Predigt Heiligabend 2009 in Redefin und Leußow
24. Dezember 2009
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde!
Vielleicht haben Sie Ähnliches zu Weihnachten erlebt: Bei uns zu Hause warteten wir in einem fast dunklen Zimmer auf die Bescherung. Dann endlich geschah es: Durch die verhängte Glastür sahen wir im Weihnachtszimmer nebenan Lichtpunkte aufleuchten – erst einen, dann immer mehr. Schließlich, die Spannung war kaum noch auszuhalten, rief uns ein Glöckchen ins Weihnachtszimmer. Strahlend erwartete uns Mutter neben dem leuchtenden Weihnachtsbaum. Wir traten aus dem Dunklen ins warme Licht.
Im Grunde drückt sich in diesem schlichten Brauch das Wesen von Weihnachten aus: Im Dunkel beginnt etwas, wartet, lebt.
Aus diesem Dunkel führt ein Weg.
Dieser Weg führt ins Licht – wie bei einer Geburt.
Manchmal scheint die Dunkelheit ausweglos und unüberwindbar. Vom Volk, das im Finstern wandert, redet der Prophet Jesaja. Und es scheint, als wanderte dieses Volk im Finstern durch die Zeiten bis heute:
Auch heute gibt es Menschen, denen das Nötigste zum Leben fehlt.
Auch heute sind da Menschen, die sich innerlich leer fühlen.
Auch heute gibt es Menschen, die nichts sehen, worauf sie sich
wirklich freuen könnten.
Doch der Prophet verheißt:
‚Es wird nicht dunkel bleiben.
Das Volk, das im Finstern wandert, wird ein großes Licht sehen.
Über ihm strahlt ein Glanz auf.’
„Denn“, so jubelt er, „ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben.“
Schwestern und Brüder, Freude über ein Kind, das uns geschenkt wird – wir kennen das aus ganz verschiedenen Zusammenhängen:
Da hat ein Paar lange auf ein eigenes Kind gewartet. Und dann erfüllt sich endlich dieser Wunsch. Die Geburt ist eine überwältigende Erfahrung. Die Eltern können es nicht fassen – so ein kleines Wesen, die Frucht ihrer Liebe, und doch schon ein eigener Mensch.
Oder ich denke an einen Bekannten von mir. Furchtbares hatte er erlebt: Seine Töchter und seine Frau waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er selbst bekam Krebs. Aber dann entdeckt er in der Klinik auf der Kinderstation eine kleine Mitpatientin – schwer krank, wie er selbst. Sie trägt doppeltes Leid: Nicht nur, dass sie so krank ist – zudem wird sie von ihren Eltern nie besucht, ja sogar ganz und gar abgelehnt. Der Mann nimmt sich dieses kleinen Mädchens an, liest ihm Geschichten vor, schenkt ihm seine Zuneigung. Er sorgt dafür, dass es in eine Familie aufgenommen wird, die es liebhat. Ich glaube, die Beziehung zu diesem Mädchen hat ihm geholfen, zurück ins Leben zu finden.
Lichtpunkte im Leben von Menschen, denen ein Kind gegeben wurde:
Da ist eine Kirchgemeinde, die Kinder aus der Gegend um Tschernobyl zu sich einlädt, damit sie sich hier bei uns in Mecklenburg erholen können. Viel Mühe ist damit verbunden in der Organisation und der Betreuung. Aber jedes Jahr machen sie es wieder. Das ganze Dorf beteiligt sich, denn jeder kann etwas beitragen: selbstgemachte Marmelade, etwas von der letzten Schlachtung, Mitfahrgelegenheiten für den Ausflug, Geld- oder Spielzeugspenden, alte Russischkenntnisse oder einfach Zeit und Zuneigung. Sie tun es alle Jahre wieder, denn sie spüren: Wir selbst werden durch die auflebenden Kinder beglückt. Und die gemeinsame Aktion schafft auch unter uns Gemeinschaft, verbindet uns untereinander.
Oder stellen wir uns einen Menschen vor, dessen Leben wie erstarrt ist: Immer die gleichen Abläufe, alles geht seinen gewohnten Gang. Und wenn er sich klar macht, wie viele Jahre er noch so „funktionieren“ soll, wird ihm eng ums Herz. Aber dann begegnet er einem Kind, das ihn anrührt und bewegt in seiner Lebendigkeit, mit seiner Phantasie. Seine Freude am Spiel hat etwas Ansteckendes. In der Freundschaft zu diesem Kind beginnt sich etwas zu lösen. Der Erwachsene verblüfft sich und seine Bekannten, indem er Lust hat, Neues auszuprobieren: Wo vorher alles seinen Nutzen und seinen Zweck haben musste, da macht er zunehmend Dinge, die einfach nur schön sind. Seine Seele atmet auf. Das Gefrorene beginnt zu tauen. Als wäre das Kind in ihm wieder lebendig geworden . . .
Liebe Gemeinde, das Leuchten von Weihnachten hat in all diesem seinen Widerschein. Heute aber feiern wir das Licht des Lebens selber, das in Dunkelheiten scheint. Wir feiern nicht nur die Kinder, die uns anvertraut werden. Wir feiern die Geburt des Kindes, auf dem alle Hoffnung ruht: Gott kommt in diesem Kind zur Welt. Jesus heißt es – wörtlich übersetzt: „Gott rettet“. Durch diesen Jesus beginnt es heller zu werden für die Menschen, die im Finstern leben: Kranke hat er geheilt, Hungernde gespeist. Ein Beispiel hat er gegeben und seinen Jüngern und uns gesagt: ‚Gebt ihr ihnen zu essen! Bleibt 3 nicht bei euch selbst. Wer da hingibt, der empfängt. Das wird euch glücklich machen. Was ihr für die Bedürftigen tut – es ist, als tätet ihr es mir.’
Ja, Schwestern und Brüder, Menschen, denen es am Nötigsten fehlt – sie können auf uns hoffen. Das Wenige, was wir tun können, ist viel: Anteil aneinander nehmen, Kindern und Jugendlichen Zeit und Aufmerksamkeit schenken, eine Kinderpatenschaft übernehmen – mit einem Euro am Tag ein Menschenleben retten! Etwas davon vermögen wir.
Aber mich bewegt auch die Frage: Was kann Christus Menschen bedeuten, die unter ihrer inneren Leere leiden, die nicht wissen, was sie mit wirklicher Freude erfüllen kann?
Vielleicht würde ihnen Christus heute sagen:
‚Gib dich nicht auf vor der Zeit.
Es ist kostbar, dein Leben und das, was da noch zur Welt kommen soll.
Vielleicht drücken deine traurigen Gefühle ja etwas Richtungweisendes aus –
nämlich, dass die Seele mehr braucht als Erfolg und Wohlstand und
den nächsten Kick,
dass du innerlich nicht leben kannst von dem, was angeblich so wichtig ist.
Vielleicht bereitet sich gerade jetzt in deiner Krise die Wende zu einem
erfüllteren Leben vor, und etwas Neues wartet darauf, geboren zu werden. Lass dir nicht einreden, deine Geburt liege lange hinter dir und jetzt seiest du zu
alt für eine Veränderung.
Du bist immer noch im Werden.
Das ganze Leben ist ein Geboren-Werden!
Ein Wachsen aus dem Dunkel ins Licht – ein Wachsen zu Gott hin.
Zugegeben, wenn du alles Gute allein aus dir schöpfen müsstest – die
Aufgabe wäre zu schwer.
Aber Gott ist da und wird dir beistehen.
Wenn du ihn von ganzem Herzen suchst, wird er sich finden lassen –
und ein erfülltes Leben dazu.
Schwestern und Brüder, heute, am heiligen Abend, macht Gott es uns leicht:
Er drückt uns einfach sein Kind in den Arm.
Es ist einfach da und strahlt uns an.
Das Kind in der Krippe überfordert uns nicht.
Wir müssen nicht irgendwie besonders sein.
Auch wir sind einfach da.
Gefühle dürfen kommen, Sehnsucht darf sein,
aber nichts muss.
Der Glanz, der von diesem Kind ausgeht, ist wie ein großes Ja zu uns:
Wir dürfen leben – und das Leben kann sehr schön sein.
Wir brauchen nicht perfekt zu sein vor diesem Kind.
Es weiß, wir sind noch im Werden.
Zum Glück sind wir noch lange nicht fertig.
Zum Glück darf noch zur Welt kommen, was in uns angelegt ist.
Wir dürfen leben, denn wir sind gewollt –
von Gott gewollt, der in Wahrheit unser Vater ist,
und wir – seine Wunschkinder.
Gott sagt uns durch das Kind der heiligen Nacht:
Ich bin bei dir. Darum – hab Vertrauen!
Immer – auch im Letzten – ist es derselbe Weg:
Vom Dunkel gehst du ins Licht.’
Liebe Gemeinde,
ein Kind ist uns geboren, der Sohn Gottes uns gegeben.
Im Leben mit ihm wird unser Leben heil.
Was mit Jesus von Nazareth begonnen hat, ist nicht aufzuhalten.
Es wird kommen der Tag, da wird das Licht der Welt die Finsternis bezwungen
haben. Und es wird Friede sein.
Lebt mit dieser Hoffnung, lebt weihnachtlich!
Amen.
Und der Friede . . .
Lied: O du fröhliche 1-3