WESSELBUREN, 4. OKTOBER 2009

Predigt zum Landeserntedankfest 2009

19. November 2009 von Gothart Magaard

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen. 
Liebe Gemeinde am Erntedankfest! I Die Ernte ist eingebracht. Die Landjugend hat die Erntekrone in dieses Gotteshaus getragen – nun schwebt sie über uns. Die Erntegaben liegen hier vorn am Altar. Ein wunderbares Bild! Das Fest hat begonnen. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass wir Danke sagen: Erntedank!

„HERR, Gott, wie sind deine Werke so groß und viel! Die Erde ist voll deiner Güter. Aller Augen warten auf dich, HERR, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Ich will dem HERRN singen mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin“ – so haben wir mit den Worten aus dem 104. Psalm vorhin gebetet. Vorrat zum Leben ist in die Scheunen gebracht worden – Vorrat zum Leben ist auch der Dank an Gott, den Schöpfer und Erhalter allen Lebens auf dieser Erde! Ganz elementar spüre ich an diesem Tag: Ich habe mein Leben nicht selbst in der Hand; ich lebe von so vielen Gütern, die ich nicht selbst gemacht habe; ich bin eingebunden in den Kreislauf von Saat und Ernte, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Und ich behalte dieses Wissen nicht für mich allein: Über aller menschlichen Arbeit steht der leuchtende Bogen des Segens Gottes – das große Versprechen, das Gott seinen Menschenkindern gegeben hat – immer wieder erneuert in Zeiten der Not: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ So lautet es. Das große Versprechen Gottes an die Welt – aufgeschrieben im 1. Buch Mose.  

II
Liebe Schwestern und Brüder! 
„Es ist genug für alle da“ – so lese ich es auf dem Plakat zur 50. Jahresaktion von „Brot für die Welt“. Diese große Hilfsaktion der Evangelischen Kirche ist heute mit dabei – hier bei uns in Wesselburen, sie gehört mit in unseren Blick beim Erntedankfest des Landes Schleswig-Holstein und der Nordelbischen Kirche. Seit vielen Jahren wird in den Kirchen am Erntedankfest für „Brot für die Welt“  gesammelt– und das ist gut so! Denn: Es ist genug für alle da – dieser Satz steht im Widerspruch  zum weit verbreiteten Hunger in der Welt. Und das Bild auf dem Plakat: Essbesteck, zu einem Kreuz gelegt, es durchkreuzt den Satz und unsere Bilder: Der leere Holzlöffel mag für die Ernährungssituation in  Afrika stehen, die Stäbchen für die in  Asien, das blanke silberne Messer für die in Europa und Nordamerika, die etwas verbogene Gabel aus leichtem Metall mag hinweisen auf die  Ernährungslage in Lateinamerika. Dieses Kreuz bildet unsere Welt ab, auf der alle Menschen ihr tägliches Brot brauchen. „Es ist genug für alle da“ – aber: Gott, sei´s geklagt, auf der reichen Erde hungern Millionen von Menschen.  

III
Und dann hören wir heute im Evangelium das Gleichnis vom reichen Kornbauern. So heißt es in der Überlieferung. Dieser Jesus war und ist einer, der aufrüttelt und wachrüttelt. Einer, der es wagt, unbequeme Wahrheiten auf den Punkt zu bringen. Aber – warum ist der Kornbauer ein Narr? Ist er ein Betriebswirt, der die Prioritäten falsch gesetzt hat?  

Ist es nicht ein natürlicher Impuls, zu ernten und Vorräte anzulegen – für den Winter, für bessere Erträge? Das muss Jesus, der Zimmermannssohn, Jesus, der Freund der Bauern und Fischer, der Freund der „kleinen Leute“, doch auch gewusst haben. Warum also dieses Gleichnis? Was hat der reiche Bauer da in der Geschichte denn falsch gemacht, dass ihm so mit dem Tod gedroht wird?  

Nun, seine Scheunen können die Kornhaufen nicht fassen. Er will sie abreißen und größere bauen. Da soll dann alles hinein, in die neuen Getreidesilos. Das ist doch eindeutig eine gute Idee. Ich denke auch an Joseph in Ägypten, der die Träume des Pharaos deutet und Vorräte anlegt für die 7 mageren Jahre und ein geachteter Mann war. 
Nichts muss auf den Feldern liegen bleiben und verderben. Alles, was gewachsen ist und Frucht bringt, kann in den Handel kommen und Menschen satt machen.  Nun, der Bauer ist klug – größer müssen sie also werden, die neuen Scheunen, so denkt er.
Und er denkt weiter und spricht zu sich selbst: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss und trink und habe guten Mut!“So, liebe Gemeinde, gerät er auf die schiefe Bahn.  Der Tod kommt dazwischen. Jesus erzählt dieses Gleichnis, weil der reiche Kornbauer ein Mann ist, der nur noch um sich selbst kreist. Im inneren Dialog mich sich selber: Liebe Seele … isst und trink und habe guten Mut.
Nicht: Lobe den Herrn, meine Seele!, Nicht: Du, meine Seele, singe!, Sondern: Habe nun Ruhe… Und dabei ist wichtig, was die Bibel meint, wenn sie Seele sagt: Dasselbe Wort, das wir mit ‚Seele’ übersetzen bedeutet ebenso ‚Leben’. Die Seele, das ist ja nicht wie ein Organ unseres Körpers. Die Seele, das bin ich selbst als lebendiger Mensch, als Mensch-in-Beziehung. Durch seinen inneren Dialog schneidet sich dieser Kornbauer selber ab vom Leben: Vom Leben aus den Gaben Gottes und von der Verantwortung für andere.  

IV
Erntedank feiern, liebe Schwestern und Brüder, das heißt doch Dank zu sagen dem Geber aller Gaben. Das heißt doch Gott danken, ihn loben und groß machen vor der Welt. Erntedank feiern, das heißt für mich, dass ich eben nicht alles für selbstverständlich hinnehme. Und Erntedank feiere ich so gerne, weil ich wieder neu das Staunen lerne über das alles, was auf dem Lande, in den so genannten „ländlichen Räumen“ so alles wächst und gedeiht. Dieses Staunen schärft meine Sinne: Ich kann besser hinsehen auf das Kleine, das gelingt. Und ich kann besser hinsehen auf das Große, auf die großen Zusammenhänge, die eben oft komplex sind dringend verbessert werden müssen, damit die Vorräte für alle reichen.
Also, zuerst kommt das Staunen. Dann kommt das „Danke“ sagen. Und dann kommt das Anpacken, um mitzuhelfen, dass tatsächlich genug für alle da ist!  


So sammeln wir Vorräte zum Leben. Und es gehört zu den Grundlagen des Lebens, ein Auskommen zu haben.  Leben zu können, von dem, was man verdient in seinem Beruf oder von dem, was die  Sozialen Sicherungssysteme zur Verfügung stellen. „Faire Preise“ gehören dazu etwa für die Produkte, die Landwirte auf ihren Höfen herstellen oder vermarkten.  Bei solch einer Forderung geht es nicht um Luxus, sondern um die Existenzsicherung von Familien, um den Erhalt eines Hofes. „Faire Preise“ sind ebenso richtig und wichtig, wie es ein fairer Lohn ist. Die Lage ist in manchen Bereichen der Landwirtschaft kritisch, zum Teil bedrohlich.
Manche Milchbauern haben spektakulär auf ihre Situation hingewiesen. Auch andere Bereiche in der Landwirtschaft leiden unter dem Preisverfall. Das kann uns nicht kalt lassen. Auch wenn ich kein Fachmann bin – davon sitzen viele hier in dieser Kirche – so möchte ich doch eine Frage stellen: Könnte es nicht sein, dass auch wir Verbraucher mehr Verantwortung für die Situation haben, als wir glauben? Dass auch wir – versessen auf Schnäppchen – teil einer Kette von Gier sind, der Gier nach Billigpreisen. Und das, ohne auf unser Gewissen zu hören, dass doch fragt: „Was ist mit denen, die dafür gearbeitet haben? Auch dadurch, so scheint es mir, geraten die Lebensgrundlagen von Menschen ins Wanken.

VI
Liebe Gemeinde,  Leben ist nicht gleich Leben. Es kommt schon auf unsere Lebensführung an. Es kommt darauf an, was ich aus der Lebenszeit mache, die mir geschenkt ist. Das wahre Leben, das Jesus im Blick hat, das ist offenbar ein Leben, das prall gefüllt ist. Ein wahres Leben – reich an Qualität, reich an Vorräten – im hier und jetzt. Und auch in dem Leben, das folgen wird nach meinem Tod.  

Welche Vorräte aber sind es, die das wahre Leben ausmachen?
Ich denke an drei prall gefüllte Kornsäcke.  

Der erste Kornsack sagt mir:
Der Überfluss des Tages will im Heute genossen sein! Dieses Fest der Ernte und der gegenwärtige Genuss sind jetzt an der Zeit! Das Leben lebe ich im Jetzt, den Augenblick gilt es zu füllen – also nicht die gute Zeit sich dadurch verderben lassen, dass mich die Sorge um das Morgen lähmt.  

Der zweite Kornsack sagt mir:
Das Fest der Ernte kann ich nicht alleine feiern. Da sind die Familie, die Nachbarn, das Dorf, die Stadt, die Gemeinde in der Kirche. Leben heißt zusammenleben mit anderen. Das ist ein Vorrat und ein Schatz an Miteinander und an Menschlichkeit, den es zu pflegen und zu bewahren gilt. Und auch wir zusammen, liebe Schwestern und Brüder, sind dann nicht alles. Wir teilen den Überfluss des Tages miteinander – und mit denen, die auch etwas brauchen davon. Es ist genug für alle da – Brot ist Brot für die Welt! Teilen müssen wir lernen. Brot des Lebens aber ist: miteinander geteiltes Brot. Feiern und essen an einem Tisch, zusammen mit denen die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit!  

Und der dritte Kornssack sagt mir schließlich:

Wir freuen uns über die gute Ernte und wir teilen sie mit anderen. Und: Wir sagen Dank an Gott den Geber aller Gaben. So, liebe Schwestern und Brüder, begreifen wir unser Leben im Horizont Gottes. Und darum singen wir dann auch und bekennen: „Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!“  

Amen.

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