Predigt im Gottesdienst zum Landeserntedankfest
05. Oktober 2025
Lk 12, 15-21
Liebe Gemeinde hier in Wilster!
Was für eine schöne Geschichte, die wir eben aus der Bibel gehört haben. Das Land hatte gut getragen. Die Ernte ist groß, die Kornkammern reichen nicht.
Und ganz ähnlich las sich ja die diesjährige Erntebilanz aus Schleswig-Holstein, die vor gut 2 Wochen veröffentlicht worden sind. Gute Ernteerträge. Nicht überall, aber insgesamt.
Da wird der Wunsch des Bauern aus der Bibelgeschichte heute wahrscheinlich auf viel Verständnis treffen: Gute Ernte, dann soll es jetzt doch auch mal gut sein mit den Sorgen. Ich baue mir eine Scheune, die groß genug ist, und dann ist für viele Jahre der ständige Stress vorbei.
Aber, nicht nur die Menschen, die diese Gleichnisse aufgeschrieben haben, auch wir hier in Wilster wissen: So leicht kommen wir leider nicht davon. Es gibt auch trotz guter Ernte Grund zur Sorge: Niedrige Getreidepreise, gestiegene Produktionskosten, unvorhersehbare Wettereskapaden. Aber auch: eine plötzliche Krankheit, der Produktionsleiter auf dem Hof kündigt, eine Ehe zerbricht. So vieles kann schnell die Freude über die gute Ernte zunichtemachen. Auch, wenn es hoffentlich nicht immer gleich so hart endet wie bei dem Bauern, der in derselben Nacht gleich sein ganzes Leben verliert…
Die entscheidende Botschaft dieser biblischen Geschichte ist: Liebe Menschen, bildet euch nicht ein, dass ihr euch auf eurem Reichtum ausruhen könnt. Dass ihr euch mit großen Scheuen – übertragen: mit genügend Rücklagen, mit Absicherungen zu allen Seiten – schützen könnt. Dass ihr damit eurer Seele Ruhe schenkt. Denn das Leben bleibt unberechenbar. Glaubt nicht, dass ihr selber die Regisseure eures Lebens seid.
Obwohl der Wunsch danach überall in unserer Gesellschaft groß ist. Umso schwerwiegender ist das momentan um sich greifende Gefühl: Wir haben so wenig wirklich in der Hand – die Weltpolitik schlägt Kapriolen, die Kriege werden nicht weniger und rücken sogar näher, die Verunsicherung vieler über den richtigen Kurs in so vielen Fragen steigt und steigt.
Es ist ja eben nicht so, dass wir sorglos und frei durchs Leben trudeln, so schön das auch wäre. Aber so ist es eben nicht. Und deshalb geht es heute am Erntedankfest 2025, genau um einen solchen Text. Um die Sorge geht es.
Sich zu sorgen ist menschlich. Wir sorgen uns viel. Wahrscheinlich zeichnet es uns Menschen sogar aus, dass wir uns Gedanken machen um etwas, das noch nicht eingetreten ist, aber eintreten könnte. Man könnte die Sorge definieren als das gedankliche Vorwegnehmen einer subjektiv erwarteten Not oder Gefahr.
Ein kleines Beispiel aus meiner beruflichen Praxis: Ich war fünf Jahre lang Geschäftsführerin eines Tagungshauses unserer Kirche in Nordfriesland, das sehr auf Nachhaltigkeit achtet, auf regionale Produkte. Und ich habe da immer wieder bei den vielen Gästen erlebt, dass sogar die Sorge nach ganz elementarer Grundversorgung ganz tief auch bei jenen verankert ist, die eigentlich gar keine echte Not, keinen echten Hunger mehr kennen und auch noch nie kannten. In der Küche wurde immer wieder neu überlegt, wie die große Menge am Buffet übriggebliebenem Essen reduziert werden könnte. Und wir haben uns dazu verpflichtet, den in Hotels als normal empfunden ständigen Überfluss an Speisen nicht mitzumachen. Das bedeutet konkret: es wird am Frühstücksbuffet nicht ständig neu aufgefüllt, wenn eine Sorte Wurst oder Käse alle ist. Es ist auch beim Mittagsbuffet einfach einmal etwas alle.
Immer wieder habe ich jedoch erlebt: Schon eine leere Schüssel Nudelsalat oder nur noch eine Scheibe Wurst in der Auslage stresst manche Menschen extrem. Sie rennen zur Küche und beschweren sich. Sie können kaum abwarten, ob jetzt wirklich noch Nachschub kommt. Dabei würde sicherlich niemand von ihnen ernsthaft hungern, wenn sie an dieser Stelle mal verzichten müssten. Aber die negative Bewerbung bei booking.com ist garantiert.
Daran muss ich immer denken, wenn ich über das menschliche Sorgen nachdenke. Die Angst, nicht genug zu bekommen. Die Angst, es würde uns etwas aus den Händen gleiten. Kontrolle über unser Leben, unsere Finanzen, unsere Ernte, sitzt tief.
Und doch passiert das immer wieder. Passiert genau das, wovor wir uns fürchten.
Egal, wie gut wir vorsorgen – finanziell, Gesundheit – das schützt uns bekanntlich ja nicht davor, dass wir trotzdem in eine finanzielle Schieflage geraten. Dass wir schwer erkranken. Dass die Ernte trotz bester Vorbereitung durch zu viel und zu starken Regen sprichwörtlich ins Wasser fällt.
Und das ist ja auch zutiefst wahr. Die Güter, über die wir verfügen, gehören uns nicht. Wir können versuchen, bestmöglich zu planen. Aber wir sind nicht die Regisseure über Wind und Wetter, über unsere Gesundheit, unser Leben.
Wie aber sieht eine Grundhaltung aus, in der wir leben können? Also eine Haltung, die ganz genau weiß, dass ich nicht alles in der Hand habe. Egal, wie viel Geld ich habe oder wie viel Vorsorge ich treffe.
In der biblischen Geschichte heißt es etwas anders, meint aber dasselbe: irdische Schätze sammeln reicht nicht, denn die können uns jederzeit genommen werden. Was uns dagegen resilient mache, sei: Reich zu sein bei Gott.
Ich möchte zusammen mit Ihnen noch einen Moment genau über diesen Satz nachdenken. Was heißt das denn, reich zu sein bei Gott?
Es geht in den nachfolgenden Sätzen in der Bibel immer wieder darum, dass wir irdischen Reichtum niemals verwechseln dürfen mit innerem Reichtum. Das mündet dann in den Satz von Jesus: „Wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.“
Reich sein bei Gott. Und im Grunde genommen geht es in allem nur um diese eine Frage, die wir uns alle immer wieder selber zu stellen haben, auch heute: Was hat in meinem Leben Priorität? Was ist mir so wichtig, dass ich dafür bereit bin, anderes aufzugeben?
Und Jesus sagt sehr deutlich: Sei nicht so naiv und setze alles ausschließlich auf irdische Dinge. Eine volle Kornkammer. Viel Geld auf dem Konto. Ein großes Haus. Denn all das kann dir wieder genommen werden. Und manchmal schneller, als du denkst. Überdenk also deine Prioritäten.
Das ist es, was Jesus hier mit Schatz meint: Auf die innere Ausrichtung schauen. Was ist kostbar in meinem Leben? Und denken Sie gern parallel mit – was würden Sie Jesus hier antworten? Ich bin mir sicher, dass viele hier sehr schnell klare Antworten geben können. Und dass viele Kostbarkeiten und Schätze hier in dieser Kirche sind. Die Kinder und Enkel. Der Mann, die Frau. Überhaupt – die Familie. Aber auch: Tiere. Die Natur. Insgesamt: Die Schöpfung. Führen Sie Ihre eigene Liste gern fort.
Das, was hier entsteht, ist Ihre eigene Dankesliste. Eine Liste über Ihre ganz persönliche Ernte. Das, was Sie heute ganz persönlich hier vor den Altar legen können. Die kleinen und großen Geschenke, die Ihnen Gott in Ihrem Leben schon gemacht hat.
All diese Schätze zahlen ein auf die Habenseite unseres Lebenskontos. Und Jesus sagt uns heute ganz deutlich: Vergiss das nicht. Vergiss nie, wo die wirklichen Schätze deines Lebens verborgen sind. Achte sie. Hege und pflege sie. Sage Danke. Zu denen, die du lieb hast. Lieber einmal mehr am Tag als einmal weniger.
Dankbarkeit ist hier das entscheidende Moment. Denn es richtet meinen Blick weg von dem, was ich „habe“, hin zu dem, was mir geschenkt ist. Was sozusagen unverfügbar ist. Aber was ich so dringend brauche, um glücklich zu sein. Und das sind – allem voran – bei den allermeisten Menschen ihre Beziehungen. Familie, Freunde, Kollegen, Bekannte. Vieles ist einfacher zu tragen, wenn wir nicht allein sind. Auch die Freude über eine gute Ernte ist übrigens noch viel schöner, wenn sie mit anderen geteilt werden kann.
Wenn wir dieses Erntedankfest also als eine Gelegenheit nehmen, auf unsere eigene Dankesliste zu schauen. Auf das, was es an guter Ernte in unserem Leben gibt. Dann kommen wir auch gesellschaftlich schon einen Schritt weiter. Denn Dankbar sein können ist eine kostbare Tugend, die auch uns als Gesellschaft stark und widerstandsfähig macht gegen alle Mächte, die uns momentan anderes einflüstern wollen.
Amen