Predigt im Festgottesdienst „400 Jahre Taufen – 400 Jahre Taufstein“
27. Juni 2024
Liebe Geschwister, besonders: liebe Kirchenälteste, liebe Synodale, liebe Schwester Wegner-Braun, liebe Schwester Rugenstein, liebe Freundinnen und Freunde der Kirche Sankt Johannis auf Hallig Hooge, liebe Festgemeinde!
Ein Jubiläum, zwei Feste: wie wunderbar ist dieser Tag! Es freut mich sehr, heute bei Ihnen zu sein. Wir feiern - Ihren Taufstein! Im Jahr 1624, also vor 400 Jahren, ist er als ein Geschenk der Grafen von Schwerin und Schulenburg entstanden und damit sogar älter als diese Kirche selbst. Auf seine Weise erinnert er damit auch daran, dass das Christentum aus der Taufe entstanden ist, und zwar schon, bevor es feste Kirchbauten gab. Und zugleich ist es die Erinnerung daran, dass auch das persönliche Christsein - vor allem anderen - seinen Grund in der Taufe hat. Und das nicht nur in dem einmaligen Akt der Taufe, sondern täglich neu. So, wie es Martin Luther in seinem kleinen Katechismus als tägliche Konsequenz beschrieben hat: dass nämlich „wiederum täglich herauskomme und auferstehe ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.“
Damit ist 400 Jahre Taufstein zugleich auch ein Tauferinnerungsfest! Denn „400 Jahre Taufstein in St. Johannis auf Hallig Hooge bedeutet ja zugleich: 400 Jahre Taufen hier in Sankt Johannis und in ihren Vorgängerkirchen. So haben Sie es gut sichtbar in die Einladung geschrieben. Und Sie zeigen damit: Hier ist ein Ort, an dem getauft wurde, getauft wird und auch weiterhin getauft werden werden wird! Viele Familien haben hier die wichtigen Momente des Lebens gefeiert: zuallererst die Taufe eines Kindes oder eines Erwachsenen. Aber dann auch: Konfirmation. Hochzeit! Und auch das ist diese Kirche: ein Ort zum Abschiednehmen, ein Ort für Trauer und Trost in den Krisenzeiten des Lebens. Es bewegt mich zu hören, dass durch das heutige Fest etliche Menschen neugierig geworden sind und sich erkundigt haben, was heute hier los ist in ihrer Kirche, der Taufkirche ihrer Familie! Wie schön, dass es diese Verbundenheit gibt - mit diesem Ort, mit dieser Kirche, mit den Menschen hier und nicht zuletzt mit dem, unter dessen Namen Taufe wie Taufstein stehen: Jesus Christus!
Der Taufstein prägt die Geschichte dieser Kirche in besonderer Weise, erinnert er doch an den Grund und das Ziel unseres Glaubens: Christus allein. Aber auch in anderer Weise ist diese Kirche künstlerisch und ganz pragmatisch geprägt: Pragmatisch und kunstvoll zugleich ist zum Beispiel das Fundament aus Muscheln: Wenn die Kirche bei einer Sturmflut voll Wasser läuft, kann das Wasser durch das Muschelfundament von selbst wieder abfließen. Hoffen wir, dass das nicht nochmal nötig ist. Tiefgründig, und das meint, tief geistlichgegründet, ist aber auch die Gestaltung dieser Kirche: so muss jede Person, die hier predigen möchte, ob Pastorin, Pröpstin oder Landesbischöfin, durch die Walfischtür gehen, um auf die Kanzel zu gelangen. Sie erinnert mit einer Walfischmutter und ihrem Jungen an Zeiten des Walfangs, lässt aber auch an eine biblische Geschichte denken. An eine Geschichte, in der es um drohenden Untergang geht und darum, wie dieser abgewendet wird.
Es ist die Geschichte vom Propheten Jona. Der sollte den Menschen in der reichen Stadt Ninive ihren bevorstehenden Untergang ansagen, wenn sie nicht umkehren und ihr Leben grundlegend ändern. Umkehr, das meint in der Bibel immer: sich besinnen auf die Ursprünge alles Lebens und alles Guten bei Gott, sich neu orientieren an Gottes Geboten als Wegweisung zu einem guten Leben für alle.
Jona soll im Auftrag Gottes deshalb beim Namen nennen, was schief läuft in Ninive. Er soll dieser großen Stadt voller Menschen den sicheren Untergang ankündigen, wenn sie sich nicht umgehend ändern. Das aber erscheint ihm so schwer, dass er lieber gar nichts tun will und davonläuft. Er flüchtet sich anderswohin. An einen dritten Ort sozusagen, auf ein Schiff. Als das wiederum in schwere Seenot gerät, lässt Jona sich von den Seeleuten über Bord werfen. Denn er meint, dass er schuld an der Situation ist, weil er sich Gottes Auftrag entzogen hat. Jona aber stirbt nicht in den rauen Meereswellen, sondern er wird von Gott gerettet und findet sich im Bauch eines Wales wieder. Drei Tage lang bleibt er dort, drei Tage dem Alltag entzogen, allen Irrungen und Wirrungen, auch allen Gefahren. Was macht man drei Tage im Bauch eines Wales? Jona jedenfalls betet und singt, spürt seinem Weg mit Gott nach. Schließlich wird ihm klar: „Du Gott, hast mein Leben aus dem Verderben geführt.“ Und Jona versteht: Gott lässt zu, dass er davongelaufen ist, Gott lässt auch zu, dass er Umwege geht, aber er entlässt ihn nicht aus seinem Auftrag und er lässt ihn auch nicht untergehen. Sondern: Gott rettet, behütet, bewahrt. Weil er es zugesagt hat und sich treu ist.
Deshalb nimmt auch Jona schließlich seinen Auftrag, war. Er geht nach Ninive und verkündet dort den drohenden Untergang. Wider alles Erwarten aber verschließen die Bewohner von Ninive nicht ihre Ohren vor seiner Botschaft, sondern sie hören ihm zu und ziehen die richtigen Konsequenzen aus seinen Worten. Tatsächlich verändern Sie ihr Leben - sie kehren um, sie orientieren sich neu an Gott, und die Stadt Ninive wird schließlich vor dem Untergang gerettet.
Ob die Walfisch-Tür hier in ihrer Kirche auch daran erinnern will? Kehrt um, besinnt euch neu auf Gottes Gebote? Unter dem großen und kleinen Walfisch, die sich oben auf der Tür tummeln, stehen die Worte: „Der Ein- und Ausgang mein, lass dir, o Herr befohlen sein“. Sie sind zunächst für die durch diese Tür gehenden Predigenden gedacht und zugleich doch auch für alle Menschen. Was immer in unserem Leben geschieht, sagen sie, von Anfang bis Ende steht es in Gottes Hand. So wie es bei der Taufe am Taufstein als Gottes Wort zugesagt wird: „Fürchte dich nicht. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ Mein Leben, dein Leben, unser Leben, das Leben aller Geschöpfe, der menschlichen wie der nicht-menschlichen gehört Gott. Es steht allein in Gottes Hand. Für die Menschen zur Zeit des Propheten Jona war dabei auch klar: am Umgang der Menschen mit der Natur, mit den nicht menschlichen Geschöpfen kann man ablesen, wie es um das Verhältnis der Menschen zu Gott bestellt ist. Und wenn die anderen Geschöpfe in Gottes Schöpfung nicht geachtet werden, wird auch Gott als Schöpfer allen Lebens nicht geachtet. Dann aber, ohne eine Beziehung zu Gott als Grund und Ziel allen Lebens, drohen Untergang und Katastrophe.
Helfen kann dann nur eine klare Umkehr, oder, in der Sprache der Bibel: Buße. Buße heißt Innehalten, Neubesinnung auf Gott als Grundlage und Ziel unseres Lebens. Was könnte das heute heißen?
Ich denke: Angesichts der weltweiten Klimakrise könnte eine Rückbesinnung auf den Schöpfungsglauben hilfreich sein. Darauf, dass alles Leben von Gott geschaffen und in einem Zusammenhang steht, den wir Menschen neu achten und respektieren müssen.
Im 1. Artikel des Kleinen Katechismus Martin Luthers heißt es: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält“. Schöpfungsglaube wird hier ganz elementar gefasst: „Gott hat mich geschaffen“ - das verweist auf unsere Abhängigkeit und Gebundenheit an Gott und steht im klaren Widerspruch zu allen Phantasien allein selbstherrlicher menschlicher Selbstkonstituierung. „Samt allen Kreaturen“ - wir sind eingebunden in den Gesamtzusammenhang der Schöpfung, Gottes Segen und Gottes Bund gelten nicht allein uns Menschen, sondern sie gelten auch uns im Zusammenhang unserer Mitgeschöpflichkeit. „…und noch erhält“ - Schöpfung und Erhaltung sind verbunden, Gott hat seine Schöpfung nicht verlassen. Im Gegenteil, seine lebenserhaltende Kraft wirkt ununterbrochen, schafft neues Leben, selbst über die uns erfahrbaren Grenzen des Lebens hinaus.
An dieser fortwährenden und nicht endenden Schöpfung Gottes mitzuarbeiten, das ist nach Martin Luthers Beschreibung die Aufgabe von uns Menschen. Und das heißt: die guten Gaben von Gottes Schöpfung nicht nur selbst zu genießen, sondern auch mit der nächsten und übernächsten Generation zu teilen. Hier auf Hallig Hooge heißt das auch ganz konkret, Menschen und Warften gegen die wohl zukünftig häufigeren und höheren Fluten zu schützen. Und das hängt damit zusammen, die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen. Als Nordkirche versuchen wir, das unsere dazu beizutragen - z.B. mit unserem nordkirchlichen Klimaschutzplan. Hier im Kirchenkreis beeindruckt mich das Engagement für Klimaschutz besonders: bis 2031 wollen Sie klimaneutral werden. Ein ambitioniertes Ziel, das die Kirchenkreissynode vor wenigen Jahren beschlossen hat - und den Wort folgen Taten, u.a. durch Gebäudesanierungen und CO2-Einsparungen in den Kirchengemeinden, unterstützt von einem Klimamanager.
Ihr Engagement im Kirchenkreis und hier auf Hallig Hooge ist ein Hoffnungszeichen. Es macht anderen Mut. Denn noch ist Zeit zur Umkehr. Zeit, sich in der Umgestaltung unserer Gesellschaft hin auf eine klimagerechte Zukunft zu orientieren. Das haben Sie auf Hallig Hooge immer wieder deutlich gemacht als Teil eines weltweit kooperierenden Ökumenischen Netzwerks! Denn Hallig Hooge mag eine der kleinsten Gemeinden in Deutschland sein; es ist aber auch eine Gemeinde, die vielleicht mit am deutlichsten zeigt, wie der Klimawandel schon jetzt uns alle betrifft.
Angesichts von erfahrenem Leid eine bessere Zukunft vorausdenken: das ist der Mut der Frauen, die nach der zweiten Groten Mandränke mit tausenden Toten und zerstörten Gebäuden Aus dem Schutt den Taufstein gerettet haben, der hier und heute im Mittelpunkt steht und an dem seit 400 Jahren Menschen aus der Taufe in ein neues Leben mit Christus gehoben werden. Was für ein Zeichen der lebendigen Hoffnung, die aus dem Tod in neues Leben führt! Es ist die Hoffnung auf Auferstehung, aus neues Leben auch dann, wenn wir nicht einmal ahnen, wie es aussehen könnte - mitten im Leben und am Ende allen Lebens. Mögen Sie und alle, die in dieser Kirche getauft wurden und getauft werden, möge Gott alle, die hier ein- und ausgehen, möge Gott uns alle segnen, behüten und bewahren. Denn „Fürchte dich nicht“, spricht Gott. „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ Amen.