1. Januar 2014 - Krippenandacht
01. Januar 2014
Liebe Gemeinde!
Komm, ich will dich mit Lust umfassen, mein Herze soll dich nimmer lassen…Erfüllt, schwungvoll, ein Echo voller Ja! – so wie diese wunderbare Musik möge das neue Jahr für Sie werden, liebe Gemeinde, mit dem Klang von Gemeinsamkeit, einem harmonischen Duett, der Leichtigkeit einer gelungenen Koloratur – glücklich eben.
Dieser Wunsch nach Glück und Segen ist besonders an Übergängen spürbar. Wenn ein neues Lebensjahr, ein neues Jahr beginnt. Denn Glück ist ja alles andere als selbstverständlich, das ahnen oder wissen wir. Doch was wissen wir sonst noch vom Glück? Ist das Glück wie Theodor Fontane sagt: Eine Grießsuppe, eine Schlafstelle und keine körperlichen Schmerzen?
Immerhin, das ist ja schon viel. Und mir gehen glückliche Momente, sind es doch meist eher im Rückblick Momente, durch den Kopf. So wie Ihnen vielleicht jetzt auch. Und mir wird bewusst: Glück überfällt einen oft unangekündigt. So wie einen das Lachen oder die Liebe überfällt. Es ist total unverfügbar. Ein Geschenk. Kostbar und mit tiefem Sinn. Glück ist der unerwartete Moment, der einen mit einem Gefühl so tiefer Lebendigkeit erfüllt, dass man die ganze Welt umarmen möcht. Glück ist, wenn jemand sagt: „Dich liebe ich. Was wäre ich ohne dich auf dieser Welt?“ Glück ist, einen Winterhimmel mit seinen Pastellfarben bewundern zu dürfen. Glück ist, wenn meine alte Mutter mich zärtlich berührt und die Nähe genießt. Glück ist das Kind, das seine kleine Hand in die deine legt. Glück ist das Wort der Versöhnung nach verletzendem Streit. Und Glück ist auch, wenn die Kollegin sagt: Geh jetzt mal einen Augenblick in den Park, ich übernehme das hier für dich. Nicht zuletzt: Glück ist, wenn man Momente des tiefen Einverständnisses mit Menschen erlebt, ein Anvertrauen und Sich-Öffnen, das einen tief rühren oder erheitern kann. Eine Freundin etwa erzählte von einem ihrer Schüler, der sie mit seiner Aggression und ständigen Unruhe bis an die Grenze der Erschöpfung gebracht hatte. Am Morgen ihres Geburtstages steht er vor ihr mit einer Rose und einem zerknautschen Zettel in der Hand, auf dem nur steht: Glückwunsch auch.
Glück ist einmalig kostbar. Eben gerade nicht mit Geld zu bezahlen. Oder selbst zu schmieden. Auch nicht, wenn´s den sprichwörtlich Tüchtigen trifft.
Nein, wahres Glück erreicht andere Dimensionen. Eine Tiefe, die vor allem die fühlen, die sich anderen zuwenden. Die die Beziehung riskieren und damit auch sich selbst. Denn sie, wir nehmen uns darin ja auch des Unglücks an, das andere erleben und oft nicht verstehen. Und so lässt wahres Glück uns niemals unberührt. Sondern es erschüttert einen, und zwar zutiefst positiv. „Alles, was die Seele durcheinander rüttelt, ist Glück“ sagt Arthur Schnitzler. Darin liegt enorme Kraft. Kraft, sich zu verändern. Die Erschöpfung, die Traurigkeit, die Krise, die Frage, ob du mich wirklich liebst – all dies gerät, wenn auch nicht in Vergessenheit, so doch in den Hintergrund. Verliert die Schwere. Wer Glück spürt, hört nicht auf zu träumen von der Leichtigkeit des Seins und zu hoffen, dass die Welt eine andere wird.
Der Psalmbeter, der unsere Jahreslosung ausspricht, ist demgegenüber zunächst kreuzunglücklich. Es ist alles so schwer. Unverständlich. Er sieht nur eine Welt, in der die Korrupten die Glücklichen sind. Sie, die sich keinen Deut um Gott, um Schöpfungs- und Menschenwürde scheren, sie scheinen das Glück gepachtet zu haben – feist ist ihr Leib, greint der Psalmist, ohne Mühsal ist ihr Leben. Im Unterschied zu seinem…
Er muss sich durch die Erfahrung, dass auch andere glücklich sind, erst hindurcharbeiten. 22 Verse lang. Ein innerer Prozess, in dem er erkennt: Neid, Wut, seine Verbitterung machen unglücklich. Und zwar allein ihn selbst. Denn nicht die anderen, er ärgert sich. Fühlt sich unbeachtet, klein. Schließlich bricht er aus dieser Selbstbezogenheit heraus und tritt ein „ins Heiligtum Gottes“, in Gottes Nähe. Und da geht ihm im wahrsten Sinne ein Licht auf. Denn da ist Klarheit. Wärme. Das Geheimnis göttlicher Größe. Und auf einmal ist das Glück da. Es besteht in der tiefen Gewissheit, festen Grund unter den Füßen zu haben. „Ich aber wäre fast gestrauchelt“, stößt der Psalmist erleichtert aus, „ nun aber – Gott nahe sein, das ist mein Glück.“
Gott.
Mein Gott.
Das Glück hat einen Namen.
Das Glück hat einen Namen: Es liegt in der Krippe und heißt Friedefürst und Wunderrat, heißt – so singt es der Chor – meine Hoffnung, Schatz und Teil, Hirt und König, Licht und Sonne, heißt: „Gott rettet die Welt“- aramäisch: Jeschua, Jesus. Das ist das Besondere am Neujahrsfest: an diesem 8. Tag nach der Geburt hat nach jüdischer Sitte auch Jesus seinen Namen erhalten. Und wurde ein unverwechselbarer Mensch. Einmalig. Mit einem Namen. Um gerufen werden zu können. Wie wir auch. Mit unserem Rufnamen. Oder mit zärtlichem Kosenamen, die wie galante Passworte Siegel der Liebe und der Zuneigung sind. Und an diesem achten Tag nun erhält mit der zärtlichen Liebkosung der Mutter Maria nicht nur der kleine Mensch einen Namen, sondern auch der große Gott: Jesus Christus. Unser Glück hat einen Namen.
Glücklich, ja:"Selig sind, die da dürstet und hungert nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“ So sucht Jahrzehnte später dieser Gottessohn jene zu trösten, die im tiefen Unglück sind. Krieg, Zerstörung, Armut, Ungerechtigkeit – das was wir bis heute täglich zu hören und zu sehen bekommen, dass uns fast Hören und Sehen vergeht. Doch genau das will er nicht. Er will, dass wir hinschauen, dass wir das Unglück anderer nicht bedeutungslos sein lassen. Seit er als Kind in der Krippe lag, spricht Jesus den Menschen ein „Fürchtet euch nicht!“ nach dem anderen zu. Selig seid ihr, nicht zum Absturz, nicht zur Demütigung freigegeben. Kein Kind, Mann, keine Frau. Wenn sie aus Syrien, Mali, Südsudan kommen, mit so viel Unglück im Lebensgepäck – Ihr seid kostbar wie das Salz der Erde, sagt er. Gerade wenn ihr in Trauer seid, gefährdet, ohnmächtig und ins Unrecht gesetzt. Und wenn es Momente gibt, in denen du nichts mehr glaubst und niemanden mehr liebst, am wenigsten dich selbst, ja dann gibt es einen Nächsten. Er, sie liebt dich aus der Verlorenheit heraus. Und es wird Zeiten geben, da bist du diese Nächste, dieser Nächste, da bist du Gottes Nähe und ein Glück für den, der sich so fremd vorkommt, in diesem Land oder in sich selbst.
Es ist so ein Glück, sagt Jesus mit jedem Satz der Bergpredigt, dass es dich gibt. Du bist meine Lilie, mein Augenstern. Sicher in meinen Augen. Getragen im Unerträglichen, gestillt im Rasen der Zeiten, aufgehoben in der Verzweiflung. Hab´ keine Angst. Und mach sie deshalb auch anderen nicht. Sondern im Gegenteil: Rechne kompromiss-, ja grenzenlos mit Friedensfindigkeit! Ja, mit Glück auf Erden!
Gott nah sein, das ist dein Glück. Die Seligpreisungen machen Ernst damit. Deshalb hat man sie bisweilen für unrealistisch erklärt und belacht, doch vergessen hat man sie nie. Denn sie sind und waren immer wie ein Fels im Orkan der Seele und in den Aufbrandungen der Welt. Sie sind und waren aber immer auch Sand im Getriebe der Gewalt und der Zerstörung. Und deshalb haben sie immer Menschen bewegt. Sie furchtlos gemacht. Haben sie sozusagen „vertrauensselig“ und zu geradlinigen Gegnern jeglicher Gewalt werden lassen. Wenige Tage nach einem derart hemmungslos brutalen und erschütternd gewalttätigen Angriff auf die Polizisten der Davidwache mitten in Hamburg gehört dies in eine Predigt zur Gottesnähe. Glück braucht Frieden. Und so brauchen wir in diesem neuen Jahr 2014 eine neue Kultur der Gewaltlosigkeit und der friedlichen Konfliktlösung in dieser Stadt. Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Im Namen Jesu Christi, stammend aus dem Hause Davids, sind wir so geboren zum Seligsein!
Ich wünsche Ihnen ein glückliches neues Jahr, liebe Gemeinde, gesegnet mit Lebensfreude, Kraft, Erfüllung und vielen, vielen Momenten, in denen sich´s ereignet: Gott nahe sein – und da ist Glück.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen