25. Dezember 2015 | 1. Weihnachtsfeiertag | Syrisch-Orthodoxe St.-Dimet-Gemeinde Hamburg-Neugraben

Wir stehen an eurer Seite!

25. Dezember 2015 von Kirsten Fehrs

Grußwort am 1. Weihnachtsfeiertag in der Syrisch-Orthodoxen St.-Dimet-Gemeinde Hamburg-Neugraben

Der weihnachtliche Friede sei mit uns allen. Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

wir feiern heute die Geburt Jesu Christi, unseres Erlösers. Und ich freue mich, dass ich an diesem Tag hier bei Ihnen zu Gast sein und mit Ihnen diesen festlichen Gottesdienst feiern kann. Das ist mein Wunsch gewesen in diesem Jahr und eine große Ehre für mich. Ich danke Ihnen von Herzen – auch für die warmen Worte des Willkommens!

Unsere Stadt ist in diesen Tagen hell und weihnachtlich geschmückt. Gestern, am Heiligen Abend, haben viele tausend Menschen in unseren Kirchen gebetet, gesungen und das heilige Evangelium gehört: Von dem Kind in der Krippe, in dem Gott selbst Mensch wird. O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Dieses Lied wird in unseren evangelischen Kirchen am Ende jedes Weihnachtsgottesdienstes gesungen.

Doch bei all dieser feierlichen und fröhlichen Stimmung schwingen gerade in diesem Jahr die Gebete und Gedanken mit an jene, die nicht fröhlich sind. Wo uns das Licht der Weihnacht scheint, sind sie im Dunkeln, oft buchstäblich. Ich denke insbesondere an die vielen Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten oder die unter unvorstellbaren Bedingungen dort noch leben. In Syrien, im Irak, in den Nachbarländern.

Vor zwei Monaten war ich dort, ganz in der Nähe der syrischen Grenze. Ich habe das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien besucht. Fast 80.000 Menschen leben dort in Zelten und Containern, die Hälfte sind Kinder. Was dieser grausame Krieg in Syrien anrichtet, ist schon auf einen ersten Blick zu erfassen! Zaatari ist das größte Lager in Jordanien, aber beileibe nicht das einzige. Inzwischen geht den UN-Organisationen, die diese Lager in großer Menschenfreundlichkeit hochprofessionell betreiben, das Geld aus. Die Internationale Staatengemeinschaft ist nachlässig geworden. Das ist ein Skandal, finde ich. Die Folge ist nämlich: Es bleibt dem World-Food-Programme gar nichts anderes übrig, als für die syrischen Flüchtlinge Lebensmittelrationen und sogar das Wichtigste, Wasserzuteilungen, drastisch zu kürzen. Auch Schulen werden geschlossen, weil kein Geld da ist. Was den Menschen dann notgedrungen nur bleibt, ist die erneute Flucht (obwohl sie gern in ihrem vertrauten Kulturkreis bleiben würden!)  – Flucht entweder zu uns nach Europa oder im Extremfall zurück nach Syrien in den beinahe sicheren Tod. Ich habe Familien getroffen, die mir grauenhafte Geschichten von Flucht und Vertreibung erzählten. Christinnen, die in die Gewalt des barbarischen IS, des Daesch, gerieten. Erlebnisse, die nicht nur die Seele, sondern auch den Glauben aufs Tiefste erschüttert haben.

Immer wieder berührt es mich, wie gerade Christinnen und Christen in Syrien leiden, gemeinsam mit vielen anderen Menschen dort. Das Signal muss lauten: Wir stehen an eurer Seite. Unmissverständlich. Zum einen mit unseren kirchlichen Hilfswerken, die vor Ort Flüchtlinge unterstützen. Zum anderen bitten wir auch unsere Regierung hier in Deutschland: Nehmt weiterhin Flüchtlinge auf, und ermöglicht es, dass auch die Familien nachkommen! Wir müssen vor allem den Menschen aus besonders bedrohten Bevölkerungsgruppen helfen, zu denen auch viele Christen gehören.

Die letzten Monate und Wochen haben gezeigt: die Menschen in unseren Kirchengemeinden wollen etwas tun. Für sie ist es unmittelbar einleuchtend, dass Flüchtlingshilfe tätige Nächstenliebe bedeutet! Ich weiß, wie sehr sich gerade auch Ihre Gemeinde für die Flüchtlinge einsetzt. Sie, die Sie die alten Traditionen des christlichen Glaubens über so viele Jahrhunderte bewahrt haben, trotz aller Feindseligkeiten der Umgebung. Das gilt bis hin zum Aramäischen, der Muttersprache unseres Herrn und Heilandes. Ihre Anwesenheit bereichert die Familie der christlichen Kirchen hier in Hamburg. Und es verdient hohen Respekt, wie sich Ihre kleine Gemeinde der Menschen annimmt, die jetzt zu uns fliehen.

Damit bin ich wieder bei Maria und Josef, die damals ebenfalls fern der Heimat aufgenommen wurden, nämlich in Ägypten. Die Sorge um Menschen auf der Flucht ist unserem Glauben tief eingeschrieben. Dabei geht es nicht nur um die Bedürfnisse des Körpers, sondern auch um die Sorge für die Seele, damit die Menschen nicht zerbrechen. Als Geschwister im Glauben stehen wir an eurer Seite. Vor allem beten wir dafür, dass auch in Syrien der Frieden einziehen wird, den der Engel in der Heiligen Nacht allen Menschen guten Willens zusagt.

Denn wir wissen: Das Beste wäre es, wenn die Christinnen und Christen in Frieden in Syrien leben könnten, an dieser Wiege unseres Glaubens, in Damaskus und in Aleppo und in Maalula und so vielen anderen Orten. Auch im Osten der Türkei. Wenn sie dort bleiben könnten und ein Zeugnis sein könnten für das friedliche Zusammenleben der vielen Religionen und Konfessionen, die es im Nahen Osten gibt.

Ich danke Gott, dass wir hier in Hamburg ein so gutes Miteinander der Konfessionen und der Religionen pflegen. Denn uns muss bewusst sein, dass die Freiheit des Glaubens ein unbedingt zu schützendes Gut ist. Toleranz und Akzeptanz untereinander vorzuleben, das ist wichtiger denn je.

All das schöpfen wir nicht aus uns selbst. Es braucht in dieser Zeit mehr denn je das Evangelium, das wir uns durch die Generationen und durch alle Kulturen weitererzählen: Die Gewissheit, dass Gott uns seinen Sohn geschenkt hat. Die Vision, dass der Himmel auf die Erde kommt - nicht weil wir das durch unsere Klugheit irgendwie erdacht und gemacht haben. Sondern weil in diesem Kind Gott selbst zutiefst menschlich wird. Ein Zeichen auch, das uns sagt: Keine Gewalt der Welt kann die Werte unseres Menschseins ernsthaft angreifen!

Deshalb lasst uns auf dem Satz des Engels beharren: „Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch große Freude!“ Was braucht es im Moment mehr, als unerhört hoffnungsliebende, herzhafte, Mut machende Engelworte, die schon vor 2000 Jahren Menschen aus ihrer Traurigkeit und ihren Ängsten gerissen haben. Denn: Aufgerichtet! Hingeschaut! Hinter dem Horizont geht es weiter. Es ist hier noch längst nicht erschienen, was wir in Zukunft sein werden. Und sein können.

Wir sollten entschieden damit rechnen, dass Gott uns alle verändern will. Er hat uns schon heute reich beschenkt. Mit und in dieser Gemeinschaft.

Gott segne euch in eurem Beten und Tun und senke den weihnachtlichen Frieden in euer Herz. Ihm sei Ehre in Ewigkeit.

Amen.

Datum
25.12.2015
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
Zum Anfang der Seite