25. November 2015 | Hamburg, St. Trinitatis Altona

Trotz allem

25. November 2015 von Kirsten Fehrs

Begrüßung beim Hoffnungs- und Stärkungsgottesdienst für Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben und ihre Unterstützerinnen

Liebe Schwestern!

Ein Hoffnungs- und Stärkungsgottesdienst will es heute Abend sein. Für all die Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben und für ihre Unterstützerinnen – und so sind wir alle hier in schwesterlicher Gemeinschaft. In einem geschützten Raum. Diesem Kirchraum, in dem ausgesprochen wird, was eigentlich unbeschreiblich schrecklich ist. Heute am internationalen Tag der Gewalt geht es darum, laut Nein zu sagen. Nein zu Gewalt. Nein zur Bagatellisierung von Gewalt. Nein dazu, sich das Thema und die Not, die dahinter steckt, vom Hals zu halten. Und: Nein zur Tyrannei, auch der häuslichen. Wir haben von Christus her den Auftrag dazu, den Geschundenen und Getretenen in unserer Gesellschaft eine Stimme zu geben. Eine mitfühlende Stimme. Und eine kämpferische auch.

Wir reden, damit sich betroffene Frauen gestärkt fühlen. Und nicht mehr so allein. Damit sie den Rücken gerade machen können und durchatmen und es angehen. Vielleicht fassen sie Mut, selbst darüber zu reden, was Körper und Seele so bedrückt. So entsteht ja Entlastung und irgendwann auch Aussicht. Hoffnung gar. Die Hoffnung, wieder Lebensfreude zu spüren und zuallererst sich selbst – trotz allem.

Trotz allem –  stark werden, darum geht es euch und ihnen mit diesem Gottesdienst. Dass ihr ihn unverdrossen nun schon 13 Jahre anbietet, dafür danke ich euch.  Denn es ist ein Gottesdienst als Zeichen gegen das Verdecken, Weghören, Verschweigen häuslicher Gewalt und aller Gewalt, die an Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft und in Europa stattfindet.

Ein Gottesdienst als Zeichen auch für eine neue Kultur des Hinhörens, Hinschauens, der Aufmerksamkeit für die, die immer wieder in den Schatten gedrängt werden.

Deshalb wird in diesen Gottesdiensten von Frauen erzählt, die in biblischer Zeit Gewalt erlitten haben – und das ist gar nicht so einfach auszuhalten. Denn obwohl die Geschichten oft Jahrtausende alt sind, sind sie unglaublich nah auch an unserer Realität.

Das ist einerseits kraftzehrend, weil es manche unter uns erinnern wird an eigenen Schmerz; andererseits ist es stärkend, weil das Unrecht klar benannt und die Not nicht ignoriert wird, persönlich nicht und gesellschaftlich auch nicht.

Es ist deshalb wichtig, dass wir hier sind – alle miteinander. Dass wir einander tragen und miteinander das Schweigen brechen. Solidarisch. Herzlich. Anteilnehmend.

Dieser Kirchraum gibt uns die Weite dazu. Und Segenskraft. Weil Christus mitten unter uns ist. Er geht mit uns, immer. Durch Schmerz und Leid, aber auch nach vorn, zum Licht. Gehen wir mit ihm und hören, dass sein Ja zu uns kein Aber kennt. Sondern nur dies: Du sollst leben. Jetzt.

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