17. November 2023

Predigt im Gottesdienst zur Synode Altholstein

17. November 2023 von Nora Steen

Predigttext Jes 55

Liebe Synodale,

„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
und eure Wege sind nicht meine Wege, …“, so die Tageslosung aus dem Buch des Propheten Jesaja.

Wege sind Sie gegangen in den vergangenen Jahren. Und gedacht haben Sie auch – in unzähligen Synoden, Ausschüssen, am Rand von Gottesdiensten, Veranstaltungen, sicherlich auch in vielen abendlichen Telefonaten, um Dinge noch nach- oder vorzubesprechen.

Intensive Jahre des gemeinsamen Arbeitens und Nachdenkens liegen hinter Ihnen.
Vieles haben Sie auf den Weg gebracht für Altholstein. An manchen Stellen wird es auch nicht so geklappt haben, wie Sie es sich vorgestellt haben.

Und nun spricht dieser Vers da hinein – so, als ob Gott sagen würde: Ist ja schön, dass ihr euch Gedanken gemacht habt über unsere Kirche, – in Kiel, Neumünster oder hier in Holtenau – dass ihr Wege gegangen seid, in den Gemeinden, in den Diensten und Werken – euch das Hirn zermartert in Fusionsprozessen, Zukunftsüberlegungen – aber MEINE Gedanken und Wege sind das dadurch nicht automatisch.

Und nun? Was können wir also damit anfangen mit diesem Vers, ohne dass das einfach nur wie eine billige Vertröstung klingt, nach dem Motto: Es ist halt nicht so gekommen, wie ich es mir gewünscht habe, aber ist ja auch klar – denn Gott hat andere Pläne. Oder die ja leider nicht seltene Erfahrung: Ich kann überhaupt keinen Sinn in dem erkennen, was mir passiert ist – ein Schicksalsschlag, eine Erkrankung – und dann sagt mir jemand: Tja, da hat Gott wohl andere Pläne mit dir.
In einem solchen Denken erscheint Gott als jemand, der als allmächtiger Strippenzieher irgendwo im Himmel sitzt und entweder gönnerhaft oder auch feixend zuschaut, wenn wir unser Leben – oder diese Kirche mit bestem Wissen und Gewissen trotzdem gegen die Wand fahren und er sich denkt: Tja, das habt ihr euch so gedacht – aber ich weiß es besser, wie es eigentlich hätte gehen sollen. Welcher Weg der richtige gewesen wäre.

Ein solcher Gott – und ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – ein solcher Gott würde mir die Luft zum Atmen nehmen. Ein Gott, der sich nicht wirklich einlässt auf das, was ich denke, auf die Wege, die ich gehe – sondern es eigentlich immer nur besser weiß – der würde mich klein machen und ohnmächtig.

Auch mal abgesehen von unseren persönlichen Fragen, wie Gott sich eigentlich zu dem verhält, was uns persönlich passiert – auch und gerade angesichts dieser erschreckenden und entsetzlichen Gewalt in Israel und Palästina kann dieser Satz erst einmal wirken, als hätte all dieses Leid doch einen höheren Sinn, den wir Menschen einfach nur nicht erkennen.

Ich möchte Sie deshalb mit hineinnehmen in die Geschichte des Volkes Israel.

Jesaja spricht diese Verse zu den Menschen seines Volkes. Die sind in Gefangenschaft in Babylon. Ihr Tempel in Jerusalem, ihr Allerheiligstes, wurde zerstört. Was für Bilder gerade in diesen Tagen und Wochen.

Aber dort im Exil leben sie nicht einmal schlecht, müssen keine Sklavendienste verrichten wie einst in Ägypten, einige haben schon ihren Weg im Exil gemacht. Trotzdem leben sie dort aber natürlich als Besiegte, als Fremde. Ihre Identität als Volk Gottes scheint sich aufzulösen. Was ist mit ihrem Gott? Ist er mit ihnen gegangen? Wo ist er zu finden? Wie IHN anbeten in einem Land, wo ganz andere Götter das Sagen haben? Schreckliche Erinnerungen haben sich in ihr Gedächtnis eingegraben: die Verwüstung der Stadt Jerusalem, die Zerstörung des Tempels und damit verbunden die Bilder der vielen Toten und immer wieder Kinder, die bei dem Angriff der Babylonier umgebracht wurden (Psalm 137). Und schon fast haben sie bei all dem vergessen danach zu fragen: Wo ist Gott? Wo ist er ohne seinen Tempel in Jerusalem Tempel, der Ort seiner Gegenwart?

All das sind die Fragen, vor denen der Bibeltext aus dem Jesajabuch gelesen werden muss. Es geht hier also nicht um eine Vertröstung oder um einen Gott, der eigentlich nur Recht haben will damit, dass er selbst es besser weiß.

Es geht hier im Gegenteil um etwas ganz Anderes. Der Text ist ein Ermutigungstext. Die Israeliten sollen in gewisser Weise aus ihrer Lethargie geweckt werden, die sich häufig einstellt, wenn der die Lebensmöglichkeiten stark eingeschränkt sind wie dort im Exil. Sie sollen gestärkt werden – mit Hoffnung angefüllt – und daran erinnert werden, dass es mehr für sie gibt als ein Leben in Gefangenschaft, im Exil. Gott will sie daran erinnern – Eure Hoffnung darf weiter reichen. Ihr dürft die schrecklichen Erlebnisse der Vergangenheit wirklich hinter euch lassen. Ich halte mehr für euch parat als ein Leben in Unfreiheit und Unterdrückung. Es gibt mehr, als eure Realität an Optionen vorzuhalten scheint.

Ich lese aus dem 55. Kapitel des Jesajabuches:  

Jes 55
6 Suchet den HERRN, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist. 7 Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum HERRN, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung. 8 Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, 9 sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. 10 Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, 11 so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. 12 Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. 13 Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem HERRN soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.

Wenn wir uns diese Situation damals vor Augen führen und diese Worte in ihrem Kontext lesen, dann weitet sich auf einmal das Bild, das diese paar Worte in uns malen:
„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
und eure Wege sind nicht meine Wege,

Gott geht es hier um Umkehr. Es geht ihm darum, dass die Israeliten sich wieder auf die Beziehung zu ihm besinnen. Dass sie sich nicht mit ihrer Situation abfinden nach dem Motto – Gott hat irgendwas mit uns vor, wir können daran sowieso nichts ändern. Oder aufhören daran zu glauben, dass Gott alles, wirklich alles, zum Guten wenden kann.
Das Wort Gottes soll uns stärken – und Dinge möglich machen, die wir aus uns selbst heraus nicht – oder nicht mehr – für möglich halten.

Dieses schier unendliche Zutrauen – oder besser noch Vertrauen – Gottes in uns, das möchte ich Ihnen heute ganz besonders mitgeben.

Im Blick auf Ihre Arbeit hier in der Synode, deren Legislatur heute zu Ende geht, kann das bedeuten: Sie dürfen ganz getrost und in aller Gelassenheit jetzt alles ablegen – das, was geklappt hat in diesen Jahren, aber auch das, was sich nicht erfüllt hat.
Denn der Zuspruch des Propheten Jesaja, der gilt uns heute ganz genauso – wir tun, was wir können. Dazu gehört es immer auch, dass wir Fehler machen. Wir sind Menschen.
Und wir können es dann auch aus der Hand geben – freigeben und vor allem: Gott anvertrauen. Ihm vertrauen, dass bei ihm alles in guten Händen ist. Dass es weitergeht. Die Samen werden wachsen. Worte werden Früchte tragen.

Und dies, liebe Synodale, ist das große Geschenk Gottes an Sie, dass Sie heute nicht ablegen. Alle konkrete Arbeit, ja. Aber nicht: Dieses große Vertrauen Gottes in jede und jeden von Ihnen persönlich, dass Gutes aus Ihrem Wirken wachsen wird. Manches ist vielleicht jetzt noch nicht sichtbar. So, wie Regen und Schnee vom Himmel fallen und dann scheinbar unsichtbar im Erdreich verschwinden. Jede Schneeflocke wirkt weiter. Bewässert, nährt, hält unsere Welt am Leben. Lässt das Korn wachsen, nährt uns an Leib und Seele.

Ist das nicht ein ganz wunderbares Hoffnungsbild? Gerade in dieser Zeit, in der sogar die optimistischsten Menschen kaum mehr was Positives zu sagen haben, wenn sie in Gegenwart und Zukunft unserer weltpolitischen Lage blicken.

„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,
und eure Wege sind nicht meine Wege.

Gottes Pläne und Wege sind andere, als unsere: Das ist also keine Vertröstung, das ist vielmehr Hoffnung: Es eröffnen sich neue Wege und neue Möglichkeiten werden sichtbar, wo ich im Dunkeln tappe, wo menschliche Hirne durch Hass und Feindschaft verkleistert sind.

Und nur mal ein Gedanke – was wäre alles für diese Welt, für den Frieden, gewonnen, wenn wir dieser großen Liebeszusagen Gottes an uns eine wirkliche Bedeutung zumessen würden?

Jesaja erzählt davon, dass Gott sich auf den Weg macht, um sich finden zu lassen, nicht unsichtbar bleiben will.  Gott wirkt durch sein Wort – so werden seine Gedanken, sein Weg deutlich, sichtbar, spürbar.
Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt
und nicht wieder dahin zurückkehrt,
sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen,
dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen,
so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein:  
Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen,
sondern wird tun, was mir gefällt,
und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. Jes 55,10+11

Gott lässt sich an seiner Wirkung erkennen. Gottes Wort verändert. Das gibt Hoffnung in diesen trostlosen Zeiten. Und es ist zugleich Aufgabe für uns.

Und ich wünsche mir, dass heute für Sie ganz persönlich vielleicht eine Beauftragung zu einem Ende kommt, nicht aber Ihr Weg mit Gott. Nicht aber Ihr Glaube. Nicht aber das, was Sie mit Ihrem Wirken – mit Ihrem Gebet, Ihrem Einsatz, für unsere Kirche in den vergangenen Jahren bewirkt haben. Und ich wünsche mir, dass Sie weiter dran bleiben an Ihrer Sehnsucht, wie und was Kirche sein soll für die Menschen hier in Altholstein und weit darüber hinaus. Denn: Gott verspricht uns Gutes. Wie vermessen wäre es von uns, ihn nicht auch im Jahr 2023 beim Wort zu nehmen.

Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. 13 Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem HERRN soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne, in Christus Jesus,
Amen

 

 

 

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