5. September | Kulturkirche Altona

Predigt zur Generalversammlung des Zentrums für Mission und Ökumene

02. September 2020 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

Predigt von Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt zu Lukas 10, 25-37

I

Eigentlich ist die Antwort sehr einfach. Die Antwort auf die Frage: Wer ist mein Nächster, meine Nächste? Diese einfache Antwort heißt: Der oder die, die sich mir mit ihren Sorgen, Nöten, Ängsten nahe legen. Unmittelbar und direkt. Oder vermittelt über andere, über Briefe, Mails, Rundbriefe, Nachrichten, über soziale Netzwerke und digitale Nachrichtendienste. Und seit Corona-Zeiten auch immer öfter mithilfe einer digitalen Konferenz.

Wie auch immer - komplizierte Gedankengänge sind bei der Frage nach dem, nach der Nächsten nicht nötig. Auch keine philosophischen Überlegungen und diplomatischen Redewendungen. Oder langatmige Debatten über die Grenzen dessen, was wir tun können, die schwierige wirtschaftliche Situation durch Corona, die jetzt sehr eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten unseres reichen Landes oder unserer im Weltvergleich ebenfalls sehr reichen Kirche. Gerade jetzt kommt es auf Geschwisterlichkeit, Hilfe und Solidarität an. Gerade jetzt ist die Orientierung an Nächstenliebe und Barmherzigkeit nötig.

Denn mein, dein Nächster, unsere Nächste sind doch die, von deren Not, deren Angst, deren Leid ich jetzt erfahre. Der oder die mir erzählen, was sie beschwert oder auch froh macht - gleich an der Kirchentür oder beim Stehkaffee, nachher in Berichten und  Diskussion, heute Abend in den Nachrichten. Oder auch zwischendurch über Twitter. Meine Nächste, meinen Nächsten suche ich mir, suchen wir uns also nicht aus. Und der oder die, die für mich zum Nächsten wird, sucht mich auch nicht aus. Dein, mein Nächster, unsere Nächsten - das sind die, die sich uns nahe legen.

Wie auch immer - komplizierte Gedankengänge sind bei der Frage nach dem, nach der Nächsten nicht nötig. Auch keine philosophischen Überlegungen und diplomatischen Redewendungen. Oder langatmige Debatten über die Grenzen dessen, was wir tun können, die schwierige wirtschaftliche Situation durch Corona, die jetzt sehr eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten unseres reichen Landes oder unserer im Weltvergleich ebenfalls sehr reichen Kirche. Gerade jetzt kommt es auf Geschwisterlichkeit, Hilfe und Solidarität an. Gerade jetzt ist die Orientierung an Nächstenliebe und Barmherzigkeit nötig.

Denn mein, dein Nächster, unsere Nächste sind doch die, von deren Not, deren Angst, deren Leid ich jetzt erfahre. Der oder die mir erzählen, was sie beschwert oder auch froh macht - gleich an der Kirchentür oder beim Stehkaffee, nachher in Berichten und  Diskussion, heute Abend in den Nachrichten. Oder auch zwischendurch über Twitter. Meine Nächste, meinen Nächsten suche ich mir, suchen wir uns also nicht aus. Und der oder die, die für mich zum Nächsten wird, sucht mich auch nicht aus. Dein, mein Nächster, unsere Nächsten - das sind die, die sich uns nahe legen.

 

 

II

Was aber ist dann zu tun? Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter beschreibt es sehr klar: Das Nächstliegende, das Notwendige, ist zu tun. Das, was die Not wendet: Eine, die eine Wunde hat, verbinden. Einen, der zum Opfer wird, beschützen, in Obhut nehmen. Eine, der Leid erfährt, wieder Gutes spüren lassen. Sich vor einen stellen, dessen Leben bedroht ist. Eigentlich alles ganz einfach. Sollte man meinen.

Und doch sehen wir Bilder und hören wir Nachrichten, die nicht nur erschrecken und erschüttern, sondern auch ratlos und ohnmächtig zurücklassen. Wie viele Menschen müssen noch auf den Meeren oder in überfüllten Lagern täglich ums Überleben kämpfen, bis wir Menschen in den Ländern Europas uns erbarmen? Wie viel Hass muss noch ausgeschüttet werden, bis wir alle auch im Alltag antisemitischen, rassistischen und frauenfeindlichen Worten und Taten auf der Straße, im Netz klar Einhalt gebieten? Wie viele Menschen müssen sich noch aus der Öffentlichkeit zurückziehen und Veranstaltungen meide, weil sie sich nicht sicher sein können, dass von allen auf Abstand und Hygiene geachtet wird und weil sie erleben, dass Menschen es als nicht hinnehmbare Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit ansehen, anderen rücksichtsvoll und verantwortlich, zum Beispiel durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu begegnen? Wie lange wollen wir noch dabei zuschauen, welche dramatischen und existenzbedrohenden Folgen unterbrochene Lieferketten für die Menschen haben, die vom reichen Westeuropa aus gesehen an deren anderen Ende, an ihrem Anfang leben und arbeiten? Ich mache mich deshalb auch persönlich und zusammen mit unserer Kirchenleitung stark für ein Lieferkettengesetz und appelliere an die Abgeordneten des Bundestages und die Bundesländer im Bereich unserer Nordkirche, sich für einen entsprechenden Gesetzesentwurf einzusetzen. Wir alle, nicht nur die Armen dieser Erde, brauchen ein solches Gesetz - um unser aller Menschlichkeit Willen.

 

III

Denn Liebe, die Nächstenliebe, sie ist der Schlüssel zu dem, was Menschlichkeit ausmacht. Wer einen anderen mit den Augen der Liebe, der Nächstenliebe sieht, grenzt ihn oder sie nicht aus der Familie der Menschenkinder Gottes aus. Wer andere mit den Augen der Nächstenliebe sieht, sieht sie als Gottes Nächste. Als geliebte Geschöpfe Gottes - ebenso wie sich selbst. Versteht, dass sie brauchen, was ich auch selbst so dringend nötig habe: Anteilnahme, Verständnis. Barmherzigkeit, Güte. Das meint, die Nächsten lieben wie sich selbst. Mich hat in den ersten Tagen und Wochen der Corona-Pandemie tief bewegt, dass wir von unseren Partnern weltweit, besonders von denen, deren Länder damals noch nicht betroffen waren, solche Botschaften der Nächstenliebe bekommen haben: Wir denken an Euch. Wir beten für Euch. Bleibt behütet und bewahrt. Gott stärkt euch, seid gewiss. Das gemeinsame Teilen unserer Sorgen und Nöte, aber auch unserer Hoffnung und unserer Freude in einem Video mit Kurzbotschaften zu Ostern war für mich dabei ein herausragendes und zutiefst ermutigendes Zeichen unserer weltweiten Verbundenheit und Geschwisterlichkeit.

Der barmherzige Samariter, von dem Jesus erzählt, sorgt für das Notwendige. Und dann geht er weiter seines Weges. Der unter die Räuber Gefallene wird nicht sein Lebensinhalt. Er hilft ihm auf die Beine, bis es wieder alleine geht. Er ist da, solange es nötig ist und dann geht er wieder. So geht Unterstützung auf Augenhöhe. Mit Respekt und Achtung für und mit Vertrauen in die Fähigkeiten und Möglichkeiten des anderen. Vom barmherzigen Samariter wird übrigens auch nicht gesagt, dass er seit damals nur noch in der Gegend herumgelaufen wäre, um Notleidende aufzuspüren und zu helfen. Gerade in der ökumenischen Partnerschaftsarbeit, die zuweilen immer noch nach dem Schema verstanden wird: wir helfen anderen, kann man sich sein Verhalten gar nicht oft genug vor Augen führen. Nächstenliebe und Barmherzigkeit führen nicht in wechselseitige Abhängigkeiten. Im Gegenteil - sie führen in die Freiheit.

Der, der unter die Räuber gefallen ist, gewinnt seine Freiheit, indem er Hilfe bekommt, bis er wieder alleine und selbstbestimmt weitergehen kann. Eine Gegenleistung wird nicht erwartet. Aber auch der barmherzige Samariter gewinnt seine Freiheit. Denn Freiheit meint ja nicht nur, zwischen diesem oder jenem neuen Kleidungsstück, Smartphone, Fernsehprogramm, oder was auch immer entscheiden zu können. Freiheit meint, sich selbst bestimmen zu können. Darüber entscheiden zu können, wie ich mich verhalten will zu dem, was mir im Leben begegnet und widerfährt. Darüber entscheiden zu können, wie ich mich selbst verstehe.

Freiheit aus christlicher Sicht bedeutet deshalb auch, mich entscheiden zu können für ein an Gottes Liebe und Barmherzigkeit orientiertes Leben. Und damit für ein Leben im Glauben. Oder eben auch dagegen. Du kannst dich also dafür entscheiden, dich in deinem Leben an Gottes Liebe zu allen Menschen zu orientieren. Wenn du das tust, kann und wird dein Leben nicht perfekt sein. Denn du bist ja ein Mensch. Aber die biblischen Schriften, die Gemeinschaft der Glaubenden in der Kirche, auch unsere Gemeinschaft hier und heute, und Gott selbst stärken dich, diesen Glauben durch deine Worten und Taten für dich und andere sichtbar und erfahrbar zu machen. Freiheit zu Nächstenliebe und Barmherzigkeit - durch die Bindung an den an Liebe orientierten Gott. So, wie Christus es gelebt und erfahrbar gemacht hat.

 

IV

An der Frage der Nächstenliebe entscheidet sich, ob wir wahrhaft menschlich leben. Oder ob wir uns mit weniger zufrieden geben, als mit dem, was und wie wir leben könnten - nämlich als Gottes und unseres Nächsten Nächste. Die Nächstenliebe entscheidet über ein wahrhaft menschliches Leben - ein Leben als Geschöpf Gottes. Kein menschliches Leben ist so, wie es sein könnte und sollte. Aber das, was unser Leben nicht wahr und recht und gut macht, macht Gott wahr und recht und gut. Weil er uns über alles liebt - als seine Nächsten. Gottes Liebe macht uns zu denen, die wir in Wahrheit sind - seine Geschöpfe und seine Nächste. Und deshalb auch füreinander Geschwister und Nächste.„Ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung“, wie es das Motto der Weltversammlung des Lutherischen Weltbundes für 2023 in Krakau beschreibt. „Befreit durch Gottes Gnade, eine Gemeinschaft in Christus, die gemeinsam lebt und arbeitet für eine gerechte, friedliche und versöhnte Welt.“

Amen.

 

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