Ausstellung "Krieg, Frieden, Versöhnung? - weshalb wir uns erinnern müssen" - Fotografie von Harald Schmitt
Di, 1. Juli 2025 00:00
- 31. Juli 2025 23:59
Uhr
M I Marienkirche Hauptschiff |
Marienkirchhof 1 | 23552 Lübeck
Veranstalter: | Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Lübeck |
Krieg, Frieden, Versöhnung - weshalb wir uns erinnern müssen
Fotoprojekt von Harald Schmitt zum 80. Jahrestag des Kriegsendes am 08. Mai 1945. Mit fördernder Begleitung der S. Fischer Stiftung und der Possehl-Stiftung.
Am 08. Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zum 80. Mal. Es wird dann vermutlich nicht mehr viele Menschen geben, die als Zeitzeugen und aus unmittelbarem Erleben noch schildern könnten, welch ein Einschnitt der 8. Mai 1945 für sie war: Die Waffen schwiegen endlich, aber war das etwa Frieden? Bei bitterer Armut, Hunger, nach Bombardierung, ohne Obdach, nach Flucht, Vertreibung und in Trauer um die vertraute Heimat, voller Sorge um vermisste Angehörige und Kriegsgefangene? Wie und an wen werden wir uns künftig an diesem Gedenktag für den Wechsel vom Krieg zum Frieden erinnern, wenn niemand mehr da ist, der uns davon erzählen kann?
Zufällig stieß ich auf den Text einer Rede, die der damalige Vorsitzende der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker zum Volkstrauertag am 16. November 2008 im Deutschen Bundestag gehalten hatte, darin dieser Appell:
„Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte die Soldatengräber besuchen.“
Der Autor Hans-Dieter Heine griff Junckers These auf: „Was hat Europa mit Kriegsgräbern zu tun? Genauso gut könnte man fragen: Was hat Frieden mit Kriegsgräbern zu tun?“ Und fand eine Antwort bei Albert Schweitzer, dem „Urwalddoktor“, der aus dem Elsass stammte: „Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens.“
Das Thema hat mich als Fotoreporter seither nicht mehr losgelassen. Abschluss dieser Arbeit soll eine Ausstellung und ein Buch werden. Ich besuchte die Strände der Normandie, wo im Juni 1944 („D-Day“) mit der Landung alliierter Truppen der letzte Akt zur Befreiung Europas von der Nazi-Diktatur anbrach. Ich sah im Hinterland die riesigen Gräberfelder, auf denen die Opfer der darauffolgenden Schlachten beigesetzt worden waren. Ein unvergesslicher, bedrückender Anblick. Wer würde darin nicht einen „Lernort“ für den Frieden erkennen?
Ich war dreimal in Verdun, wo in 300 Tagen und Nächten des Ersten Weltkriegs rund 300.000 Soldaten getötet und 450.000 verwundet und verstümmelt wurden – ohne nennenswerte Geländegewinne oder kriegsentscheidende Durchbrüche für Deutsche wie Franzosen. Eben dort traf im Jahr 1984 der französische Staatspräsident Francois Mitterand mit dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl zusammen und erklärte: „Wir haben uns versöhnt.
Wir haben uns verständigt.
Wir sind Freunde geworden.“
Das war nicht selbstverständlich, sondern ein harter Prozess: „Erbfeindschaft“, Hass und Vorurteile zwischen den Völkern zu überwinden, verlangt Mut und Geduld. Denn Vertrauen über Gräbern und Grenzzäunen wächst nur langsam.
Weil ich mich nicht auf die Weltkriege des 20. Jahrhunderts beschränken wollte, fanden sich auf meinen Reisen häufig Anknüpfungspunkte, die zum Teil weit in die Geschichte zurück reichen. Wie das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, das die Befreiungskriege gegen Napoleon feiert. Wie das Hermannsdenkmal bei Detmold für den Cheruskerfürst Arminius, der im Jahre 9 n. Chr. drei römische Legionen vernichtete.
Ich fotografierte hasserfüllte Graffiti an Häusergiebeln entlang der nordirischen Grenze zur Republik Irland aus der Zeit des blutigen Bürgerkriegs. Und ein jahrhundertealtes Gemälde in der rumänischen Moldau-Region auf der Außenwand eines orthodoxen Klosters, das osmanische Fremdherrschaft anprangert und Festigkeit im Glauben propagiert: Muslime könnten christliche Märtyrer zwar enthaupten, deren Heiligenschein aber selbst im Tod nichts anhaben.
Motive zu Vergebung und Versöhnung waren seltener zu
finden.
In Lourdes treffen sich seit 1956 Soldaten aus vielen Ländern, um
gemeinsam zu beten, um sich sportlich in Wettkämpfen zu messen
und miteinander zu verbrüdern. Im Jahr 2023 waren es 14.000 Soldaten aus 40 Ländern, darunter Südkorea und die
Elfenbeinküste. Und wenig erstaunlich: Wenn Soldaten miteinander
beten, ist das in den Medien nicht der Rede wert. Nur wenn sie
aufeinander schießen.
Auf dem Friedhof von Monte Cassino in Italien haben 18-jährige
Schüler und Schülerinnen aus Deutschland und Polen die Namen
gefallener deutscher Soldaten auf den Grabsteinen wieder lesbar
gemacht. Und sich mit Texten von Soldatenliedern ihrer Länder
beschäftigt.
An über 60 Orten in Deutschland – und insgesamt 160 weltweit –
gibt es sogenannte „Nagelkreuz-Kirchen und-Zentren“. Dort wird
regelmäßig freitags um 12.05 Uhr an die Bombardierung
(Operation Mondscheinsonate) der englischen Stadt Coventry
durch die deutsche Luftwaffe in einer Gedenkstunde gedacht.
In Franken, gleich an der Grenze zu Tschechien, liegen zwei
unbekannte französische Soldaten begraben, mitten im dichten
Wald. Das Besondere: Es sind Gräber aus dem Jahr 1813. Und
seit dieser Zeit kümmern sich Anwohner der Umgebung um die
Grabstellen und pflegen sie.
Was in nächster Zeit geplant ist:
Im August werde ich in Frankreich sein, wo die sterblichen
Überreste von 64 deutschen Soldaten geborgen werden. Sie waren
als Vergeltung für das von der deutschen Waffen-SS nordöstlich
von Bordeaux verübte Massaker an den Bewohnern des Dorfes
Oradour-sur-Glane von der französischen Résistance umgebracht
worden. Im Zusammenhang damit hat sich erst vor Kurzem ein
98jähriger Franzose als Zeuge gemeldet, der über dieses Geschehen im Juni 1944 sein ganzes Leben lang nicht sprechen
konnte.
Vier Wochen lang werde ich durch die Nachfolgestaaten
Jugoslawiens fahren, Kriegsgräberstätten aufsuchen und aktuelle
Eindrücke sammeln.
Ich werde nach Coventry reisen und die dort tätige deutsche
Aktion Sühnezeichen besuchen. Die englische Stadt war durch
deutsche Luftangriffe zu weiten Teilen zerstört worden und setzt
sich seit Kriegsende für völkerweite Versöhnung zwischen
einstigen Feinden ein („Nagelkreuz-Zentren“).Auch St. Marien Lübeck ist seit 1971 ein Nagelkreuzzentrum.
In Polen besuche ich die Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Kreisauer Kreis. Dort treffen sich Jugendliche aus mehreren
Ländern Europas zu Sommerstudien, um sich anhand von
Originalakten mit den Möglichkeiten zu beschäftigen,
Kriegsverbrechen aufzuklären und Verantwortliche in
rechtsstaatlichen Verfahren zur Rechenschaft zu ziehen.
Hamburg, im Juli 2023
Harald Schmitt, Jahrgang 1948, war von 1975 bis 2010 Fotoreporter des Hamburger Magazins STERN und wurde sechs mal mit dem World Press Photo-Award ausgezeichnet. Seit 2015 unternahm er mehrere Foto-Reisen durch 22 osteuropäische Länder.
Schmitt ist verheiratet und lebt mit seiner Frau, einer Gemälderestauratorin, in Hamburg.
www.harald-schmitt.com
Einzelausstellungen:
2022 „In 50 Jahren um die Welt“, Ostholstein-Museum, Eutin 2021 „Facing the Balkans“, Bayerische Staatsbibliothek München 2012 „Von Siegern und Verlierern – Sportfotoausstellung“, Willi-Brandt-Haus Berlin
2010 „Heile Welt der Diktatur“, Stiftung Aufarbeitung der
SED Diktatur im Außenministerium Berlin
2009 „Sekunden, die Geschichte wurden – Bilder vom Untergang des Staatssozialismus“, Martin-Gropius-Bau Berlin
„ Kataloge und Fotobücher:
“Facing the Balkans“, Kerber Verlag, 2021
„Sekunden die Geschichte wurden – Bilder vom Ende des Staatssozialismus“, Steidl Verlag, 2009
„Segeln im Polarlicht“, Delius Klasing Verlag, 2012 „Rügen neu entdecken“, Delius Klasing Verlag, 2019
„Die sechs Weltreligionen“, Stern-Buch, 2005