18. November 2015 | Hamburg, Domplatz

Überwindet das Böse mit Gutem!

18. November 2015 von Kirsten Fehrs

Kundgebung „NOUS SOMMES PARIS“ zum Gedenken an die Opfer der Terroranschläge in Paris

Liebe Freundinnen und Freunde,

nous sommes Paris. Wir sind Paris. Lieber Generalkonsul Serge Lavroff, wir alle stehen heute  an Ihrer Seite und damit an der Seite Frankreichs. Mit tiefer Trauer. In aufrechter Solidarität mit den Angehörigen der Opfer. Für Demokratie und Menschenrechte.

Ich bin froh, dass Sie alle gekommen sind und sich nicht haben einschüchtern lassen! Und dass wir hier auf dem Domplatz zusammenstehen: Parteien, Religionsgemeinschaften, Verbände und Gewerkschaften. Wir wollen gemeinsam ein Zeichen der Hoffnung setzen gegen den Schrecken, der uns in den vergangenen Tagen begleitet hat. Und der uns gestern auch in Deutschland noch näher gerückt ist.

Die furchtbaren Bilder lassen einen nicht los. Mir geht das verwackelte Video vom Überfall auf den Musikclub Bataclan nach. Die Band spielt, die Menschen tanzen - und plötzlich dröhnt dort hinein das Hämmern der Maschinengewehre. So furchtbar war es, wie die ausgelassene Fröhlichkeit von einer Sekunde auf die andere umschlägt in unfassbares Grauen. Und dann ein anderes Bild. Am nächsten Tag. Am Kiosk bei mir um die Ecke sehe ich lauter internationalen Zeitungen mit einer Schlagzeile: KRIEG. Guerre. War.

Sind wir wirklich im Krieg, liebe Freundinnen und Freunde? Ist der Krieg, der seit Jahren nun schon in Syrien und der Region tobt, in Europa angekommen? Gar ein dritter Weltkrieg?

Ich kann da überhaupt nicht einstimmen. Es wird viel zu viel von Krieg geredet! Auch wenn ich verstehen kann, dass Menschen im Schock so reagieren. Sprengstoffexplosionen, Gewehrsalven und schwarzuniformierten Männer, 130 Tote - das erinnert an Krieg. Aber ist es das wirklich? Sind festgenommene Terroristen dann Kriegsgefangene? Und: Kann man irgendwann einen Waffenstillstand oder gar Frieden aushandeln?

Ich bin der festen Überzeugung: Nein, das kann man nicht. Und das darf man nicht! Die Attentäter von Paris und ihre Hintermänner sind für mich Mörder, über alle Maßen brutale und fanatische Mörder. Und als solche Verbrecher müssen sie gefasst, verurteilt und eingesperrt werden. Nicht mehr und nicht weniger. Genauso wenig dürfen wir darauf hereinfallen, dass die IS-Terroristen sich auf die Religion berufen. Nichts, aber auch gar nichts haben diese Gewaltexzesse mit Religion zu tun. Sie hängen den Wahnideen einer Sekte an, nichts anderes!

Für alle Religionsgemeinschaften des Interreligiösen Forums stehe ich hier und sage: Wir lassen uns nicht gegeneinander aufhetzen! Und wir sollten vor allem mit dem Gerede aufhören, dass wir selbst uns nun grundlegend verändern müssten. Wir dürfen unsere Freiheitsrechte nicht einschränken und auch nicht unsere Gastfreundschaft. Dürfen Flüchtlinge nicht abweisen und Einwanderern mit Misstrauen begegnen! Am heutigen Buß- und Bettag gilt es vielmehr auch den selbstkritischen Blick zuzulassen: Viele Terroristen stammen doch von hier! Sie sind oft die Kinder unserer Gesellschaft: Franzosen, Belgier und Deutsche auch.

Niemals dürfen wir dem Terror unsere Werte opfern. In den Worten meiner christlichen Tradition heißt das ähnlich wie in allen heiligen Schriften: Lasst euch nicht vom Bösen überwinden, sondern überwindet das Böse mit Gutem!

Sicher, die Terroranschläge haben uns in ihrer abgrundtiefen Bösartigkeit verunsichert. Terror zielt ja immer auf das, was der Mensch braucht, um zu leben – Geborgenheit, Heimat, Normalität, Freundschaftsspiele –Terror zielt buchstäblich mit Kalaschnikows darauf, dies zu zerstören. Doch lasst euch nicht vom Bösen überwinden, liebe Freundinnen und Freunde. Bleiben wir geradlinig  –  haben wir den Mut, die zu bleiben, die wir sein wollen. Für uns Religionen hier in Hamburg heißt das: unbeirrbar dem Friedensgebet zu vertrauen und zur Nächstenliebe aufzurufen. Danke, dass ihr alle geschwisterlich beisammen steht und das zeigt.

Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, lasst uns offen bleiben und herzlich wie es dieser Stadt würdig ist, lasst uns dialogisch bleiben und kultursensibel, interreligiös, mutig und hoffnungsstark. So wird der Terror nicht das letzte Wort haben. Sondern sie: Liberté, Egalité, Fraternité!“

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