12. Dezember 2021 | Im Dom zu Lübeck

Predigt zum Dritten Advent zu Lukas 1, 67-79

11. Dezember 2021 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

I Besuchszeit

„I’ll be home for Christmas“ - Weihnachten werde ich zu Hause sein. Dieses Lied spielt das Radio, während ich am Abend von der Arbeit nach Hause fahre. Im Radio läuft eine moderne Fassung, aber eigentlich ist es ein altes Lied. Bing Crosby sang es zuerst im Jahr 1943 und sprach damit vielen amerikanischen GIs, die fern der Heimat im 2. Weltkrieg kämpften, aus dem Herzen: "Weihnachten werde ich zuhause sein …". 

„I’ll be home for Christmas“ - heute ist dieser Song das Lied aller, die sich zu Weihnachten in den Zug oder ins Auto setzen, um zu Besuchsreisen aufzubrechen. Denn die Weihnachtszeit, das ist ja die Besuchszeit im Jahr. Viele machen sich auf, um an den Weihnachtstagen ihre Familie oder enge Freunde zu besuchen. Ein paar Tage Zeit miteinander. Für Gespräche, Spiele, für all das, was im übrigen Jahr so oft zu kurz gekommen ist. Manchmal auch Zeit für ein klärendes Gespräch, ein erlösendes Wort, mit dem sich manche Beklemmung löst.

Weil die Weihnachtszeit auch Besuchszeit ist, ist es in diesem Jahr so schmerzlich, dass nun schon im zweiten Jahr in Folge  diese Besuche nicht so unbeschwert geschehen, wie wir uns das eigentlich wünschen. Die Situation in der Pandemie lässt Fachleute erneut zu Vorsicht raten, zur sorgsamen Klärung von Impfstatus und Selbsttests. Wieder ein Weihnachten, an dem Besuche mehr und anders überlegt und geplant werden. Und das ist auch gut, um so füreinander Verantwortung zu übernehmen und um einander zu schützen - insbesondere die, die besonders verletzlich sind: erkrankte und ältere Menschen, oder die, die weitgehend noch ungeschützt sind: Kinder und Jugendliche.

II Himmlische Besuche

Weihnachten ist Besuchszeit. Das ist schon so in den biblischen Geschichten, auf die wir im Advent und zu Weihnachten hören. Engel besuchen Menschen - ein Engel besucht den uralten Priester Zacharias, um ihn wissen zu lassen, dass seine ebenfalls sehr alte Frau Elisabeth einen Sohn erwartet. Der Engel Gabriel sucht Maria auf, um ihr die Geburt des Christuskindes anzukündigen. Maria wiederum besucht Elisabeth, um ihr genau davon zu erzählen.

In diesen Geschichten der Bibel scheinen die Grenzen fließend. Engel besuchen Menschen, Menschen besuchen einander. Himmlisches und Irdisches kommt zueinander. Und als sein Sohn schließlich tatsächlich geboren wird, findet der ob dieser Ankündigung monatelang verstummte Zacharias seine Sprache wieder und singt: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels. Denn er hat besucht und erlöst sein Volk.“

Nicht nur Menschen besuchen einander, nicht nur Engel besuchen einzelne Menschen, sondern Gott selbst besucht sein Volk. Was für eine besondere, eine geradezu himmlische Besuchszeit!

III Himmelsgesang

Wenn die Stimmung bei Besuchen geradezu himmlisch ist, wird dabei nicht selten auch gesungen. Aus ganzem Herzen froh. Oder es erklingt wunderbare Musik, die Herz und Sinne himmelwärts zieht. „Schwingt freudig euch empor“… 

Musik und Lieder, die eine Sprache finden für das, was gleichermaßen als Erinnerung und als Hoffnung tief in uns verborgen liegt. Bei Zacharias klingt das - kurz gefasst - so: Gelobt sei Gott, der uns besucht und erlöst hat, der uns errettet hat von unseren Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, der uns Barmherzigkeit zeigt, der an seinen Bund mit uns denkt, und mit dem wir deshalb auf immer verbunden sein wollen unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit. 

Das Lied des Zacharias, des so lange verstummten, malt keine Idylle. Von Feinden und von Bedrohung ist die Rede. Ich verstehe das so: Es geht nicht darum, die Wirklichkeit zu verbergen. Es geht nicht darum, eine Weihnachtsidylle zu malen, wo keine Idylle ist. Und es geht auch nicht darum, Spannungen und Konflikte, Ängste und Sorgen zu verschweigen. Denn wenn Gott uns Menschen besucht, dann kommt er zu Besuch genau in unsere Welt. In unsere Ängste und Sorgen, in Spannungen und Konflikte. In die aufgeräumten Stuben und die verdreckten Hinterhöfe. 

Der alte Zacharias singt seinem neugeborenen Sohn davon so: Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest. Und dann singt er weiter von dem Besuch, den er zusammen mit seinem Kind erwartet: Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und dann unsere Füße richtet auf den Weg des Friedens. 

Ein aufgehendes Licht in Finsternis und Todesschatten. Wie sehr sehnen sich auch heute Menschen nach diesem Licht. Auf Intensivstationen und in Elendsvierteln. An den Grenzzäunen Europas und auf schwankenden Booten im Mittelmeer. In Folterkellern von Diktaturen und in den Kriegsgebieten der Erde. In dieser Welt, so hofft es Zacharias, so hofft es Maria, so hofft es Elisabeth und so hofft es Johannes, in dieser Welt so bekennt und hofft es mit ihnen Generation um Generation, in dieser Welt besucht uns das aufgehende Licht aus der Höhe. In dieser Welt kommt Gott zur Welt. In dieser Welt wird Christus ein Kind, taucht auf mitten in unseren Problemen, Fragen und Ängsten. Und zeigt uns damit: Gott folgt uns Menschen dahin, wo wir gerade sind. Er lässt uns wissen, was Mitmenschlichkeit ist.  Er kommt zu uns zu Besuch mit der Hoffnung, dass die Liebe die eigentliche Macht ist. Die zerbrechliche und verletzliche Liebe, die uns Menschen nicht hart und verständnislos macht, sondern empfindsam. Die Liebe lässt uns unsere Verbundenheit, unsere Abhängigkeit voneinander, unsere Verantwortung füreinander spüren. Und so richtet sie unsere Füße auf den Weg des Friedens. 

IV Gastgeschenk

„I’ll be home for Christmas“ - zu Weihnachten werde ich zu Hause sein. 

Gott besucht uns Menschen. Er ist unterwegs zu uns, das aufgehende Licht aus der Höhe, das denen erscheint, die in Finsternis und Schatten des Todes sitzen. Sein Gastgeschenk ist das himmlische Kind, das uns Liebe, Vergebung und Barmherzigkeit schenkt und lehrt, das Christuskind, durch das wir erfahren: In jedem Akt der Güte, der Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit richten wir unsere Füße auf den Weg des Friedens und bauen mit an der neuen Welt Gottes. 

„I’ll be home for Christmas“ - das aufgehende Licht aus der Höhe wird uns besuchen und zu Weihnachten wird es zu Hause sein - bei dir, bei mir, bei jedem und jeder von uns. Nun komm, der Heiden Heiland, dass sich wunder alle Welt.

Amen.

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