habt ihr auch in aufgeregteren Diskussionen
den Durch- und Überblick behalten und werdet ihn -
ich bin mir sicher! -
auch auf dieser Tagung behalten.
Ihr drei, liebe Ulrike, liebe Elke, lieber Andreas,
ihr ward in allem, was die Landessynode angeht,
ein fester Anker auch in stürmischen und bewegten Zeiten.
Umsichtig und verbindlich,
freundlich und humorvoll.
Du, liebe Präses Ulrike Hillmann,
hast dabei die wichtige und zusätzliche Aufgabe innegehabt,
die Landessynode in der Öffentlichkeit zu vertreten -
mit Statements in Presse, Funk und Fernsehen
und auch über deinen eigenen Social-Media-Kanal!
Danke dafür besonders an Dich
und danke an Euch als drei für alles, was ihr
und mit Euch zusammen das Synodenbüro
und jeweiligen Referent:innen der Präses
in den letzten Jahren geleistet habt,
damit diese Landessynode,
damit jede und jeder einzelne Synodale gut arbeiten konnte!
Dass ihr dabei auch Eure Kreativität
immer wieder unter Beweis gestellt habt -
von Sitzordnung bis kulturellem Abend,
vom gemeinsamen Pilgern bis zu digitalen Sitzungen in Corona-Zeiten -
das alles hat es uns allen gemeinsam leicht gemacht,
unter allen Umständen nicht nur arbeitsfähig zu sein,
sondern auch mit viel Freude
immer wieder hierher nach Travemünde zu kommen.
Auch dafür schon jetzt - und nachher noch einmal näher -
ein herzlicher Dank an Euch,
liebe Ulrike, liebe Elke, lieber Andreas!
Nun feiern wir Gottesdienst
auf der letzten Tagung dieser 2. Landessynode der Nordkirche.
Diese letzte Tagung findet statt in einer Welt,
die Ihnen, die Euch, die uns
vor sechs Jahren so wohl sicher nicht vor Augen stand,
damals vor Corona und vor einem Krieg inmitten Europas.
Diese letzte Tagung findet statt in einer Zeit,
die von Ungewissheit geprägt ist:
wie wird es weitergehen weltweit nach der US-Wahl,
wenn der neue Präsident und seine Minister und Berater
im Amt sein werden?
Wie geht es dann weiter in der Ukraine,
mit dem Krieg mitten in Europa?
Wie geht es weiter in Israel und Gaza?
Welche Auswirkungen des Klimawandels werden uns betreffen
und wie wird das aussehen?
Wie geht es weiter in unserem Land,
in dem gerade eine Koalition zerbrochen ist,
das Wort vom Verrat die Runde macht und
was werden die Wahlen im Februar nächsten Jahres bringen,
genau an dem Wochenende,
an dem sich die neu gewählte Landessynode konstituieren wird?
Was bringt die Zukunft für unsere Kirche,
was bringt die Zukunft für uns persönlich?
Ernste Fragen und Gedanken,
die ihren Ort finden an diesem Freitagabend
zwischen Buß- und Bettag und Ewigkeitssonntag.
An diesem Freitagabend finden uns Trostworte
aus vergangener Zeit und fremder Situation.
Worte des Propheten Jeremia an das Volk Israel,
das verschleppt im Exil voll banger Sorge war
um die Zukunft und voller Fragen,
wie es wohl weitergehen würde.
Der Gott Israels, von dem Jeremia spricht, ist der Gott,
den Jesus Christus „Vater“ nannte.
In dieser Linie können wir
den Trost des Propheten auch als Trost für uns hören,
in ganz anderer,
aber auch ungewisser und nach Trost suchender Zeit.
Wie aber tröstet Jeremia in scheinbar aussichts-
und perspektivloser Situation?
Und was schenkt er damit auch uns?
Zunächst einmal:
Jeremia bleibt nicht stehen beim Beharren auf dem Status quo.
Zum einen ermutigt er zu Abstand und Vernunft:
Lasst euch nicht verführen!
Nicht durch Ideologien und
schon gar nicht durch die Sehnsucht zurück in vergangene
und vermeintliche bessere Zeiten.
Danach, dass es einmal wieder so schön wird,
wie es ja sowieso nie war.
Trost kann heißen,
sich nicht von solchen illusionären Sehnsüchten
anstecken und irre machen zu lassen.
Sondern dagegen Widerstandskraft zu bewahren,
den Sinn für die Realität zu behalten und in dieser Realität
einander zu trösten mit gegenseitiger Rückenstärkung.
Und dann spricht Jeremia davon,
wie man angesichts von Ungewissheit leben kann.
Er beschreibt dabei eine Spannung:
ganz in der Gegenwart leben mit allem,
was darin schwer und leidvoll ist,
und zugleich ganz aus Hoffnung und Zukunft leben.
Das geht, wenn man die Gegenwart
in einen Zusammenhang stellt.
Denn die Gegenwart hat mit der Vergangenheit zu tun,
aus der wir kommen,
mit dem, was wir und andere getan
oder auch nicht getan haben.
Sie hat deshalb auch mit der Einsicht
in eigenes Versagen und eigene Schuld zu tun.
Wichtig aber ist:
die Gegenwart steht im Zeichen der Zukunft Gottes,
der guten Zukunft Gottes:
Denn ich weiß wohl,
was ich für Gedanken über euch habe,
spricht der Herr:
Gedanken des Friedens und nicht des Leides,
dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.
Jeremia erinnert damit:
was auch immer war und was auch immer ist -
das ist das Ende nicht.
Er weckt die Hoffnung,
dass alles auch wieder ganz anders werden kann
als es einmal war und als es jetzt ist.
Und er ermutigt:
Seid offen genau dafür.
Denn Gott hat gute Gedanken für euch.
Alles kann anders und besser werden,
ja, es wird anders und besser werden.
Das ist keine billige Vertröstung.
Die Veränderung zum Guten kommt auch
nicht einfach über Nacht
oder fällt von heute auf morgen vom Himmel.
Aber: sie kommt.
So zu leben,
so das Leben zu verstehen,
in der Gegenwart, aber ausgestreckt auf eine Zukunft hin,
und von einer Zukunft her, die gewiss kommt und
die jetzt und hier schon beginnt -
das meint:
leben im Glauben.
Und das bedeutet auch:
scheinbare Selbstverständlichkeiten,
und scheinbar alternativlose Entscheidungen,
nicht als fraglos und alternativlos hinzunehmen.
Sondern nachfragen und reden
und Ideen entwickeln darüber hinaus.
Weil wir ausgerichtet auf eine Zukunft leben,
in der Frieden und Hoffnung bestimmend sein sollen,
nicht Angst, Hunger, Krieg und Leid.
So ist auch das prophetische Amt der Kirche zu verstehen:
ganz in der Gegenwart
und zugleich ganz aus Hoffnung und Zukunft leben.
Mit allen Menschen die Hoffnung teilen,
dass Gottes Zukunft schon jetzt anfängt,
Gegenwart und Wirklichkeit zu werden -
auch gegen allen Augenschein -
und dass sie uns und andere ergreift und verändert.
In der Gegenwart leben als solche,
die nicht aus der Vergangenheit heraus leben,
sondern aus Gottes Zukunft -
und also: aus Hoffnung.
Denn ich weiß wohl,
was ich für Gedanken über euch habe,
spricht der Herr:
Gedanken des Friedens und nicht des Leides,
dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.
Diesen Trost Gottes gebt einander weiter.
Teilt ihn mit anderen.
Mischt euch ein in eine oft trostlose Welt,
sorgt mit dafür, dass sie anders wird:
friedlicher, tröstlicher,
voll Hoffnung und Zukunft!
Und vergesst nicht:
wie auch immer die Gegenwart ist -
das heißt noch lange nicht,
dass wir nichts tun könnten,
um sie friedlicher, barmherziger, liebevoller zu machen,
bis in Gottes Zukunft dann alle Tränen abgewischt werden
und Not, Leid, Geschrei und der Tod ein Ende haben.
Amen.