Geschichte

Uni-Debatte: Wie verhielt sich die Kirche in der NS-Zeit?

Umstrittene Figur: Bischof Wilhelm Halfmann
Umstrittene Figur: Bischof Wilhelm Halfmann© Landeskirchliches Archiv Kiel

18. Januar 2015 von Timo Teggatz

Kiel. Beigelegt ist die Kontroverse um den Holsteiner Nachkriegsbischof Halfmann nicht, aber seine Judenfeindlichkeit wird auch von seinen Anhängern nicht in Frage gestellt. Das wurde bei einem öffentlichen Streitgespräch in Kiel deutlich, bei dem fast die gesamte Kirchenspitze dabei war.

Noch in den 60er Jahren hat sich Holsteins Nachkriegsbischof Wilhelm Halfmann (1896-1964) feindlich über Juden geäußert. Die Frage, ob er in der NS-Zeit aber auch jüdischstämmigen Christen nachträglich die Taufe aberkennen wollte, ist weiter offen. Die Kieler Universität hatte zum öffentlichen Streitgespräch eingeladen, an dem nahezu die gesamte Kirchenspitze teilnahm.

Anlass für die Kontroverse ist ein 350 Seiten starkes Werk des Historikers Stephan Linck, der unter dem Titel "Neue Anfänge?" die Geschichte der ehemaligen Landeskirche Schleswig-Holstein, die auch Teile Hamburgs umfasste, beleuchtet. Eine besondere Rolle spielt dabei die Bewertung der Bekennenden Kirche, die sich gegen die Gleichschaltung durch die Nazis wehrte. Ihr standen die nazitreuen "Deutschen Christen" gegenüber.

Halfmann, seinerzeit führender Kopf der Bekennenden Kirche, verfasste 1936 die Schrift "Die Kirche und der Jude". Diese Schrift habe die Juden "dämonisiert", sagte der Kieler Kirchenhistoriker Prof. Johannes Schilling. Ziel sei zwar die Verteidigung der Kirche gegen NS-Ideologen gewesen. Am Ende habe Halfmann jedoch auf zum Teil irrationale Weise theologische und völkische Positionen vermischt. Später war die Schrift von der Gestapo verboten worden.

Wie verhielt sich die Bekennende Kirche?

Seine judenfeindliche Position habe Halfmann auch in der Nachkriegszeit nicht aufgegeben, erläuterte Historiker Linck. Öffentlich habe er sich 1960 nach mehreren rechtsradikalen Anschlägen vom Antisemitismus distanziert. In einem privaten Brief aus dieser Zeit habe er jedoch von einer Gefahr für die Deutschen durch das jüdische Volk geschrieben. Vor allem den "deutschen Arbeiter" sah er gefährdet – für Linck ein Indiz, dass Halfmann eine enge Verbindung von Judentum, Kommunismus und Sozialdemokratie sah.

Der Lübecker Altbischof Karl Ludwig Kohlwage verwies dagegen auf Halfmanns Bemühungen, die evangelische Kirche während der NS-Zeit vor der Gleichschaltung zu bewahren. Die judenfeindlichen Äußerungen Halfmanns seien "nicht zu rechtfertigen". Die Bekennende Kirche in Schleswig-Holstein habe auch zu den Juden-Pogromen 1938 geschwiegen.

Streit gibt es aber nach wie vor um die Frage, ob die Bekennende Kirche es gebilligt hat, dass jüdischstämmige Christen aus der Kirche ausgeschlossen wurden. Der nazitreue Kieler Kirchenamtspräsident Christian Kinder hatte dies 1942 verfügt. Zugleich hatte er den Judenchristen aber in Hamburg einen eigenen Seelsorger angeboten, der aufgrund seiner jüdischen Wurzeln aus dem Kirchendienst entlassen worden war. Betroffen waren seinerzeit 124 Judenchristen.

Pragmatische Lösung

Halfmann hatte nach seiner Bischofswahl 1946 in einem Schreiben an Kinder seine Unterstützung für den Ausschluss eingeräumt. Für Altbischof Kohlwage reicht dies als Beweis jedoch nicht aus. Mit einem solchen Schritt hätte Halfmann den Judenchristen nachträglich die Taufe aberkannt. Es gebe Belege, dass das Leitungsgremium der Bekennenden Kirche dies missbilligt habe. Dies müsse die heutige Kirchenleitung öffentlich klarstellen.

Am Ende bot der Kirchenhistoriker Professor Andreas Müller eine mögliche Sichtweise an: Halfmann habe 1942 die Behandlung der Judenchristen als pragmatische Lösung gesehen, eine Aberkennung der Taufe jedoch nicht grundsätzlich unterstützt.

Im Juli 2014 hatte der Landesverein für Innere Mission in Rickling (Kreis Segeberg) beschlossen, eine der größten Diakonie-Einrichtung im Norden, seinen "Bischof-Halfmann-Saal"<link http: www.nordkirche.de nachrichten detail bischof-halfmann-saal-wird-umbenannt.html _blank link-extern> umzubenennen in "Fichtenhofsaal". Bereits 2009 hatte der ehemalige Kirchenkreis Münsterdorf seinen Plan aufgegeben, das neue Verwaltungsgebäude in Itzehoe "Bischof-Halfmann-Haus" zu nennen.

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