Predigt im Ordinationsgottesdienst St. Petri-Dom zu Schleswig
27. April 2025
Joh 20, 19-29
Liebe Ordinandinnen und Ordinanden, liebe Familien, Freunde, liebe Weggefährten, liebe Geschwister,
besser könnte das ja nicht sein. Ordination am Sonntag Quasimodogeniti. Neugeboren. In der Taufe.
Und auch heute: ein neuer Abschnitt für acht von uns.
Wie in der Taufe so auch bei der Ordination: Ab heute Nachmittag ist nicht alles anders. Ihr seid weiterhin die, die ihr seid. Aber nochmal neu ins Licht gestellt. Nochmal neu gestärkt und zugerüstet und gesandt. Für was? Schnöde gesagt: das Evangelium zu verkünden.
Was klein klingt, ist groß.
Größer, als dass wir es aus uns selbst herausschaffen können. Tiefer, als wir es auch mit dem klügsten Verstand und dem weltbesten Examen ergründen könnten.
Schöner, als es uns je unsere Phantasie als Zukunftsvision eingeben könnte.
Das Evangelium. Die frohe Botschaft.
Im Kern. Die Botschaft von Kreuz und Auferstehung.
Die Botschaft von einem Gott, der so sehr Mensch geworden ist, dass er jegliche Abgründigkeit des Lebens nicht ausspart von seiner Liebe.
Von einem Gott, der uns so sehr liebt, dass er den Tod überwindet.
Auferstehung.
Eine Woche nach dem Ostermorgen sind wir noch immer mittendrin in diesem Faszinosum, das seit knapp 2000 Jahren Menschen fesselt, Menschen zu radikalen Lebensänderungen beflügelt, Menschen fragen und anfragen lässt.
Das war schon damals so, am Ostermorgen. Maria, die zum Grab kam, es leer fand und dann auf einen traf, den sie für den Gärtner hielt. Und der sich als Jesus entpuppte. Sie wollte ihn berühren, aber – keine Chance. SO eben nicht.
Und dann, kurze Zeit später, alle waren noch durcheinander, geschah dies. Ich lese den Predigttext aus dem Johannesevangelium:
Als es nun Abend war an jenem ersten Tag nach dem Sabbat, und die Türen verschlossen waren, wo die Jünger waren, wegen der Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat in die Mitte und sagt zu ihnen: „Friede [sei mit] euch!“ Und als er dies gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. … Thomas aber, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die anderen Jünger zu ihm: „Wir haben den Herrn gesehen.“ Er aber sagte: „Wenn ich nicht in seinen Händen den Abdruck der Nägel sehe und meinen Finger in den Abdruck der Nägel lege und meine Hand in seine Seite lege, werde ich nicht Glauben fassen. Und nach acht Tagen waren seine Jünger wieder drinnen, und Thomas mit ihnen. [Da] kommt Jesus, obwohl die Türen verschlossen waren, und trat in die Mitte und sagte: „Friede [sei mit] euch!“ Daraufhin sagt er zu Thomas: „Führe deinen Finger hierher und sieh meine Hände, und führe deine Hand und lege sie in meine Seite, und werde nicht ungläubig, sondern gläubig!“ Thomas antwortete und sagte zu ihm: „Mein Herr und mein Gott!“ Jesus sagt zu ihm: „Weil du gesehen hast, glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“
Also, auch damals schon. Kaum zu glauben, was da geschehen war. Noch nicht einmal die, denen Jesus dauernd vorher erzählt hatte, dass er doch der Gottessohn ist und sie nun wirklich keine Angst zu haben brauchen. Sie konnten es nicht glauben.
Und Jesus tat dann ihm, dem größten Zweifler den Gefallen. Thomas durfte die Wundmale fühlen. Und er, außer sich, sagte: Mein Herr und mein Gott! Will heißen – er glaubte ihm. Endlich.
Für Jesus aber, egal. Denn – glauben hängt nicht davon ab, ob ich das fühle. Ob ich mit eigenen Augen sehe, dass das Grab leer ist.
Darum haben sich schon Generationen von Theologen – ich nenne hier ausdrücklich die maskuline Form – gestritten. Wie das ist, mit der Auferstehung. War das Grab nun leer oder nicht. Wie können wir mit der Auferstehung – diesem Kern unseres Glaubens – umgehen?
Man könnte meinen: Das ist unser größter Hinkefuß. Wenn wir darauf unser Geschäftsmodell aufbauen – und das seit knapp 2000 Jahren, dann ist das verdammt wackelig.
Was nun das leere Grab betrifft, so begegnen uns unter evangelischen Theologen drei Positionen: Die einen sagen: es MUSS leer gewesen sein. Andere: es könne leer gewesen sein, aber es müsse nicht leer gewesen sein. Und eine dritte Gruppe sagt: es KANN nicht leer gewesen sein. So auch zum Beispiel Rudolf Bultmann, der die Überzeugung teilte, "dass ein Leichnam nicht wieder lebendig werden und aus dem Grabe steigen kann".
"Der christliche Glaube an die Auferstehung glaubt, dass der Tod nicht das Versinken in das Nichts ist, sondern dass Gott, der ständig der auf uns Zukommende ist, dieses auch in unserem Tode ist."
So schwierig es bis heute ist, mit dem Faktum der Auferstehung umzugehen, diesem Zentrum unseres Glaubens, so wichtig ist es, sich dazu zu verhalten und selber sprachfähig dafür zu sein. Denn, ich zitiere Titel und Untertitel aus der Osterausgabe der ZEIT, die eine wunderbare Zusammenfassung des Christentums veröffentlicht hat:
„Die erfolgreichste Geschichte der Welt. 20 Leute, der Anführer tot. Was soll da schon herauskommen! Zusammen hatten sie Irres erlebt, davon wollten sie nun der ganzen Welt erzählen. Bis Hunderte mitmachten. Tausende, am Ende Milliarden. Die Erfolgsstory des Christentums.“
So ist es nämlich, liebe Geschwister. Das Christentum, eine Erfolgsgeschichte. Die am schnellsten wachsende Religion. Rund 2,6 Milliarden Menschen. Weil – die Botschaft stimmt.
Aber auch das mag dazu gehören: Vielleicht wächst sie momentan vor allem in anderen Teilen der Welt, weil wir gar nicht so sehr davon überzeugt sind, dass wir da eine echte Erfolgsgeschichte am Wickel haben! Weil wir verzagt sind, davon voller Selbstbewusstsein und Stolz zu reden – von dieser Ostergeschichte und der Auferstehung.
Ich habe manche Examensprüfungen miterlebt – exzellente Prüfungen. Aber auf die Frage nach dem Transfer – wie ist das heute zu verstehen. Zum Beispiel mit der Auferstehung – Stocken oder eher: Schweigen. Im Hinterkopf wahrscheinlich all die theologischen Modelle und Theorien, die uns sagen, was wir glauben können und was nun wirklich unverantwortlich sei.
Und, ja, wir brauchen sie, die Wissenschaft. Aber, wir brauchen auch den Hoffnungstrotz und einen Auferstehungsmut, der weit über das hinausreicht, was „richtig“ ist.
Der glasklar sagt: Ich stehe hier und sage: Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Und ich spüre es bis in die Haarwurzeln, dass das wahr ist. Ich weiß, dass diese Botschaft ziemlich irre ist. Aber ich weiß zugleich, dass sie stimmt. Weil ich es fühle.
Wir müssen also davon erzählen. Davon singen.
Denn, und das können wir ja gut an Thomas sehen: Wir Menschen sind so gestrickt. Wir wollen begreifen, wollen verstehen. Und dazu brauchen wir andere, die uns dazu ermutigen.
Die uns ermutigen, einen Schritt aus unseren eigenen Denkmustern und Erwartungshorizonten herauszutreten. Die uns vielleicht auch an die Hand nehmen und sagen – wag dich da mal hinaus. Es könnte sein, dass du was erlebst, was dein Leben verändern wird.
Dazu, liebe Geschwister, sind wir in der Kirche gerufen. Mutmacherinnen und Mutmacher zu sein für viele, die sich selbst gar nicht trauen würden, ans leere Grab zu treten und die Erkenntnis zuzulassen, dass dieser Jesus tatsächlich auch für sie ganz persönlich diesen Weg gegangen ist.
Geburtshelferinnen der Auferstehungshoffnung sollen wir sein.
Und Auferstehungshoffnung, die ist bitter nötig. Auch hier bei uns im Sprengel Schleswig und Holstein. Ich weiß – viele warten darauf. Auf uns. Auf eine lebendige, fröhliche Kirche, in der das Evangelium, die frohe Botschaft, erfahrbar und erlebbar wird.
Denn das ist unser Kernjob. Von dieser Hoffnungsgeschichte erzählen, die sich zwischen Kreuz und Auferstehung ereignet hat und täglich neu ereignet. Jesus lebt. Christus ist der Auferstandene.
Und alles andere – Strukturdebatten, Zukunftsprozesse – haben sich danach zu richten, genau das zu ermöglichen. Die Verkündigung dieser überaus frohen Botschaft – und Wort und Tat. In Gemeinden, in der Diakonie, in Kitas, an anderen kirchlichen Orten.
Was ich euch wünsche: Mut, eure eigenen Wege in dieser Erfolgsgeschichte zu finden. Dort, vom leeren Grab, geht es los.
Lernt von Maria und den anderen Frauen, lernt von den Jüngern. Sie wussten nicht, wie das geht. Leben mit einem Auferstandenen. Es gab kein Konzept, kein Manuskript für diese Geschichte.
So ist es bis heute.
Wir stehen, wie die kleine Gruppe aufgelöster Männer und Frauen, an diesem leeren Grab. Die Theologen mögen sich darüber verstreiten, ob es nun leer war, möglicherweise leer oder gar nicht leer.
Das ist ziemlich egal. Denn Fakt ist, da ist was geschehen, was jegliche Vorstellungskraft übersteigt.
Also gibt es von dort aus, vom leeren Grab aus, kein Konzept und keinen Businessplan, wie damit korrekt umzugehen ist.
Meint also nicht, dass da in euren neuen Gemeinden irgendwelche Fußstapfen auf euch warten, in die ihr passen müsst. Niemand muss in irgendwelche Fußstapfen passen in unserer Kirche, denn der Weg, der vor euch liegt, ist ungegangen. Die Fußstapfen sind hinter euch. Und es ist gut, wenn der Weg vor euch mit neuen Spuren verschönert wird.
Und, das wünsche ich euch auch: Geht diesen Weg mit Freude. Probiert aus. Erkundet neue Welten. Jongliert mit Sprache und mit Worten.
Denn seit 2000 Jahren sind wir jeden Tag neu unterwegs, vom leeren Grab aus, und probieren aus. Probieren aus, wie es gehen kann, die Auferstehungsfreude in die Welt und in die Herzen derer zu bringen, die uns anvertraut sind.
Manches geht schief, manches gelingt. So ist es und so wird es immer sein.
Und wenn es doch mal nicht so klar sein sollte, wo der Weg jetzt eigentlich weitergeht, weil es ja eben keine Fußstapfen gibt, in die wir passen müssen, dann startet neu. Dort, am leeren Grab. Zusammen mit den irritierten, zweifelnden und zugleich vor Freude aufgelösten Jüngerinnen und Jüngern.
So ist es. Jeder Tag ein Ostermorgen. Ein Neustart im Namen des Herrn.
Amen