Wie viel ist genug?
30. September 2015
Vortrag der Bischöfin anlässlich des Heinrich Grone-Gesprächs Thema: Die Ökonomie des guten Lebens und Phänomene des Wohlstandes
Haben Sie herzlichen Dank dafür, dass Sie mir hier die Gelegenheit geben über ein Thema zu reden, das geradezu ins Herz unserer christlichen Ethik hineinführt. Denn genau diese Frage "Wie viel ist genug?" durchzieht die christlich-jüdische Tradition buchstäblich seit Adam und Eva, Kain und Abel. Und zwar unter dem Begriff der Gerechtigkeit. Und in diesem Begriff treffen sich letztlich drei Perspektiven:
Die erste nämlich, wie ich dastehe im Vergleich zu meinen Mitmenschen. Bekommt er oder sie genauso viel wie ich? Werde ich benachteiligt, muss ich mich gar dagegen wehren, übervorteilt zu werden? Stichwort: Gesellschaftliche Gerechtigkeit.
Die zweite Perspektive: Wie viel ist genug für mich persönlich? Wann habe ich genug, wann bin ich am Ziel meiner Wünsche angekommen? Stichwort: persönlicher Lebenssinn.
Und schließlich die dritte Perspektive, die damit eng zusammenhängt: "Wie viel ist genug vor Gott?" Muss ich mich täglich anstrengen, bemühen, verzichten, kasteien - und wenn Sie das für zu fernliegend halten und sich selbst nicht für religiös, dann vielleicht in säkulare Sprache übersetzt: Wann werde ich erlöst davon, ständig von meinen eigenen Ansprüchen und Idealen gejagt, gehetzt und getrieben zu werden - wann erfahre ich stattdessen Liebe und Getragensein und Glückseligkeit?
Sie sehen, dass diese Drei-Wort-Frage "Wie viel ist genug?" ein weites Feld aufspannt, das wir heute Abend nur zu einem kleinen Teil abschreiten können. Zunächst gehe ich auf die persönliche Sicht ein und beziehe mich damit zugleich auf gesellschaftliche Phänomene – Phänomene einer Gesellschaft, die zu den vermögendsten der Welt gehört. In einem zweiten Teil werde ich aus der theologischen Sicht einige Perspektiven des Themas Gerechtigkeit aufzeigen.
Persönlich gefragt: Wie viel ist genug?
Eine persönliche Erfahrung voran. Sozusagen als ein Bild von gutem Leben, das mich zutiefst geprägt hat. Und die hat mit Verzicht zu tun. Stellen Sie sich vor: eine Gruppe von ungefähr 15 Menschen sitzen um einen Tisch, auf dem Kräutertee in Mengen steht, sonst nichts. Wir haben Hunger. Und wie. Es ist der zweite von 10 Fastentagen – eine spirituelle Erfahrung wurde uns versprochen. Und nun sitzen wir mit großen Augen und knurrenden Mägen um diesen Tisch. Wollten uns eigentlich mit einem Bibeltext beschäftigen. Stattdessen reden wir über - Rezepte. Eins verlockender als das andere. Besonders verführerisch wird´s mit dem bescheidensten Wunsch: Was gäbe man jetzt für ein Vollkornbrot mit Butter und Salz... Irgendwann nehmen wir doch die Bibel in die Hand: Das Volk Israel ist auch in der Wüste. Die Mägen knurren und das Gemüt erst recht. Wir fühlen uns extrem verstanden und horchen in die alte Weisheit hinein: Gott schenkt ihnen Himmelsbrot – Brot und Himmel, Immaterielles und Materielles zum Leben, heißt das. Und jeden Tag neu, verspricht er. Soviel du brauchst.
Und so war es dann auch. Nach tapferem Durchhalten in der Fastengruppe stellte sich dieser Moment ein, in dem alles ganz leicht wurde. So dass auch das dickste Problem auf einmal lösbar schien. Und dies auf angenehm nüchterne Art. Als wir am 10. Tag gemeinsam das Fasten brechen und mit nur zweieinhalb (!) Äpfeln alle satt werden, staunen wir nur: So wenig braucht der Mensch. So wenig ist genug.
Eine Übung, sich in heilsamer Relation neu zu entdecken, finde ich. Und nicht nur ich – kein Zufall ist doch, dass die Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ seit Jahrzehnten ein Erfolgsmodell ist. Der Grund: Es reicht den Menschen mit dem dauernden „Wie viel“. Wie viel hast du zu bieten – ein Haus? Auto? Hund? Yacht? Nicht zu vergessen: Frau? - Wie viel bringt mir dies oder das. Auch: Was bringt es mir; in der Kirche zu sein? Wie viel bekommt der andere, wie kurz komme ich?
Wir leben in der Welt der Quantität. Wert und Selbstwert wird bemessen. Ja, auch Menschenwürde als unantastbares Gut ist teilweise schon dem Diktum der Ökonomisierung unterworfen.
Das hochaktuelle Beispiel dazu ist die Flüchtlingsfrage: Bezogen auf manch europäisches Land eigentlich beschämend: Wer nimmt wie viele Flüchtlinge auf? Ist 20.000 in England genug?? Oder: wie viele Flüchtlinge sollen maximal an einem Ort unter-gebracht werden und so weiter. Für die Flüchtlinge ist die Frage längst eine andere. Da geht es nicht mehr um das wie viel, sondern um das wohin und wie geht es weiter? Traurigerweise müssen wir, die wir auf eine humane Gesellschaft halten, doch vor allem fragen: Wie viele überleben die Flucht? Wie viele Familienmitglieder werden sich in der Fremde wiederfinden und wie viele werden Opfer von Schleppern? Die wiederum haben die Frage nach dem wie viel eiskalt mit: So viel ich kriegen kann, beantwortet.
Also: Wie viel ist genug? In der Frage schwingt bezogen auf die Flüchtlinge auch echte Besorgnis mit. Bei Politikern und in der Bevölkerung. Ob die Stimmung so freundlich bleibt, wenn es im persönlichen Leben Veränderungen oder gar Einschränkungen gibt – in den Schulen. Sportvereinen. Am Arbeitsplatz? fragen sie. Und diese Fragen zu stellen, ist unbedingt wichtig. Wir brauchen einen konstruktiven Dialog in dieser Stadt, wie es weitergehen soll. Welche Werte wirklich zählen. Ein Dialog, in dem es genau darum geht: zu neuen Relationen zu finden. Unsere Gesellschaft wird sich verändern, hat sich schon verändert. Und nur wir gemeinsam – Politik, Wirtschaft, zivilgesellschaftliche Kräfte, Grone-Stiftungen und Kirchen – tragen Verantwortung, dass der soziale und religiöse (!) Friede in dieser Stadt erhalten bleibt.
Denn der ist eine wertvolle Errungenschaft. Und braucht unsere demokratische Haltung. So viel nur geht.
Dies als erster kleiner Exkurs zum gesamtgesellschaftlichen Aspekt unseres Themas.
Zurück zur persönlichen Frage: Wie viel ist genug – für Sie? Ab wann stellt sich für Sie Zufriedenheit ein, Glück auch, dass wir uns von ihm geküsst fühlen?!
Und kaum gefragt, wird doch deutlich, dass fern aller Ökonomisierung unserer Lebensbereiche die Dinge, die uns wirklich mit Glück und Sinn und Friedfertigkeit erfüllen, tiefer gehen, existentieller sind. Die Quantität trifft nicht das Eigentliche. Im persönlichen Leben ebenso wenig wie bei den politisch brisanten Themen. Deshalb – so nehme ich es wahr - hat die Frage nach Religion nicht umsonst Konjunktur. Ist Religion ja eine Kategorie, die per se unermesslich und tiefgründig alles sprengt, was wir denken können. Sie ist sui generis eine Bewegung der Qualität, eine Suche nach dem Eigentlichen.
Und ich erlebe allerorten, dass viele Menschen diese Dimension suchen. Auch wenn sie es anders nennen, wage ich die These: Sie suchen, was zugleich Ziel und Schatz unserer Religion ist, nämlich diese Qualität von Leben. Lebensfreude. Oder theologisch: Herrlichkeit. Kurz: Das, was einen morgens zuversichtlich aufstehen lässt und am Lebensabend zufrieden gehen. Es sind meist die Dinge hinter den Dingen. Sie sind es, die uns in unserem Leben am meisten berühren, weil sie uns wert und teuer sind. Liebe, Freundschaft, Ehre, Trost, Klarheit. Alles „Dinge“, die man nicht kaufen, verwerten, ja die man nicht erklären kann und die uns vielleicht bis ans Lebensende ein Geheimnis bleiben. Deshalb gehört in die Frage des Wie viel für mich heute Abend auch: Wie viel Religion braucht die Gesellschaft – ein Thema übrigens, das Gläubige aller Religionen genau so wie Atheisten, Zweifler und Kritiker bewegt.
So wage ich einmal das Experiment – hier und heute – mit Ihnen: Teilen Sie sich doch einmal ungezwungen mit, was Ihnen im Leben am Wertvollsten am Unverzichtbarsten ist. In der Sprache der Religion nennen wir diese Dinge „heilig“ – unantastbar. Was ist so wichtig, wertvoll, dass es kein anderer antasten darf?
(Murmelgespräch – und meine Antwort auf die vom Publikum auch mir gestellte Frage: Was ist Ihnen denn heilig?)
Zurück zu Ihnen. Ich vermute: Sie haben zunächst und spontan die Familie genannt, das gerade geborene (Enkel)Kind, die Partnerschaft, die Sinnhaftigkeit im Beruf, Vertrauen, Freundschaft. Ganz wichtig auch die Dankbarkeit. Und dann mögen Sie auf den Mittagsschlaf oder erste Tasse Kaffee am Morgen gekommen sein und zugleich gedacht haben: „Nein, also das ist mir wichtig, aber heilig? Ist das nicht zu profan?“ Mitnichten – denn es sind alles Dinge und Ereignisse, die die Kraft haben, selig zu machen. Ruhe zu geben. Und sei es nur für einen Moment. Glücksmomente eben, die man nicht bestellen, die man nur empfangen kann.
So davon zu reden, was uns heilig ist, halte ich für eine lebenswichtige Übung für eine humane Gesellschaft. Denn wir stellen auf diese Weise eine Verbindung her zu unseren persönlichen Werten, zu unseren inneren Bildern vom guten Leben. Und da kann man das Wenigste kaufen – es braucht andere Investitionen. Zeit. Nachdenklichkeit. Tiefgang. Gemeinschaft. Alles übrigens auch gefährdete Güter in diesen Zeiten…
Wie viel ist genug – die persönliche Frage wird schnell zu einer Beziehungsfrage. Und damit zu einem Nachdenken über das Miteinander in der Gemeinschaft. Ich finde in dieser Flüchtlingsthematik dies so hinreißend überraschend: Dass so viele Menschen in diesem Land nicht allein „helfen“, sondern in Beziehung treten, sich verändern, Verantwortung für das Miteinander übernehmen! Und dazu gehört auch, dass die Aufmerksamkeit für die Ursachen dieser Flüchtlingsbewegung sensibler angeschaut wird.
Und damit bin ich bei meinem zweiten großen Kapitel:
Gerechtigkeit – theologische Grundlagen für gutes Leben
Die Suche nach dem eigenen Vorteil - das ökonomische Prinzip eben, das unsere Marktwirtschaft prägt – hat als Prinzip längst seine Grenze, ja Paradoxie offenbart. Zum einen sind die Ressourcen endlich. Wir können jeden Apfel nur einmal essen und in jedes Hemd passt nur einer zurzeit. Und also: Muss ich nicht bei jeder Aktion und Entscheidung nicht nur bedenken, was es mir an Nutzen stiftet, sondern auch, was es anderen möglicherweise schadet? fragen immer mehr Menschen. Auf wessen Kosten geht mein Geiz beim Lebensmitteleinkauf, wer wird unter der Klimaerwärmung leiden? An dieser Stelle nützt uns das größte Wachstum nichts mehr und schon gar nicht, wenn das Mehr ungerecht verteilt ist. Das Missverhältnis in der Einkommensverteilung, die Schere zwischen Arm und Reich, ist bekannt. Laut Oxfam hat das reichste ein Prozent der Weltbevölkerung im kommenden Jahr mehr als die restlichen 99 Prozent zusammen.1 Wozu wird das führen, wenn das so weiter geht?
Dies korrespondiert zum zweiten mit einem Widerspruch, den ich eklatant finde. Denn: Wenn man die Wirtschaftsprognosen liest, den Konsumklimaindex beobachtet, abends den Börsenkurs verfolgt, dann könnte man denken: Eigentlich geht es uns doch Gold, hier in Deutschland und erst recht in einer prosperierenden Stadt wie Hamburg. Die Wirtschaft wächst, die Beschäftigung steigt, statt von Arbeitslosigkeit reden wir im Moment vom Fachkräftemangel. Und trotzdem punkten Werbeslogans wie Geiz ist geil! Trotzdem hat man den Eindruck, wir bekommen nicht genug und erst recht nicht zu viel, kommen zu kurz! Wie passt das zusammen? Wir haben immer mehr, können uns immer mehr leisten, geben nicht allzu gern ab und zu den glücklichsten Nationen zählen die Deutschen laut Statistik nun gerade nicht.
Ich bin fern davon, moralisch aufzurüsten nach dem Motto: Sehen Sie: „Geld verdirbt den Charakter“. Dazu kenne ich viel zu viele, die in ihrem Reichtum eine Verpflichtung sehen. Die von dem Segen, der ihnen geschenkt wurde, etwas abgeben wollen. Gut hanseatisch. Nicht viel schnacken, machen. Wo wären wir in Hamburg, hätten wir nicht diese vielen Mäzene und Stifter, die zum Wohl der Stadt beitragen, und das immer schon?!
Nein, aber vielleicht lässt sich anhand einer biblischen Figur genauer auf die Spur kommen, wo das Problem liegt. Jetzt just zu Erntedank ist die Geschichte vom reichen Kornbauern das grundlegende Evangelium. Der bringt, was übrig ist in immer mehr Scheunen, um vorzusorgen. Eigentlich ja ganz vernünftig. Machen wir ja auch – oder? Leider aber zum Missfallen Gottes. Der nennt ihn einen Narr und krank vor Habsucht, „und nimmt von ihm das geliehene Leben“. Oje. Und die Moral von der Geschicht´? Sind wir etwa habgierig, wenn wir Besitz haben oder gar Reichtum? Mit-nichten. Es geht um etwas anderes. Hören wir einmal in das Lukas-Evangelium hin-ein: „Und der Kornbauer dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: das will ich tun. Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast großen Vorrat für viele Jahre, habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut.“
Neunmal „ich“ und „mein“ in drei Versen! Nicht der Reichtum, auch nicht das Vorsorgen, die totale Selbstbezogenheit ist es, die den Kornbauern in den Augen Gottes zu einem habgierigen Menschen macht. Da scheinen um ihn keine Nachbarn zu leben, keine Freunde, keine Frau, keine Kinder, kein Mensch, dem er verbunden ist. Es gibt nur ihn und seine Scheunen. Und so kann er nichts von seinem Besitz abgeben, er kann nicht teilen, weil er gar nicht sieht, mit wem. Sogar seine Worte teilt er in Selbstgesprächen nur sich selbst mit. Armer reicher Kornbauer. Armer Kornbauer, der weit entfernt ist von dem, was das Menschsein, ja des Menschen Recht in biblischer Theologie ausmacht.
Dies wiederum ist zusammengefasst in einem anderen, noch älteren biblischen Wort, vom Propheten Micha: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott bei dir sucht: nichts anderes als Gerechtigkeit tun und Liebe üben und demütig gehen mit deinem Gott (Kirchentagsübersetzung).“
Gerechtigkeit, auf Hebräisch zedakah, ist einer der Schlüsselbegriffe der hebräischen Bibel. Sie wird von den Propheten wie Micha immer wieder angemahnt. Im Namen Gottes werden soziale Missstände angeprangert. "Ihr unterdrückt die Armen und nehmt von ihnen hohe Abgaben", klagt etwa vor 2800 Jahren der Prophet Amos. "Ihr bedrängt die Gerechten und nehmt Bestechungsgeld." Darum, so die Denkfigur, die sich durch das ganze Alte Testament zieht, wird Gott das Volk bestrafen, wenn es Recht und Gerechtigkeit vergisst. Und als Israel später tatsächlich unterging und die Oberschicht nach Babylon deportiert wurde, da interpretierten die Intellektuellen des Volkes dies vor allem als Folge der großen sozialen Ungerechtigkeiten, die zuvor geherrscht hatte.
Im Neuen Testament wird dieses Denken von Jesus aufgenommen, zum Teil noch radikalisiert und auf das Leben jedes Einzelnen bezogen. "Selig sind, die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden." Es geht dabei nicht nur um den übertragenen Hunger, sondern um das ganz echte und konkrete Hungerleiden, das ein Ende finden soll. Es soll niemand hungern müssen. Und wenn es im Vaterunser heißt: Unser tägliches Brot gib uns heute, so ist damit schon angezeigt, dass die Lebensmittel und Ressourcen so verteilt werden sollen, dass jedem Menschen der Zugang dazu gewährleistet wird.
Denn das ist die eigentliche Aussage der biblischen Gerechtigkeit: Es soll jeder so viel haben, dass er überleben kann. Gott hat die Erde jedem Menschen gleicher-maßen als Heimat zur Verfügung gestellt, und jede/r soll sich gleichermaßen auch ihrer Güter bedienen dürfen, um zu leben und zu überleben. Wer dem anderen dieses Lebensnotwendige nimmt, um sich selbst zu bereichern, der begeht eine Sünde. Heißt positiv formuliert: Die Güte, die Qualität einer Gesellschaft misst sich seit den 10 Geboten genau daran, wie gut wir es machen mit den Armen und den Geschwächten, wie sensibel wir sind mit den Trauernden und Verwaisten, wie herzlich wir den Fremdlingen und Hoffnungslosen begegnen.
Gib so viel du kannst – unter dem Stichwort hat Michael Otto auf dem Kirchentag das Wirtschaftsforum eröffnet und damit einen faszinierenden Prozess in Gang gebracht. Seitdem gibt es nämlich eine Gruppe von Führungskräften aus der Wirtschaft, mit denen ich regelmäßig zum wirtschaftsethischen Diskurs zusammen treffe und der sich inzwischen auf über 120 Menschen aus Wirtschaft und Politik ausgeweitet hat.
Das Michawort ist uns dabei Leitstern geworden, Fragestellungen des Zeitgeschehens, der Wirtschafts- und der Arbeitswelt unter einem anderen Licht zu betrachten, eine Erweiterung des Horizonts. Seitdem arbeiten wir daran, wie Gerechtigkeit - aber auch Demut und Liebe - eine Umsetzung in unserem Alltag finden können. Wie lassen sich diese Wertbegriffe in unternehmerische Wirklichkeit, wie die Bibel ins Leben übersetzen? Das ist leichter gesagt als getan. Für alle. Wir als Kirche haben diesen Dialog gesucht, weil wir uns verpflichtet fühlen, darauf eine Antwort zu finden. Mit erhobenem Zeigefinger fordern ist nicht meins; wir wissen ja auch in der evangelischen Kirche, wie schwierig das ist, Geld gerecht zu verteilen, den ganzen Tag allen Personen gegenüber wertschätzend zu sein und jeden Stolz abzulegen. Nein, wir haben weder Masterpläne noch Patentrezepte in der Tasche. Wir bieten auch keine Seminare und Selbsterfahrungsgruppen dazu an. Das, was wir anbieten, sind wir selbst, als Gesprächspartner, die eine Herausforderung von einer anderen Warte aus betrachten und damit den Horizont erweitern können.
Ich persönlich bin davon überzeugt, dass wir etwas verändern müssen. Wir brauchen andere Leitlinien als Profit und Reichtum – und da bin ich mir ja glücklicherweise mit vielen einig. Liebe, Demut und Gerechtigkeit mögen dazu ein krasser Gegensatz sein. Aber warum nicht darüber angeregt, kontrovers und also energievoll zu reden mit dem Ziel, dass etwas Neues entsteht? Wie soll es uns sonst gelingen, das was die Erde an Ressourcen zu bieten hat, gerechter zu verteilen. Denn vielleicht haben wir ein wenig übertrieben mit dem Wirtschaften und dabei das Maß verloren? Können nicht Liebe, Demut und Gerechtigkeit auch ein Maßstab für gutes Wirtschaften sein, statt Wachstum, Volkseinkommen und Aktienindizes?
Darüber mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, freue ich mich.
Denn mit meinem Beitrag dazu ist´s nun wirklich genug.
Ich danke Ihnen.