20. August 2022 | Hafen Hamburg, Seemannsmission Duckdalben

Seefahrergottesdienst zur Verabschiedung von Jan Oltmanns

20. August 2022 von Kirsten Fehrs

Predigt von Bischöfin Kirsten Fehrs zu 1. Korinther 12

Verbunden in einem Geist grüße ich euch herzlich, liebe Schwestern und Brüder, und heute natürlich besonders: lieber Jan, Diakon der Herzen!

Das Abschiednehmen gehört ja irgendwie zur DNA des Seefahrerlebens. Für dieses „Nu-ist’s-gut-Daddeldu“ seid ihr echte Expertinnen und Experten. „Mein Kind, sei nicht traurig, tut auch der Abschied weh“, singt Hans Albers so schön in „La Paloma“. Zum Schmachten und Reinlegen in diese unverwechselbare Stimmung von Abschiedsschmerz und Freiheitssehnsucht. Aufbruch mit Tränen. „Auf, Matrosen, ohé, einmal muss es vorbei sein.“ Holt die Taschentücher raus!

Nein, ich will ganz bestimmt nicht auf die Tränendrüse drücken. Aber 36 Jahre sind nun mal 36 Jahre. 36 Jahre wart ihr zusammen unterwegs, ihr beide, Jan und der Duckdalben. Das ist weit über die Silberhochzeit hinaus. Das sind Liebe und Treue, das ist, bei aller Professionalität natürlich, innige Verbundenheit und eigentlich – eigentlich – das, was man unzertrennlich nennt.

Und nun geschieht es doch. Wir stehen am Kai und du segelst davon. Stichst in See, in neue Freiheit. „Nach vorn geht mein Blick, zurück darf kein Seemann schau’n.“ Ja, Hans Albers hat Recht und natürlich sind wir ganz nüchtern und stark. Aber eine ganz klitzekleine Träne darf ja vielleicht doch sein, oder?

Denn unsere Seele ist ja so gebaut, dass sie berührt werden kann – und an Tagen wie diesen auch berührt werden will. Wir sind ja auch Gefühl, sind verletzbar, kennen Schmerz, und sind so herrlich unvollkommen und unvollständig. Nichts anderes hatte Paulus im Blick, als er diese unvergleichlich schöne Komposition von dem einen Leib und den vielen Gliedern geschaffen hat. Ihr habt das so klug dargestellt in eurer Collage! Niemand muss perfekt sein und erst recht nicht ungerührt. Niemand muss unverwundbar wie der Fels in der Brandung stehen. Selbst Leuchttürme – siehe Bremerhaven – kommen ins Wanken, lernen wir gerade.

Nein – ganz, also: ganz Mensch werden wir, weil wir viele und weil wir zusammen sind, weil wir aufeinander bezogen sind wie die verschiedenen Körperteile im Körper eines Menschen. „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit“, schreibt Paulus. Feiern wir also heute zusammen kräftig – mit Träne im Knopfloch. Und wünschen dir, lieber Jan, und natürlich auch Ihnen, liebe Margaret Stölting, die Sie so treu und sagenhaft zuverlässig immer klar Schiff gemacht haben, allzeit gute Fahrt.

Denn das ist ja eure wichtigste Aufgabe hier, alle zusammen als Crew der Seemannsmission(en) und im Duckdalben: gute Wünsche mit auf den Weg geben. Oder noch schöner gesagt: segnen. Mit Worten in fast jeder Sprache der Welt. Mit Gebeten jeder Religion. Immer wenn ich im Raum der Stille stehe, in diesem genialen Raum der friedliebenden Verschiedenheit, denke ich: Was für eine beeindruckende Seefahrer-Gemeinschaft drückt sich hier aus! Gemeinschaft, die natürlich auch verwundbar und zerbrechlich ist wie überall. Romantisch ist das Seefahrtsleben schließlich nicht wirklich. Und trotzdem liegt eine so berührende Symbolik darin, wenn dänische und deutsche (und plattdeutsche), wenn finnische, philippinische, norwegische, schwedische, südsee-ische und, ja, russische und ukrainische Seeleute sich begegnen, hingebungsvoll Karaoke singen oder tanzen wie die Seeleute aus Kiribas, wenn sie alle zusammenhalten. Das ist ja nicht selbstverständlich, dass sich solch eine Gemeinschaft der sehr Verschiedenen versteht und vor allem dies: miteinander Frieden hält.

Als würde jeder Mensch, der hier zuverlässig mit einer so herzlichen Offenheit wie deiner, lieber Jan, empfangen wird, spüren: Hier ist ein Ort des Friedens. Basta. Schutzraum für ausnahmslos alle. Hier kriegst du wieder festen Boden unter die Füße. Die Kugel rollt gerade über den Billardtisch. Hier vibriert nix, hier ist Ruhe. Und hier sind Menschen mit Herz. So wie Jan eben. So lange Jahre hast du mit deiner sagenhaft einfühlsamen und zugleich total pragmatischen Art dem Duckdalben ein originales Gesicht gegeben. Langmähnig, klug, liebevoll – und hartnäckig! Immer geradlinig, dein Kurs. Und froh sind wir, dass es mit Sören einen Nachfolger gibt, der auch weiß, was dran ist. Einer, der genau wie du darauf schaut, was uns zusammenhält im einen Leib Christi. Damit alle die Kraft behalten. Kraft, um für die Seeleute Gutes zu wünschen und Gutes zu tun. Segnen in allen Facetten und allen religiösen Sprachen. Danke, Gott, dass du mitten unter uns bist. Das habe ich oft gedacht, wenn ich bei euch sein durfte.

Es geht eben nicht immer um große theologische Fragen und um die rechte Auslegung der heiligen Schriften. Auch wenn das nicht schädlich ist, hier geht es zuallererst um praktischen Dienst. Um Liebesdienst. Es gibt wahrlich genug Probleme im Alltag dieser Zeiten, die angepackt werden müssen! Viel zu viele Menschen, die übersehen und benachteiligt werden, und die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit und Menschenrecht! Und also muss Unrecht beim Namen genannt und beseitigt werden. Zum Beispiel, wenn Hunderte Seeleute aus Kiribas während der Pandemie ganz praktisch versorgt, seelisch gestärkt und politisch freigekämpft werden müssen. Danke euch allen von Herzen dafür!

Und für jeden und jede ist eine Aufgabe dabei, alle haben verschiedene Gaben. Die einen packen Zahnbürsten ein, die anderen backen Kuchen, die dritten organisieren Unterkünfte, die vierten hören zu und wieder andere verhandeln mit Behörden. Jeder kann was. Und jede auch. Und gemeinsam wird daraus handfeste Nächstenliebe. Nicht nur während der Pandemie.

Viele Gaben, ein Geist. Damit die versorgt werden, die auf hoher See so weit weg sind. Wie schnell wird daraus: aus den Augen, aus dem Sinn. Aber genau das darf eben nicht passieren. Erst recht nicht in unserer Gesellschaft, in dieser Freien und Hansestadt Hamburg, die so stolz ist auf ihren Hafen. Und deshalb geht ihr, liebe Geschwister von den Seemannsmissionen und –kirchen, hin. Ganz gezielt. Bittet, an Bord kommen zu dürfen – auch an Bord der Gedanken und Sorgen. Um anzudocken und hinzusehen und die Hand zu reichen.

Dabei ist die Hilfe, die ihr leistet, so wunderbar konkret. Klare Kante, warmes Herz. Und also very basic. Telefonkarten, Internetzugang. Informationen aus der Heimat. Alles wird getan, um direkte Kommunikation zu ermöglichen. Sehnen sich die Seeleute nach monatelangen Trennungen doch enorm nach vertrauten Stimmen aus ihrer Heimat. Es braucht das Gespräch, um das manchmal so elende Heimweh zu dämpfen. Mich hat es einmal sehr beeindruckt, als Jan Oltmanns erzählt hat, wie ruhig es in den Telefonräumen im Duckdalben immer zugeht. Weil da eben nicht in erster Linie geredet, sondern begierig hingehört wird: wie es den Kindern geht und den alten Eltern, ob das Haus noch heil ist und besonders jetzt ob der Krieg vor der Tür steht und wie bloß endlich Frieden werden kann. Auch wie lieb man einander hat, braucht ein Wort. Ganz konzentriert wird auf die Stimme der Geliebten daheim gehört, jede Form von Zuneigung herausgelauscht.

Das offene Ohr – es verbindet uns alle. Ihr als Mitarbeitende der Seemannsmissionen und Seemannskirchen – so viele Ehrenamtliche sind dabei, wunderbar! – ihr seid da als Seelsorgerinnen und Seelsorger, die hören. Auch auf die Gefühle. Und dann geht ihr mit. Helfend, tröstend, mitfühlend. Als Hände, Füße, Ohren und Augen Jesu. Er hat keine anderen als eure und unsere, um immer wieder auf die Welt zu kommen.

Ich danke euch dafür von Herzen. Am liebsten in allen Sprachen der Welt. Danke für Kraft, Zeit, Achtsamkeit und Liebe. Danke. Thank you very much. Merci beaucoup. Merci vielmals. Mange tak. Tack så mycket. Suurkiitos. Mille grazie. Muchas gracias.

Italienisch und Spanisch dürfen schon deshalb nicht fehlen, weil das so schön deutlich macht, worum es bei dem Dank geht: Um die Gratia, die Gnade. Jenes Geschenk, das Gott uns Menschen macht, jeden Tag neu. Jenes Geschenk, das uns dazu drängt, etwas von diesem eigenen, reichen Segen abzugeben und andere zu beschenken. So wie ihr es hier tut. Und so wie ihr es getan habt, lieber Jan und liebe Margaret Stölting. 36 Jahre lang. Vun Harten Dank! Und: Bleibt behütet!

„Nach vorn geht mein Blick, zurück darf kein Seemann schau’n.“ Also dann. Machen wir weiter so, verbunden in einem Geist. Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Im Duckdalben und überall, wo Seeleute an Land kommen. Damit sie berührt werden von dem Frieden, der höher ist als alle Vernunft. Der bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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