20. April 2025 | St. Petri-Dom zu Schleswig

Predigt im Ostergottesdienst

20. April 2025 von Nora Steen

Joh 20,11-18

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Wir feiern Ostern.

Ostern in einem Land, das immer mehr seine eigenen Grundlagen und kulturellen Wurzeln zu vergessen scheint.

Wozu Weihnachten? Ostern? Überhaupt: ein schlichter Sonntag, alle 7 Tage? Die Sinnentleerung der Feiertage in unserem Land, die bewusste Profanisierung christlicher Feste, zeigt sich eindrücklich an der Titelseite Osterausgabe der SHZ von gestern. Für die Gäste aus anderen Teilen Deutschlands, das ist die Tageszeitung für Schleswig-Holstein.

Ostern: Das Ei. Das Ei in Grün. Welche Farbe das Ei haben solle, darüber habe die Redaktion lange debattiert. Man habe sich für grün entschieden. Das stehe für den Frühling und für die, ich zitiere, „Wiederauferstehung der Hoffnung“.

Liebe Gemeinde, Wir feiern Ostern im Land der Dichterinnen und Dichter, der Denkerinnen und Denker. Mit reicher Geschichte und vielfältiger Tradition. Und dazu gehören nun mal die christlichen Wurzeln dieser Geschichte. Dazu gehören die genuin christlichen Feiertage, ob das nun allen schmeckt oder nicht.

Ich sage: Diese christlichen Wurzeln sind ein Schatz für unser Land! Gerade jetzt in einer Zeit, in der ganze Weltbilder, in der Bündnisse und Friedenspakte schleichend oder schneller als wir schauen können, wegbrechen. Gerade jetzt brauchen Menschen Halt und einen Boden, der trägt, auch wenn vieles wankt.

Es ist fatal, diese Wurzeln einfach deshalb kappen zu wollen, nur weil das Dogma der Beliebigkeit attraktiver scheint als klare Bekenntnisse zu Glaubensgrundlagen, zu Werten. Zum Sieg des Lebens über den Tod und zu einem Gott, der unverbrüchlich zu ALLEN Ja sagt. Egal woher sie kommen, wie sie leben, ob sie gesund oder krank sind, jung oder alt.

Wenn aber alles ad acta gelegt ist, was auch nur entfernt nach christlichen Inhalten klingt; wenn nicht der kleinste Verweis darauf in der Zeitung stehen darf, dass Ostern nun mal weltweit für 2,6 Milliarden Menschen, Zahl ständig wachsend, das älteste und zugleich wichtigste Fest der Christenheit ist, dann bleibt eben – das Ei. In Grün. Es hätte auch, kleiner Tipp von meiner Seite, Rot und Schwarz werden können, um quasi der Hoffnung in die neue Regierungsbildung in Berlin Ausdruck zu verleihen. Ist egal. Weil ja beliebig.

Liebe Gemeinde,

Wir leben in Zeiten, in denen bei uns in Deutschland alles, was von uns als christlichen Kirchen kommt, erst einmal unter Generalverdacht steht. Es ist unattraktiv wie nur was. Zugleich sehe ich, wie sehr sich überall in den Kirchengemeinden Menschen bemühen, gute Ostergottesdienste zu gestalten, lebendiges Gemeindeleben. Gerade dort, wo es sonst kaum was mehr gibt im Dorf außer der Feuerwehr und der Kirche. So viel Lebendigkeit, so viel Hoffnungskraft. Aber darüber wird eben nicht berichtet. Es ist nicht attraktiv. Und natürlich, zugegeben, seit nun fast 2000 Jahren jedes Jahr dieselbe Botschaft.

Dagegen scheinen andere Religionen attraktiver. In den vergangenen Monaten haben Städte in Schleswig-Holstein zu einem wichtigen Fest einer anderen Religion in staatliche Gebäude eingeladen. Nicht, dass Sie mich missverstehen. Ich finde das gut! Ich freue mich sehr, dass dadurch auch öffentlich wahrgenommen wird, dass unsere Gesellschaft multireligiös ist.

Aber, jetzt mal ein Gedankenspiel. Stellen Sie sich vor, die Stadt Kiel oder die Stadt Schleswig würden zusammen mit den Kirchen zu einem Osterempfang ins Rathaus einladen. Oder mit der jüdischen Gemeinde zu einer Schabbatfeier. Was wäre da los! Eins ist klar: Ein Shitstorm ohne Ende. Also bleibt von Ostern für die – noch – zeitungslesenden Schleswig-Holsteinerinnen: das Ei.

Und wir, wir in den Kirchen: Wir machen unverdrossen und hoffnungstrotzig weiter. Wir feiern heute das wunderbarste und kraftvollste Fest, das überhaupt vorstellbar ist. Dass dazu geführt hat, dass aus einer kleinen Gruppe in Trauer aufgelöster Jüngerinnen und Jünger in sehr rasantem Tempo eine riesige Gemeinschaft geworden ist. Und wir sind damit ja nicht allein. Weltweit feiern Menschen die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Sie feiern sie in den Slums von Manila, zwischen den Wolkenkratzern Dubais, in den Armenvierteln Südafrikas und in den Bombenkellern Kiews. In vielen Teilen der Welt wächst das Christentum eklatant an. Und es gibt den Menschen, gerade denen in Notsituationen, die wir uns hier in Deutschland nicht ansatzweise vorstellen können, Hoffnung. Hoffnung in die Kraft des Lebens. Weil da einer ist, der mächtiger ist als alle Mächte des Todes. „Er ist erstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“

Die Ostergeschichte ist der Ursprung für diese Hoffnungskraft des christlichen Glaubens. Sie ist zugleich tiefgründig und lebensweise. Sie lehrt uns alles, was wir über ein Leben, getragen von Hoffnung und Zuversicht, wissen müssen. Davon erzählt auch der heutige Predigttext, ein Teil der Ostergeschichte, wie sie im Johannesevangelium aufgeschrieben ist.

Maria steht vor dem leeren Grab, schaut hinein und weint.

Der Leichnam Jesu ist weg. Sie blickt sich um. Weg von der Grabhöhle. Dort steht ein Mann. Sie denkt, es sei der Gärtner. Sie fragt ihn: Wo hast du Jesus hingebracht? Er aber sagt nur ein Wort: Maria.

Und in der Weise, wie er ihren Namen sagt, erkennt sie. Erkennt sie ihn. Es ist Jesus. Ihr Herz läuft über. Sie sagt: „Rabbuni“ – das heißt Meister.

Und sie will zu ihm, ihn berühren. Sich vergewissern. Aber er hält sie fern – sagt, „berühre mich nicht. Denn ich bin noch nicht zu meinem Vater aufgefahren in den Himmel.“

Wir erfahren hier viel über den Kern dessen, wie Ostern wirkt. Drei Punkte der Geschichte greife ich heraus.

Das erste: Maria muss sich umdrehen, um Jesus zu sehen. Sie dreht sich also vom Grab weg – und damit übertragen von ihrer Trauer, von ihrem Schmerz und der Hoffnungslosigkeit.

Sie dreht sich weg und sieht Jesus. Auch wenn sie ihn erst einmal gar nicht erkennt und denkt, er sei der Gärtner.

Es ist diese Wendung, die entscheidend ist. Wir müssen unseren Fokus ändern. Müssen uns von unseren eigenen Grabhöhlen abwenden, um Neues zu sehen. Gerade dann, wenn wir uns in Trauer gefangen fühlen oder in ausweglosen Situationen.

Das zweite: Maria hat überhaupt nicht damit gerechnet, hier jetzt Jesus zu treffen. Sie hat also nicht damit gerechnet, dass er nicht tot sein könnte. Wie auch? Wie sollen wir Menschen mit so etwas rechnen?

Also rechnet sie mit dem Erwartbaren – dass der, der da vor ihr steht, der Gärtner ist.

Und sie erkennt ihn erst, als er sie anspricht. Glaube entsteht nicht durch rationale Erkenntnis, sondern durch Begegnung. Wenn jemand meinen Namen ruft.

Auch wir rechnen ja erst einmal immer mit dem Erwartbaren. Müssen wir sogar. Denn die Plausibilität christlichen Glaubens ergibt sich nicht von selbst. Es ist natürlich möglich, ein Leben ohne Gott zu leben.

Es braucht diese Begegnung. Dass jemand mich meint. Genau mich. So ist es bis heute. Es braucht vor allem unsere innere Bereitschaft, Gott zu begegnen. Überall dort, wo wir sind, kann es geschehen. Ob es nun der Gärtner ist oder die Krankenpflegerin oder die Begegnung beim Bäcker.

Das dritte: Maria möchte Jesus bei sich behalten. Aber das geht nicht. Jesus ist nicht mehr ganz von dieser Welt. Er sagt: Berühr mich nicht, lass mich gehen.

Manches ist nicht zu halten. Besonders das nicht, was wir lieben. Das gerade die tiefste Liebe im Loslassen besteht, lernen wir heute Morgen von Maria.

So viel und vieles mehr steckt drin in diesem Osterwunder, das die Kraft hatte, sich über den gesamten Globus hinweg zu verbreiten. Bis heute. Ich bleibe also dabei: Unsere christlichen Wurzeln sind kostbar. Sie sind da. Noch immer. Und es wäre fatal, sie komplett kappen zu wollen.

Denn dass wir vor großen Krisen stehen – global und auch ganz konkret hier in Schleswig-Holstein, das sagen uns Sicherheitsexperten nicht erst seit gestern. Ohne ein starkes Fundament für die eigenen Werte, ohne einen gut gegründeten Glauben, wird es in Krisenzeiten schwerer als ohnehin schon.

Ob sich Osterwunder aber bei uns weiterverbreitet, seine Kraft entfaltet, das liegt an uns allen. Erzählen wir also davon. Wie Maria, wie die anderen Frauen, wie die Jünger. Wie die Menschen in den ersten christlichen Gemeinden. Denn so war es schon immer: die wirkmächtigste Weitergabe des christlichen Glaubens geschieht in den Familien. Erzählen wir anderen, was wir erlebt haben. Wie uns der Auferstehungsglaube stärkt. Wie der Glaube uns Menschen zu Menschen macht. Aufrecht und frei. Mutig und beherzt. Weil das Leben für uns immer das letzte Wort hat.

Und, die wirklich gute Nachricht an diesem Ostermorgen 2025: Andere Zeitungen haben das verstanden. Die Wochenzeitung DIE ZEIT hat die Titelschlagzeile: „Die erfolgreichste Geschichte der Welt“. Und die FAZ titelte gestern mit „Die Hoffnung lebt“, sogar die meist sehr kirchenkritische DIE WELT schrieb gestern auf die Titelseite, mit einem Kirchenfenster im Hintergrund: „Endlich Hoffnung“.

Man hätte also auch hier in Schleswig-Holstein, das ja nun auch zum Land der Dichter und Denker gehört – zum Beispiel – einfach die wunderbaren Zeilen aus Goethes Faust zitieren können, die das in Sprache kleiden, was Ostern ist und was eben auch von Menschen gesagt werden kann und darf, die sich vielleicht nicht den Kirchen, aber doch den christlichen Wurzeln unserer Kultur verpflichtet fühlen. Denn auferstehungsbedürftig, so viel kann ich sagen, sind wir hier hoch im Norden auch.

Also beschließt nun Johann Wolfgang von Goethe mit seinem Osterspaziergang diese Predigt:

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche,
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt's im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dring ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbes Banden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.

Sieh nur sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluss, in Breit' und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet gross und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.

 

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! Und gegen die Kraft dieser Osterbotschaft kann kein Ei an. Egal, welche Farbe es hat.

Amen

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