Rede auf der Prostestkundgebung der Hebammen
04. Mai 2011
Sehr geehrte Frau Salzmann, sehr geehrte Hebammen, meine Damen und Herren, „Du hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen, du ließest mich geborgen sein an der Brust meiner Mutter. Von Geburt an bin ich auf dich geworfen, von Mutterleib an bist du mein Gott.“ Mit dem Beter des 22. Psalms teile ich als evangelischer Christ die Überzeugung, dass unser Leben von allem Anfang an von Gott gewollt und besonders schutzbedürftig ist. Es darf deshalb nicht dem Zufall überlassen sein, unter welchen Umständen Kinder das Licht dieser Welt erblicken.
Für mich war und ist es - auch als Vater von vier Kindern - ein Herzensanliegen, dass die Betreuung unter der Geburt durch eine vertraute Hebammen gewährleistet wird. Wir leben in Schleswig-Holstein, in einem Flächenland mit besonderen geographischen Gegebenheiten. Und diese geographischen Gegebenheiten stellen wiederum besondere Herausforderungen für unser Gemeinwesen dar. Bei uns steht nicht um jede Ecke ein Krankenhaus mit Entbindungsstation, bei uns gibt es Dörfer, in denen kein „Landarzt und Geburtshelfer“ lebt. Daraus erwächst auch eine besondere soziale Verantwortung für unser Gemeinwesen, die wir alle miteinander wahrnehmen müssen. Es geht mich etwas an, wie eine Mutter auf einer nordfriesischen Insel ihr Kind zur Welt bringt. Aber auch in städtischen Regionen wie z.B. Hamburg-Wilhelmsburg ist diese Begleitung gefährdet. Es geht uns alle etwas an, ob Familien in der ersten Lebensphase eines Mädchen oder Jungen die Unterstützung bekommen, die sie brauchen.
Kirchliche Kindertagesstätten mit Krippen- und Regelgruppen, unsere Beratungsstellen und unsere Veranstaltungen für Kinder und Familien in den Kirchengemeinden leisten ihren Beitrag dazu, von kleinauf an. Aufgrund dieser Erfahrung wissen wir als Kirche, wie früh wichtige Grundlagen gelegt werden, die darüber entscheiden, ob und wie ein Kind seine Begabungen entfalten kann. Dazu gehört meiner Überzeugung nach auch, dass es behütet auf die Welt kommt, auf Wunsch der Mutter oder der Eltern begleitet von einer ihnen vertrauten Hebamme, die unnötige Ängste nehmen kann und die die Lebenssituation der Familie kennt.
Gott will das Leben – und er will, dass sich Menschen in Freiheit entwickeln können – liebevoll begleitet, von einer Zuwendung getragen, aus der jenes grundlegende Lebensvertrauen wachsen kann, das im Leben trägt. Mit allem Nachdruck hat sich die Nordelbische Kirche darum das Anliegen, angemessene Berufsbedingungen für Hebammen zu fordern zu eigen gemacht:
Plakat hochalten:
„1 Verlobter, 3 Könige, Gold, Myrrhe und Weihrauch, 1 Engel, 1 Stern, mehrere Nutztiere, die himmlischen Heerscharen, 1 lieber Gott - Wer hilft bei der Geburt ihres Kindes?“
Das war die augenzwinkernde Frage auf der Karte unserer gemeinsamen Aktion, die wir als Nordelbische Kirche gemeinsamen mit dem Hebammmenverbänden Schleswig-Holstein und Hamburg in der Weihnachtszeit organisiert haben. Die nordelbische Synode, unser Kirchenparlament, hat diese Aktion mit dem Hebammenverband einstimmig befürwortet. Und diese Frage auf unserer Karte hat, so ist mein Eindruck, viele Menschen nachdenklich gemacht – nicht nur die mehr als 22.000 Frauen und Männer aus ganz Deutschland, die sich durch ihre Unterschrift unser gemeinsames Anliegen zu eigen gemacht haben. Gemeinsam mit Hebammen haben unsere Pastorinnen und Pastoren in Gottesdiensten informiert, vom Hamburger Michel über den Lübecker Dom, die Kieler St. Nicolai Kirche und in Nebel auf Amrum genauso wie in Itzehoe, Eckernförde oder Sieverstedt.
Ich traue denen, die politische Entscheidungen zu treffen haben, zu, dass sie ihre soziale Verantwortung an diesem Punkt erkennen. Denn es kann bei rechtem Hinsehen nur eine gemeinsame Aufgabe sein, vor der wir hier stehen.
Dies werden die Vorsitzende des Hebammenverbandes Schleswig-Holstein und ich als Vertreter der Nordelbischen Kirche auch noch einmal in einem persönlichen Gespräch in Berlin vorbringen. Am 26. Mai werden wir die gesammelten Unterschriften öffentlich an Bundesgesundheitsminister Rösler übergeben und versuchen, ihm noch einmal deutlich machen, wie dringend kurzfristige und pragmatische Veränderungen hinsichtlich der Arbeitssituation von freiberuflichen Hebammen sind.
Unsere Nordelbische Kirche und ich selbst als Bischofsbevollmächtigter im Sprengel Schleswig und Holstein werde deshalb hartnäckig bleiben und weiter das Gespräch mit den Verantwortlichen suchen, damit für Neugeborene, ihre Familien und Sie als Hebammen gute Lösungen gefunden werden! Sie leisten einen entscheidenden Beitrag bei der Geburt – das muss unserer Gesellschaft mehr Wert sein!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.