10. Juni 2019 | Dom St. Nikolai Greifswald

Schlüsselgewalt für das Reich Gottes

11. Juni 2019 von Hans-Jürgen Abromeit

Pfingstmontag

Liebe Gemeinde!

Die Schlüssel für etwas zu haben, ist super. Dann habe ich Zugang. Dann brauche ich nicht mehr zu klingeln. Dann kann ich hinein gehen. Dann kann ich anderen öffnen. Ich kann sie auch außen vor lassen. Das ist dann meine Entscheidung. Wenn man ein Amt übernimmt, bekommt man meistens auch die Schlüssel für seinen Amtsbereich. Ich habe verschiedene Ämter im Laufe meines Lebens innegehabt. Jedes Mal, wenn mir Schlüssel übergeben worden sind, habe ich gespürt: „Jetzt hast du für diese Häuser und Räume Verantwortung.“ Demnächst werde ich Schlüssel abgeben müssen: für die Bischofskanzlei und für das Bischofshaus. Damit wird mir dann aber auch die Verantwortung genommen. Ein anderer wird sie übernehmen.

In unserem Bibelwort für den Pfingstmontag geht es auch um Schlüssel, aber um besondere Schlüssel. Es geht um die Schlüssel, mit denen man das Himmelreich auf- und zuschließen kann. Liebe Gemeinde, es geht um etwas Unglaubliches. Einem Menschen wird die Macht übertragen, das Reich Gottes auf zu tun oder verschlossen zu lassen. Das ist doch ungeheuerlich, dass Jesus Petrus die Vollmacht überträgt, den Himmel für andere Menschen aufzutun. Das Amt der Schlüssel meint nicht nur die Beichte. Es meint die Vollmacht, in Zeit und Ewigkeit Sünden zu vergeben – oder sie auch zu belassen. „Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“ (V. 19). Gilt das nur für diesen einen, für Petrus, dass er die Macht verliehen bekommt, das Reich Gottes auf- und zuzuschließen, oder gilt das für den Zwölferkreis, den Jesus berufen hat, für die Jünger, die ihm nachgefolgt sind, oder gilt das für alle Christen? Das ist eine relevante Frage. Bis heute geht in der Christenheit der Streit darum, ob der Papst die Schlüsselgewalt hat oder alle Pastoren oder alle Glaubenden.

Wer bekommt dieses Amt und diese Autorität und diese Verantwortung? Jesus hatte ihn als Simon kennengelernt. Er stammte aus dem Fischerstädtchen Bethsaida am See Genezareth, war auch selbst Fischer geworden und nun in Kapernaum, wenige Kilometer westlich seiner Heimatstadt, glücklich verheiratet. Da trat eines Tages dieser Jesus aus Nazareth auf, predigte gewaltig und berief diesen Simon gemeinsam mit seinem Bruder Andreas in seine Nachfolge: „Folgt mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen!“ (Matth 4,19). Und sie waren gefolgt, mit den anderen, hörten Jesu Predigt, sahen, wie er mit den Menschen umging, und waren so tief beeindruckt, dass sie ihr altes Leben hinter sich ließen. Sie zogen mit Jesus durch das Land Israel und erlebten, wie Jesus verkündigte: „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“ (Matth. 4,17), wie er Menschen heilte und sich allen Menschen zuwandte, den in der Gesellschaft Tonangebenden als auch denen am Rand. Offensichtlich hatte jeder Mensch einen unendlichen Wert.

Nun hatte sich Jesus mit seinen Jüngern nach Cäsarea Philippi zurückgezogen. Das war das Grenzland, ganz hoch im Nordosten Israels. Raus aus dem Trubel, aus der Hektik und aus der permanenten Überforderung. Die Lage hatte sich für Jesus zugespitzt. An seiner Person und seiner Verkündigung schieden sich die Geister. Auf der Tagesordnung stand die Frage, ob er bleiben und die Folgen seiner Verkündigung und seines Wirkens aushalten sollte oder ob er ausweichen sollte, vielleicht ins Ausland gehen. Das wäre hier im Norden ganz einfach gewesen, wenige Meter, dann wäre er in einem anderen Land und niemand hätte ihn gekannt. Jesus stand vor der Wahl: Ausland oder Jerusalem. Jerusalem, das bedeutete den Stier bei den Hörnern zu packen und bewusst die Auseinandersetzung und die Entscheidung mit den führenden jüdischen Kreisen zu suchen. Offensichtlich ist Jesus verunsichert. Er fragt nach der Resonanz, die er bei den Menschen hervorruft: „Wer sagen die Leute, das ich sei?“

Ja, man hatte gemerkt, dass der Geist Gottes in besonderer Weise mit diesem Mann aus Nazareth unterwegs war. Auf der Suche nach einer Einordnung dieses Phänomens Jesus von Nazareth greifen die Menschen aus Galiläa auf traditionelle Antworten zurück. Irgendwie hat man das, was Jesus verkündete und wie er auftrat, doch schon bei Johannes dem Täufer oder bei Elija oder bei Jeremia oder bei irgendeinem anderen der Propheten gehört – oder? Da fragt Jesus nun seine Jünger unvermittelt und direkt: „Und wer sagt ihr, das ich sei?“ Petrus, schon immer Wortführer der Jünger, antwortet: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Christus, das ist das griechische Wort für des hebräische Wort Messias. Das bedeutet „Gesalbter“ und hat die Jünger sofort an den mit dem seit 1000 Jahren in der Nachfolge Davids erwarteten Messias erinnert. Da klangen Bibelworte an, die sie schon als Kinder auswendig gelernt hatten, wie zum Beispiel aus dem 2. Psalm, der zur Inthronisation eines Königs in Jerusalem gesprochen wurde: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ (Psalm 2, 7). Gott würde sich zu dem von ihm erwählten Heilsbringer für Israel und Retter der ganzen Welt bekennen.

Liebe Gemeinde, auch uns ist diese Frage gestellt: „Wer meint denn ihr, dass ich sei?“ Was halten Sie von Jesus? War er ein beeindruckender Prediger, ein weiser Mensch oder gar der Sohn Gottes? Diese Frage ist für unser Leben vielleicht die wichtigste Frage. An ihr entscheidet sich unser Leben.

Petrus ist der erste Mensch, der ein Christusbekenntnis ausspricht: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ „Dieser Jesus von Nazareth ist der Messias.“ Er ist der erwartete Heilsbringer, der Stellvertreter Gottes auf Erden, der seinen Willen unter uns durchsetzen wird. – Einen bestimmten Menschen der Geschichte so völlig auf Gottes Seite zu stellen und ihn von allen anderen Menschen abzuheben, ist ungeheuerlich! Auch Jesus ist überrascht und antwortet auf dieses Christusbekenntnis, auf diese Messiaserkenntnis: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Nicht durch schlussfolgerndes Denken oder menschliche Erfahrung ist es möglich, den Messias zu identifizieren. Das geht nur durch Offenbarung, geht nur durch Gottes Geist, geht nur, weil es der Vater im Himmel Simon selbst gesagt hat.

Jesus weiß: Diese Erkenntnis ist Menschen aufgrund ihrer geschöpflichen Begrenztheit und ihrer Hinfälligkeit nicht möglich. Hinter der Erkenntnis, dass dieser Jesus von Nazareth der von Gott gesandte Erlöser ist, der Christus, muss Gott selber stecken. Das spricht Jesus aus und antwortet auf die Christuserkenntnis des Jüngers Simon: „Du bist Christus!“ mit einer Neubennung für diesen Simon: „Du bist Petrus!“

Spricht Petrus aus, welches Amt Jesus im Heilsplan Gottes erfüllt, so schafft Jesus für Petrus ein neues Amt, das für die zukünftige Gemeinde von großer Bedeutung ist: „Du bist Petrus und auf diesem Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Wer Christus erkennt, muss auch bereit sein, sich selbst von diesem neu definieren zu lassen. Aus der Christuserkenntnis wächst ein neues Selbstverständnis. Christus sagt uns, wer wir wirklich sind.

Und dieser Fischer vom See Genezareth, dieser offensichtlich begeisterte und begeisternde Mann, eine Führungspersönlichkeit, soll die Grundlage, die Basis sein, auf die Jesus seine Gemeinde bauen will. Jesus gebraucht ein Wortspiel. Der Name Petrus bedeutet im Griechischen Felsen. Und auch diese Zusage eines Amtes für Petrus ist nun ungeheuerlich. Denn diese Person, sein Wirken, seine Erkenntnis soll eine gute Grundlage für den Gemeindebau sein.

Darum geht es. Um den Bau der Gemeinde. Deswegen veranstaltet Gott diese ganze Vorstellung. Er will Gemeinde bauen. Liebe Gemeinde, was uns fehlt in Vorpommern sind Menschen, die Gott mit dem Mund loben und mit ihrem Leben ehren. Uns fehlt lebendige Gemeinde. Jesus aber will Gemeinde bauen. Jesus will Menschen, die gemeinsam den Willen Gottes leben. Gemeinde, das ist ein Stück Himmel auf Erden. Diese Gemeinde Gottes gibt es in vielfältigen Formen. Eine Form ist die ganz normale Ortsgemeinde. Menschen, die in einer Region wohnen und sich in einem Kirchenraum zum Gottesdienst treffen. Daneben gibt es auch andere, intensivere Formen, Glaubensgemeinschaft zu leben, zum Beispiel ein Kloster. Ein Kloster ist eine vom Gebet getragene, konzentrierte Form der Gemeinde. Daneben gibt es noch andere, oft auf Lebensphasen beschränkte Formen Gemeinde zu leben, wie zum Beispiel in der Jungen Gemeinde oder der Studentengemeinde.

Aber in welcher Form Gemeinde auch immer existiert. Sie hat die Zusage Jesu, dass die Gemeinde bleibt. Wir leben in der Zeit eines Umbruchs. Manchmal sind wir erschrocken, was aus unserer guten alten pommerschen Kirche wird. Es hat schon viele Veränderungen gegeben und wir werden auch in Zukunft nicht von Wandel verschont bleiben. Die Formen mögen sich wandeln, doch die Gemeinde Jesu Christi als solche wird bleiben. Jesus sagt: Selbst die geballte Macht der Vergänglichkeit, die „Pforten der Hölle“ können ihr nichts anhaben. Liebe Gemeinde, diese Zusage ist sehr tröstlich.

Der Apostel Petrus bekommt durch Jesus eine ungeheure Vollmacht. Er bekommt die „Schlüssel des Himmelreichs“ überreicht. Wir fragten uns schon, was das ist. Was ist das Petrusamt? Ist dieses Petrusamt nur auf diese besondere, einmalige Person des Petrus bezogen? Oder meint es die Begründung eines Amtes, das im Lauf der Kirchengeschichte immer wieder neu besetzt werden muss, so dass mit diesem Worten Jesu am Anfang der Kirche bereits das Papstamt begründet wäre? Gibt es eine Nachfolge in der Sendung durch Gott, eine sogenannte „apostolische Sukzession“?

Entscheidend ist die Christuserkenntnis und das Christusbekenntnis. Auf die Klarheit kommt es an, zu wissen, wen wir in Jesus Christus vor uns haben. In der Nachfolge des Petrus steht Jede und Jeder, der in dieser Deutlichkeit wie Petrus die Wahrheit über Jesus Christus erkennt und vor den Menschen bezeugt. In der Klarheit der Verkündigung liegen die Schlüssel zum Himmelreich. Eine Kirche, die den Menschen nicht deutlich verkündigt, was es mit Jesus auf sich hat, die seine Bedeutung als Erlöser verdunkelt und nicht klar sagt, wie Christus uns hilft, in den Himmel zu kommen, eine solche Kirche schließt den Menschen den Himmel zu und baut keine Gemeinde auf. „Binden und lösen“ das meint, Sünden zu vergeben oder diese Sünde zu behalten. Diese ungeheure Vollmacht gibt Jesus allen, die in seiner Nachfolge stehen.

Ja, wir haben die Schlüssel. Wir schließen Menschen das Himmelreich auf oder auch zu. Ob wir das wahr haben wollen oder nicht. Es ist so. Die Menschen schauen auf uns und schließen vom Bodenpersonal auf den Vater im Himmel. Was meinen Sie, wie vielen Menschen z.B. durch die Missbrauchsfälle - sowohl in der katholischen Kirche als auch in der evangelischen Kirche – der Himmel zugeschlossen worden ist. Wir sollen aber jedem, der nach Gott sucht, den Himmel öffnen und nicht verschließen.

Jesus war mit seinen Jüngern nur drei Jahre zusammen. Dann war der Weg Jesu auf dieser Erde zu Ende und er ging zurück zum Vater. Pfingsten sandte er uns seinen Geist. Seitdem ist es an uns, diesen Geist unter uns wirken zu lassen. Und ich bin gewiss: Es werden ewigkeitliche Folgen bleiben. Es gibt auch heute Menschen, denen ist der Himmel aufgeschlossen worden. Lasst uns die Gaben, die der Heilige Geist uns schenkt, dazu nutzen.

Amen.

 

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